WM-Affäre: Hinweise vertuscht, Präsidium nie informiert

Frankfurt/Main (dpa) - Der Deutsche Fußball-Bund soll in der WM-Affäre jahrelang Hinweise vertuscht haben, die auf Korruption und dubiose Geschäfte rund um die Vergabe des Sommermärchens hindeuten.

WM-Affäre: Hinweise vertuscht, Präsidium nie informiert
Foto: dpa

Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Donnerstags-Ausgabe.

SZ, WDR und NDR stützen ihre Recherchen auf die Ermittlungen der Kanzlei Freshfields, die den Skandal im Auftrag des DFB untersucht. Zitiert wird dabei unter anderem aus den Vernehmungen des früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und des früheren stellvertretenden Generalsekretärs Stefan Hans. „Je tiefer Freshfields gräbt, desto mehr Spuren gibt es“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. „Bei der Kernfrage, ob die WM 2006 gekauft wurde, gibt es Indizien, aber sie fügen sich bislang nicht zu einer festen, beweiskräftigen Kette.“

Welche neuen Erkenntnisse gibt es in der WM-Affäre?

Wirklich handfeste neue Erkenntnisse gibt es nicht. Höchstens Hinweise, die bereits bekannte Einschätzungen noch einmal verstärken.

Die „SZ“ selbst recherchierte bereits im vergangenen Oktober in Akten der Bundesregierung, dass der Weltverband FIFA im Jahr 2003 auf einmal 40 Millionen Euro vom deutschen Organisationskomitee (OK) verlangt hat. Sieben Millionen davon sollen „zum Zeichen der deutschen Solidarität mit Afrika“ geflossen sein. Freshfields geht dem neuen SZ-Bericht zufolge nun Hinweisen nach, dass diese ominöse „Afrika-Hilfe“ ein Ausgleich dafür war, dass Südafrika die Abstimmung über die WM 2006 gegen Deutschland verloren hatte.

Darauf deuten auch Aussagen von Stefan Hans hin: Von dem Geld sollten in Afrika neue Bolzplätze gebaut werden, sagte er laut SZ-Bericht aus. Die hätten aber „wohl nicht sieben Millionen Euro gekostet“.

Ähnlich verhält es sich mit einer Schmiergeldliste, die den Recherchen zufolge jahrelang in der DFB-Zentrale im Vorzimmer von Niersbach abgeheftet war. Darauf waren Zahlungen aufgelistet, mit denen der 2001 in Konkurs gegangene FIFA-Vermarktungspartner ISL zwischen 1999 und 2001 zahlreiche Fußball-Funktionäre bestochen hatte. Für die WM-Affäre besonders interessant ist eine Zahlung vom 5. Juli 2000, einen Tag vor der Vergabe der WM. Damals erhielt ein unbekannter Empfänger von der ISL 250 000 Dollar.

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger hatte bereits im Oktober behauptet, dass sich hinter diesem Empfänger der FIFA-Funktionär Charles Dempsey verberge. Der 2008 verstorbene Neuseeländer hatte vor der entscheidenden Abstimmung auf einmal den Saal verlassen, seine Enthaltung sicherte Deutschland den WM-Zuschlag. In geschwärzter Form sind die ISL-Akten seit 2012 zugänglich. Der DFB besaß sogar eine ungeschwärzte Version. Offenbar ist dort aber niemand den möglichen Verbindungen zwischen der ISL und der WM-Vergabe nachgegangen.

Wer wird durch die neuen Recherchen besonders belastet?

Wolfgang Niersbach. Zwar ist nach wie vor nicht klar, wann genau der frühere DFB-Präsident von welchen dubiosen Zahlungen erfahren hat. Auch gegenüber den Freshfields-Ermittlern soll sich der 65-Jährige laut SZ-Bericht nur als „Medienfuzzi“ ausgegeben haben, den die anderen OK-Mitglieder wie Franz Beckenbauer oder Fedor Radmann „bei Finanzthemen nicht dabei haben wollten“. Trotzdem beschreiben die neuen Erkenntnisse noch einmal im Detail sein miserables Krisenmanagement, das ihn als DFB-Präsident untragbar machte.

Laut SZ und Freshfields-Protokollen soll Niersbach im Mai 2015 von Radmann darüber informiert worden sein, dass im Zusammenhang mit der WM-Vergabe „Unregelmäßigkeiten“ aufgetaucht seien. Als Reaktion darauf soll er unter anderem seinen engen Vertrauten Hans mit Nachforschungen beauftragt, gleichzeitig aber auch klargestellt haben, keine anderen Personen in die Sache einzubinden.

Auch nach weiteren Treffen mit Beckenbauer, Radmann, Hans oder DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock im Juni, Juli und August 2015 habe Niersbach immer noch darauf verzichtet, das Präsidium des DFB einzuweihen. Die WM-Affäre wurde am 16. Oktober durch einen „Spiegel“-Bericht öffentlich. Am 9. November trat Niersbach zurück.

Wie reagiert der DFB?

Gar nicht. Zumindest nicht öffentlich. „Der DFB bleibt bei seiner Haltung: Wir werden den Vorgang erst bewerten und kommentieren, wenn der komplette Freshfields-Bericht vorliegt“, sagte Mediendirektor Ralf Köttker am Donnerstag auf Nachfrage.

Wann wird der Untersuchungsbericht vorgestellt?

Am 4. März. Das gab der DFB am Donnerstag bekannt. Dann werden die Ermittler zunächst dem 45-köpfigen DFB-Vorstand berichten und danach eine Pressekonferenz geben. Noch am selben Tag sollen die Ergebnisse der Untersuchungen ins Internet gestellt werden. Laut SZ-Bericht hat die Kanzlei Freshfields die Anzahl ihrer Ermittler aufgestockt. Mehr als 30 Anwälte sollen mittlerweile in der WM-Affäre ermitteln.

In der Frage nach den dubiosen 6,7 Millionen Euro, die im Zentrum des Skandals stehen, bestätigen die Freshfields-Ermittlungen laut SZ, NDR und WDR weitgehend die Versionen von Niersbach, Beckenbauer und Radmann. Danach soll der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus das Geld an Mitglieder der FIFA-Finanzkommission gezahlt haben, um den Deutschen einen Organisationszuschuss von 170 Millionen Euro zu sichern. 2005 erhielt der Franzose die 6,7 Millionen dann getarnt als Beitrag zu einem Kulturprogramm vom WM-OK zurück. „Wenn das alles rauskommt, haben wir riesige Probleme“, soll Radmann im Juni 2013 zu dem damaligen DFB-Funktionär Hans gesagt haben.

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