Nationalmannschaft : Marc-André ter Stegen: Der nächste Welttorwart
Der gebürtige Gladbacher spielt am Freitag mit dem DFB-Team in Düsseldorf gegen Spanien und vielleicht auch im Sommer bei der WM in Russland — gereift und verlässlich.
Düsseldorf. Es war vor der EM 2004, als Jens Lehmann sich zum letzten deutschen Nationaltorwart mit einer kompromisslosen Kampfansage aufschwang. „Ich bin fest davon überzeugt, dass ich bei der EM spielen werde“, äußerte der seinerzeit 34-Jährige von Arsenal London und forderte damit Kapitän Oliver Kahn mutig bis größenwahnsinnig heraus. Lehmann hat daraus erst mittelfristig Nutzen gezogen: In Portugal biss er sich auf der Bank auf die Handschuhe, erst 2006 bei der Heim-WM schlug seine Stunde.
Seither schweigen deutsche Torhüter, Kampfansagen sind im Profigeschäft aus der Mode gekommen. Wahrscheinlich macht es auch keinen Sinn, an Welttorhüter Manuel Neuer herumzunörgeln, selbst wenn man hochgelobter Stammtorhüter beim Weltverein FC Barcelona ist und Neuer seit September 2017 kein Spiel mehr bestritten hat. „Ich gehe im Moment fest davon aus, dass Manuel rechtzeitig fit wird. Er liegt absolut im Fahrplan“, sagte Joachim Löw am Donnerstagmittag im Düsseldorfer „Hilton“ über den 31-Jährigen, dem die Deutschen vertrauen. Spiele für den FC Bayern in dieser Saison, schränkte Löw noch ein, sollte Neuer aber schon noch machen. Und dann machte der Bundestrainer Platz für Marc-André ter Stegen, Neuers sechs Jahre jüngeren Herausforderer, der sogleich einen Einblick gab, wie unfassbar man mit Auslandserfahrung auf Barca-Niveau reifen kann. Und warum es eine bärbeißige Ansage vielleicht gar nicht braucht. Ter Stegens Botschaft: Ich bin da, ich bin bereit, den Rest entscheidet der Trainer.
Fragen nach Neuer beantwortete er höflich: „Ich weiß nicht, wie es um ihn steht. Nichtsdestotrotz wünschen wir ihm alle die Gesundheit, die er benötigt, damit es dazu reicht, rechtzeitig fit zu werden“, sagte ter Stegen brav bis smart. „Ich habe absoluten Respekt, was er gezeigt hat für Deutschland. Das muss man neidlos anerkennen, dass er einen guten Job gemacht hat.“
Aber ter Stegen setzte auch Marken: „Alles entscheidet Manuel mit Leistung auf dem Platz. Die Pflicht hat jeder“, sagte er und sprach davon, dass ihm lange verletzte Torhüter nach langwierigen Verletzungen berichtet hätten, sie müssten andauernd den Ball angucken, um das alte Gefühl der Sicherheit zurückzuerlangen. Zwischen den Zeilen sprach der Mönchengladbacher also. Dabei ruhig und sonor, überhaupt nicht nervös. Und auch auf Spanisch, wenn spanische Journalisten fragten. Toni Kroos, der bei Real Madrid spielt und vor ter Stegen in die Bütt stieg, verzichtete darauf. Ter Stegen weiß, wie man Marken setzt.
Überhaupt ist das ein beeindruckender Torwart-Weg, der gar nicht wertschätzend genug betrachtet werden kann: Ter Stegen fing sich in der Nationalmannschaft bei Spielen mit B-Charakter vor Jahren vielfach aberwitzige Gegentore und war auch beim FC Barcelona zwei Jahre lang zweiter Mann hinter Claudio Bravo, als er 2014 aus Mönchengladbach gekommen war. Selbst sein ewiger Widersacher aus Junioren-Zeiten, Leverkusens Bernd Leno, schien an ter Stegen ohne eigenes Zutun vorbeizuziehen — die Beziehung der beiden Ehrgeizlinge prägte lange Abneigung. Und dann: Stammtorwart in Barcelona, wo er längst als „Messi mit Handschuhen“ gefeiert wird, dann auch zahlreich hervorragende Länderspiele.