WM-Spielort in Asien „Grenzstadt“ Jekaterinburg: Asien oder Europa?

Jekaterinburg (dpa) - Der „oberste Grenzwächter“, wie sich Jewgeni scherzhaft nennt, hat gute Laune. Strahlend führt der 44-Jährige durch seinen kleinen Andenkenladen, direkt an der Grenze zwischen Europa und Asien.

WM-Spielort in Asien: „Grenzstadt“ Jekaterinburg: Asien oder Europa?
Foto: dpa

„In Jekaterinburg werden zur Fußball-WM zehntausende Gäste erwartet - und wir rechnen damit, dass etwa jeder Zehnte zu uns kommt“, gibt sich der etwas untersetzte Mann überzeugt. Denn es gibt etwas zu sehen: Nur wenige Meter neben seinem Geschäft zeigt eine Stele die Stelle an, an der die beiden Kontinente sich treffen. Direkt daneben rauscht die Fernstraße Richtung Moskau vorbei. Rund 20 Kilometer sind es von Jewgenis Laden nach Jekaterinburg, der Millionenstadt am Ural - die als einziger Spielort der Weltmeisterschaft im asiatischen Teil Russlands liegt.

Doch fühlen sich die Menschen hier als Asiaten? „Ich finde, Jekaterinburg ist eher eine europäische Stadt: Die Architektur, die Restaurants, das ist vor allem europäisch“, meint Andrej, der mit seiner Freundin durch ein Einkaufszentrum bummelt. „Wenn wir verreisen, fahren wir nach Moskau, nach Petersburg oder weiter nach Westen. Wir sind durch und durch europäisch geprägt.“

Das Gegenteil - asiatisch - ist auf der Straße nicht zu hören. Einigen ist es aber auch egal: „Asien oder Europa, was tut das schon zur Sache. Menschen sind Menschen“, meint Pawel, der einsam im Nieselregen an einem Verkaufsstand steht.

Die Sichtweise der meisten Einwohner bringt Dina Sorokina auf den Punkt: „Wir sind aus tiefster Überzeugung Russen“, sagt die Direktorin des Jelzin-Museums. Das Gebiet Swerdlowsk rund um Jekaterinburg ist die Heimat des ersten russischen Präsidenten (1991-1999). Die Menschen blickten nach Osten wie nach Westen. „Wir definieren uns nicht nach dem einen oder dem anderen, die Stadt hat ihren eigenen einzigartigen Mix“, sagt Sorokina.

Wie nah sich die Kontinente bei Jekaterinburg kommen, zeigt sich allein daran, dass Touristen die Wahl haben zwischen mehreren „Grenzübergängen“ in der Nähe der Stadt. Einer befindet sich Richtung Süden. Doch Jewgenis Laden hat einen Vorteil: „Wir sind Jekaterinburg am nächsten! Die meisten Besucher haben ja nicht so viel Zeit, also kommen sie zu uns.“ Gedenkmünzen mit der Stele seien der Verkaufsrenner. Dann verabschiedet er sich, die Kundschaft naht: „Gleich soll ein Bus mit ägyptischen Fans kommen.“ Die Nordafrikaner spielen zum Auftakt am 15. Juni in der Gruppe A gegen Uruguay.

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