WM als Hoffnung : Fußball schweißt gespaltenes Kroatien zusammen
Zagreb (dpa) - Kroatien knabbert seit langem an einem nationalen Trauma. Es steht wirtschaftlich schlechter da als sein viel kleinerer nördlicher Nachbar Slowenien.
Und muss sich stets behaupten gegen den viel größeren Nachbarn Serbien, wobei selbst der Krieg zwischen den beiden Ländern 1991 bis 1995 noch längst nicht aufgearbeitet, geschweige denn verarbeitet ist. Im Inneren ist das seit 2013 jüngste EU-Mitglied tief gespalten: Bis heute liefern sich die Nachkommen der kommunistischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg heftige Auseinandersetzungen mit den politischen Erben der damaligen Faschisten. Regionalisten an der dalmatinischen Adriaküste mit Urlauberhochburgen wie Dubrovnik und Split wollen mehr Selbstständigkeit und Kontrolle über die Finanzen. Ihnen stehen unversöhnlich die Zentralisten in der Hauptstadt Zagreb gegenüber.
Als sich das Land 1991 vom Vielvölkerstaat Jugoslawien verabschiedete und selbstständig wurde, war die Aufbruchstimmung groß. Doch diese ist längst verflogen. Ausufernde Bürokratie und Korruption haben sich über alle Bereiche von Staat und Gesellschaft gelegt. Die Menschen resignierten und suchten ihr Glück im Ausland: Hunderttausende sollen nach Darstellung heimischer Demografen ihre Heimat vorübergehend oder für immer verlassen haben. Etwa zehn Prozent der Einwohner von einst 4,4 Millionen sollen das Weite gesucht haben.
Ärzte, Pflegekräfte, aber auch Handwerker aller Art haben ihre Heimat verlassen. Inzwischen zeichnet sich in mehreren Landesteilen ein Pflegenotstand ab. Der Tourismus, mit 17 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig, sucht jetzt in der Hauptsaison händeringend nach Kellnern, Köchen und Putzkräften. Dabei bieten die mehr als 1700 Kilometer lange Küste, Hunderte Inseln und fruchtbarste Ackerböden im Osten des Landes eigentlich alle Voraussetzungen, zu einem blühenden Staat zu werden.