Statt Ballack-Bye-Bye: Löw startet EM-Casting

Berlin (dpa) - Knallharter Kandidaten-Check statt Abschiedsgala: Joachim Löw macht den heißen Fußball-Klassiker gegen Brasilien gleich zur ersten EM-Tauglichkeitsprüfung.

Nach der von heftigen Vorwürfen garnierten Absage von Ex-Capitano Michael Ballack richtet der Bundestrainer den Fokus auf sein Personal der Zukunft. Die Kaderbenennung für die Partie gegen den Rekordweltmeister am 10. August in Stuttgart fühlt sich für Löw aber wie ein Kaltstart an. Noch vor dem Bundesliga-Auftakt am Wochenende verkündet der 51-Jährige am Donnerstag sein erstes Saisonaufgebot, das zumindest weitere Fingerzeige Richtung EM im Sommer 2012 geben wird.

Löw tappt wie seine Club-Kollegen in Fragen zu Form und Fitness seines Personals wie stets im August noch im Dunklen. Nur eines ist gewiss: von seinem Jugendstil wird der DFB-Chefcoach nicht abrücken - obwohl der Ausgang der personellen Frischzellenkur weiter ungewiss ist. „Die Auswahl ist größer geworden, aber es sind noch nicht alle diese Spieler auf höchstem europäischen Niveau“, hatte Löw schon vor der Sommerpause erklärt.

Statt Ballack (34) mit seinem 99. Länderspiel und einer eher peinlich wirkenden Umarmung in den ungewollten Ruhestand zu verabschieden, kann Löw in Sven Bender (22) oder Christian Träsch (23) zwei junge Sechser-Kandidaten gegen die Seleçao einem Belastungstest unterziehen. Das Ersatz-Duo für die gesetzten Bastian Schweinsteiger & Sami Khedira fehlte zuletzt bei den Juni-Spielen in Österreich (2:1) und Aserbaidschan (3:1) verletzt, kann sich aber berechtigte Hoffnungen auf eine Einladung machen. Gleiches gilt für Gladbachs Marco Reus (22), der bislang gleich dreimal sein DFB-Debüt wegen Blessuren absagen musste.

Zurückkehren werden Stammkräfte Schweinsteiger, Miroslav Klose und Jêrome Boateng, die beim jüngsten EM-Trip der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ebenfalls verletzt gefehlt hatten. Ob Per Mertesacker nach seinem starken Test-Comeback beim SV Werder am Dienstag schon wieder fit genug für das DFB-Team ist, muss Löw am Donnerstag entscheiden.

Der Bremer ist neben Lukas Podolski der einzige Nationalspieler, der beim letzten Vergleich mit Brasilien beim Confederations Cup 2005 (2:3) schon auf dem Platz gestanden hat. Schweinsteiger kam damals nicht zum Einsatz, Klose musste die Turnier-Teilnahme kurzfristig absagen. Der heutige Wolfsburger Arne Friedrich war 2005 auch Nationalspieler, fehlt aber diesmal wegen seiner Rückenprobleme. Für alle anderen DFB-Akteure steht die Brasilien-Premiere an - auch ein Zeichen des fortschreitenden Umbruchs unter Löw.

In der ersten Pokalrunde besuchte der Freiburger Löw nur sein „Heimspiel“ zwischen dem Siebtligisten FC Teningen und Schalke 04. Benedikt Höwedes - nach Philipp Lahms Club-Rückkehr auf die linke Seite ein Top-Kandidat für die wieder vakante rechte Verteidigerposition - und Lewis Holtby dürfte die Visite erfreut haben. S04-Clubkollege Julian Draxler (17) ist wohl selbst für Löws Frischlingstruppe noch zu jung.

Ein Neu-Dortmunder brachte sich derweil selbst in Position. Ilkay Gündogan (20) berichtete der „Sport Bild“ freimütig von einem Telefonat mit Löw. „Er sagte mir, dass ich in seinen Planungen zukünftig eine Rolle spielen werde und dass ich eine gute Entwicklung genommen habe. Ich werde eine Chance in der Nationalelf bekommen. Wenn es so weit ist, werde ich diese Chance nutzen“, sagte er. Ob es schon für einen Brasilien-Einsatz reicht, weiß er aber nicht. „Den Zeitpunkt für eine Nominierung hat er offengelassen“, sagte Gündogan.

Das monatelang brisante Ballack-Thema wurde von allen Seiten kurz vor der Nominierung geradezu krampfhaft ignoriert. Weder beim DFB noch aus dem Umfeld des Spielers gab es nach dem heftigen Sommertheater neue Reaktionen. Nur Philipp Lahm - erstmals offiziell in Kapitänswürden - bezog Stellung und betonte, dass er selbstverständlich dem Bundestrainer „glaube und vertraue“. Seinem Vorgänger Ballack ermunterte er via „Sport Bild“, doch noch ein Abschiedsspiel anzunehmen. „Das wäre ein schönes und würdiges Ende seiner Nationalelf-Karriere“, sagte Lahm.

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