Mit einem Spiel in die Krise Böses Erwachen im Schweizer Fußball

St. Petersburg (dpa) - Nach Jahren des Aufschwungs droht der Schweizer Fußball durch eine einzige Niederlage in eine Krise zu stürzen.

Mit einem Spiel in die Krise: Böses Erwachen im Schweizer Fußball
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Das Achtelfinal-Aus bei der WM durch das 0:1 (0:0) gegen Schweden gilt in der Heimat nicht nur als vertane Großchance, sondern als Beweis des jahrelangen Selbstbetrugs. Die vermeintlichen Stars stehen deshalb heftig in der Kritik, die Euphorie ist komplett dahin.

Die Analyse der Medien am Tag danach war inhaltlich deckungsgleich. „Sie sind nicht so gut, wie sie selbst meinen und sagen“, schrieb die „Basler Zeitung“. Die „Aargauer Zeitung“ klagte über „ewigen Stillstand“ und befand mit Blick auf die heiße Turnierphase: „Die Schweiz hat auf dieser Bühne nichts verloren.“ Die Boulevard-Zeitung „Blick“ erkannte einen „Rückfall in bewältigt geglaubte Zeiten“. Und die „Neue Zürcher Zeitung“ listete auf: „Den Schweizern fehlten die Kraft in den Beinen, der Drang im Herzen, die Ideen im Kopf. Ihnen fehlte die Wut im Bauch. Sie siechten der Niederlage in einem eigenartigen Trott entgegen.“

Die Ernüchterung war deshalb so groß, weil manch einer vom großen Coup geträumt hatte. Die Schweiz war als Weltranglisten-Sechster nach Russland gereist, sie hatte seit der EM 2016 nur eines von 21 Spielen verloren. Und der Weg durchs Turnier schien nach dem Scheitern von Teams wie Deutschland, Spanien oder Argentinien machbar.

Die Spieler hatten sich entsprechend selbstbewusst gezeigt - und bekamen nach dem bösen Erwachen die Quittung. „Versagt haben vor allem die, die enormes Selbstvertrauen besitzen und für sich in Anspruch nehmen, Weltklassefußballer zu sein“, urteilte der „Blick“: „Ein Granit Xhaka, ein Xherdan Shaqiri. Einfluss hatten sie keinen. Leaderfiguren waren sie schon gar nicht.“

Xhaka war entsprechend gefrustet. „Ich habe das nun bei drei Turnieren hintereinander erlebt“, sagte der frühere Mönchengladbacher über den inzwischen veritablen Achtelfinal-Fluch, denn auch im insgesamt vierten Anlauf gelang den Schweizern in dieser Runde nicht einmal ein Tor. „Das kann einmal passieren, vielleicht auch zweimal“, sagte Xhaka: „Aber dreimal? Das ist sehr enttäuschend.“

Gleichwohl mahnte Xhaka, „jetzt nicht alles schlechtzureden“. Auch der Ex-Münchner Shaqiri verwies auf den Erfolg, in der Gruppe mit Brasilien und dem letztmaligen Viertelfinalisten Costa Rica weitergekommen zu sein: „Wir sind enttäuscht, aber stolz auf das, was wir erreicht haben. Wir waren immerhin besser als Deutschland.“

Torhüter Yann Sommer von Borussia Mönchengladbach, der beste Schweizer in diesem Turnier, blickte derweil schon wieder nach vorne. „Wir werden noch ein bisschen dran zu beißen haben“, sagte er: „Aber dann geht es weiter. Und beim nächsten Mal geben wir wieder Gas.“

Mit dabei sein wird dann auch Trainer Vladimir Petkovic. Zwar steht auch der Coach nach dem bitteren Aus in der Kritik. Er sei 2014 angetreten, „um als Nachfolger von Ottmar Hitzfeld die Schweiz weiterzuentwickeln“, schrieb die „Aargauer Zeitung“: „Zum heutigen Zeitpunkt gilt die nüchterne Erkenntnis: Petkovic hat es nicht geschafft. Die Schweizer sind kein bisschen weiter als zuvor.“ Dennoch steht Petkovic im Verband nicht zur Diskussion. „Er ist absolut kein Thema“, sagte der Präsident des Schweizer Verbandes, Peter Gilliéron, im Trainingscamp in Togliatti.

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