Neuer Mitfavorit? Wie weit ist Bayer 04 Leverkusen?
Analyse | LEVERKUSEN · Das hochverdiente 3:2 über RB Leipzig geriet nur durch einen Zwischenfall auf den Rängen in Gefahr. Ist Leverkusen schon reifer als man das dachte?
Als die Gefahr gebannt war, galt es, eine andere Gefahr zu bannen. Mit den Armen rudernd animierte Xabi Alonso am vergangenen Samstag beim Bundesliga-Auftakt gegen RB Leipzig die Anhänger von Bayer 04 Leverkusen in der 86. Spielminute, die Unterstützung wieder hochzufahren. Rund 20 Minuten zuvor war die bis dahin so prächtige Stimmung merklich abgeflaut, nachdem ein Fan im Anschluss an den herrlichen Heber von Florian Wirtz zum 3:1 (64.) beim offenbar zu wilden Tor-Jubel von einer Mauer in den Innenraum gestürzt war. Die veränderte Atmosphäre nutzten die Gäste aus Sachsen zügig zum Anschlusstreffer durch Lois Openda (71.) und drei Minuten später hatte der Zugang vom RC Lens dann sogar den Ausgleich auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. Am Ende blieb es beim 3:2 für die „Werkself“.
„Auf dem Feld bekommt man recht schnell mit, dass etwas nicht stimmt. Ohne Fans ist es ein anderes Spiel, das hat an die Corona-Zeit erinnert. Die Situation war nicht schön, allerdings verständlich“, sagte Angreifer Jonas Hofmann. Ende gut - alles gut. Der Fan erlitt am Kopf „nur“ eine Platzwunde sowie eine leichte Gehirnerschütterung und die drei Punkte blieben völlig zu Recht in Leverkusen. „So eine Rückkehr und so einen Start wünscht man sich. Ich hätte es mir nicht besser vorstellen können“, meinte Mittelfeldspieler Granit Xhaka.
Xhaka zeigte sofort
seinen großen Wert
Am 30-Jährigen lag es ganz besonders, dass sich Trainer Xabi Alonso am Spielfeldrand um die Fans kümmern konnte. Der nach sieben Jahren von Arsenal London in die Bundesliga zurückgekehrte Schweizer hatte auf dem Rasen auch in der kritischen Phase alles im Griff. Immer wieder korrigierte Xhaka das Stellungsspiel seiner Kollegen, beklatschte gelungene Aktionen von ihnen und feuerte sie unermüdlich an. „Ich bin als erfahrener Spieler gekommen und verstehe es als meine Aufgabe, die Mannschaft mitzuziehen sowie zu zeigen, was für den Erfolg gemacht werden muss“, erklärte Xhaka.
„Granit hat für Kontrolle gesorgt. In schwierigen Momenten ist es wichtig, den Ball auch einfach mal nur halten zu können“, sagte Sportdirektor Simon Rolfes und Hofmann ergänzte: „Wir haben uns insgesamt nicht aus der Ruhe bringen lassen. Im Aufbau war es in dieser Phase zwar etwas schwieriger, doch durch unsere Führung konnten wir die Situation aus einer guten Kompaktheit heraus lösen.“
Eine Führung, die hochverdient war. Was die „Werkself“ bis zur unglücklichen Szene auf den Rängen gezeigt hatte, glich einem brillanten Feuerwerk. Mit Zweikampfstärke, durchdachter Organisation, Tempo und Spielfreude ließ sie dem Gegner besonders in der ersten Halbzeit kaum Luft zum Atmen. Einem starken Gegner wohlgemerkt, der immerhin ein 3:0 aus dem Supercup gegen Bayern München mit an die Dhünn gebracht hatte und der seine Klasse in der zweiten Hälfte dann auch demonstrierte. Vor der Pause aber war es nahezu ein Spiel auf ein Tor, was selbst den Gegner zu Komplimenten veranlasste. „Sie haben uns wahnsinnig gestresst. Nach jedem Zweikampf lagen wir auf dem Boden und die haben weitergespielt. Wir sind ja kaum mal aus unserer Hälfte herausgekommen. Wenn die das konstant so durchhalten können, dann muss man sie ganz oben auf dem Zettel haben“, meinte Leipzigs Angreifer Yussuf Poulsen sichtlich beeindruckt.
Trainer Alonso: „Wir
dürfen nicht dumm sein“
So weit in die Zukunft will Trainer Alonso allerdings nicht schauen. Schließlich weiß der Spanier, dass dieses 3:2 der erste Sieg nach zuvor fünf Bundesliga-Partien ohne einen „Dreier“ seit dem 23. April gewesen ist. Damals gab es ein 2:0 just gegen RB Leipzig, was im siebten Anlauf auch erst den ersten Heimsieg über die „roten Bullen“ bedeutete. „Für heute bin ich sehr zufrieden. Doch diese Leistung war lediglich ein Statement für das nächste Spiel, nicht für die gesamte Saison. Natürlich haben wir Ambitionen, aber wir dürfen nicht dumm sein. Wir müssen jeden Gegner respektieren“, sagte Alonso.
Der 41-jährige Baske will erst gar keinen Übermut aufkommen lassen, schließlich scheint der nächste Gegner Borussia Mönchengladbach mit seiner defensiven Anfälligkeit ein gefundenes Fressen für den Werkself-Wirbelsturm zu sein. Wie gut für Alonso, dass Jonas Hofmann in die gleiche Kerbe schlägt wie er und warnt: „Das Spiel heute war nur ein Schritt in die Richtung, in die wir wollen.“ Für den 31-Jährigen wird die Fahrt nach Mönchengladbach laut eigener Aussage zudem eine emotionale sein. Seit Januar 2016 hatte Hofmann das Trikot mit der Raute getragen, sein plötzlicher Abschied gen Leverkusen vor wenigen Wochen schlug durchaus Wellen. „Ich freue mich darauf, in den Borussia-Park zurückzukehren, habe aber schon gemischte Gefühle. Ich hoffe, dass die Fans mehr das positive der vergangenen siebeneinhalb Jahre sehen und nicht dem Moment meines Wechsels höhere Priorität einräumen - ich muss es aber nehmen, wie es kommt.“