Frauenfussball Lira Alushi: "Gerne noch mal ein Endspiel"

Die Fußball-Nationalspielerin Lira Alushi über ihre Mutterrolle, den neuen Alltag und ihre Comeback-Pläne.

Fatmire Alushi, vor ihrer Hochzeit Bajramaj, ist eines der bekanntesten Gesichter im deutschen Frauen-Fußball. Derzeit macht die Spielerin von Paris St. Germain eine Babypause.

Fatmire Alushi, vor ihrer Hochzeit Bajramaj, ist eines der bekanntesten Gesichter im deutschen Frauen-Fußball. Derzeit macht die Spielerin von Paris St. Germain eine Babypause.

Foto: Ronald Wittek

Hamburg. Für Fatmire „Lira“ Alushi (27) war 2015 ein besonderes Jahr: Die Frauen-WM in Kanada hat Sie versäumt, weil am 12. November ihr Sohn Arian das Licht der Welt erblickte. Ehemann Enis Alushi spielt beim Zweitligisten FC St. Pauli, das Paar wohnt gemeinsam in Hamburg. Bei der 79-fachen Nationalspielerin, 2011 Deutschlands Fußballerin des Jahres, haben sich die Prioritäten verschoben.

Wichtige Frage für jede Mutter in den ersten Wochen nach der Geburt: Wie sind die Nächte?
Fatmire Alushi:
Mehr als vier Stunden habe ich derzeit nicht. Und weil die Mama stillt, stehe ich nachts auf, da der Papa als Leistungssportler morgens ausgeschlafen sein sollte (lacht).

Gerade in der Anfangszeit empfinden viele Frauen, die früher ein sehr selbstständiges Leben geführt haben, die Fremdbestimmung nicht nur als Vorteil. Wie ist das bei Ihnen?
Alushi: Auf einmal habe ich ein Baby, das 24 Stunden am Tag meine Aufmerksamkeit benötigt. Das ist ein Full-Time-Job. Natürlich vermisse ich meinen Fußball, aber das schöne Gefühl überwiegt. Die negativen Gedanken prallen einfach ab.

Sie waren mit das bekannteste Gesicht im deutschen Frauenfußball: Würden Sie sagen, jetzt sind Sie glücklicher?
Alushi:
Ich war mit dem Fußball auch glücklich, aber ich habe immer eine Familie mit einem Baby gewünscht. Fußball spielen war definitiv viel leichter, als Mutter zu sein. Ich habe jetzt eine Riesenverantwortung, die ich aus Liebe heraus übernehme und das ist stärker als alles andere. Natürlich vermisse ich die Spiele, die Reisen und das Drumherum beim Fußball, aber der Kleine ist wertvoller.

Müssen Sie mitunter darüber schmunzeln, was Ihnen früher wichtig war?
Alushi:
Vor dem Hintergrund meiner Geschichte stand die eigene Familie ohnehin immer an erster Stelle. Wir haben damals auf der Flucht aus dem Kosovo eine Menge durchgemacht und hatten einen enormen Zusammenhalt. Wenn es darauf ankommt, würde ich mich immer für die Familie entscheiden.

Beim Weltmeister USA ist es gang und gäbe, dass Mütter auch wieder auf den Platz zurückkehren. Mit Christie Rampone ist eine zweifache Mutter mit 40 Jahren sogar noch in diesem Jahr Weltmeisterin geworden: Ist so etwas Vorbild für Sie?
Alushi:
Aus den USA und Norwegen kenne ich viele Spielerinnen, die als Mütter wieder zurückgekehrt sind. Davor habe ich einen Riesenrespekt. Nur wenn ein Mann voll dahinter steht, ist das unter einen Hut zu bekommen.

Sie stehen offiziell noch bei Paris St. Germain unter Vertrag. Stimmt es, dass Sie ihr Gehalt weiterbekommen?
Alushi:
Ich habe noch einen Vertrag bei Paris, und der Verein bezahlt mich weiter. Das ist eine Goodwill-Aktion. In den Vertragsgesprächen wird so ein Szenario nicht angesprochen und meines Wissens ist so etwas im Vertragswerk auch gar nicht verankert. Mit den PSG-Verantwortlichen stehe ich in Kontakt, sie können sich sogar vorstellen, dass ich im Frühjahr noch die Champions League mitspiele. Vielleicht mit Anja Mittag noch einmal zusammenzuspielen, das ist auch mein Ziel, das ich nicht aus den Augen verloren habe.

Ihr letztes Spiel war im Mai das verlorene Champions-League-Finale gegen den 1. FFC Frankfurt. Würden Sie solch eine Partie im Nachhinein noch einmal bestreiten in dem Wissen, dass Sie schwanger sind?
Alushi:
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe sehr spät erfahren, dass ich schwanger bin und dann stand schon dieses Finale vor der Tür, auf das ich so hingearbeitet hatte. Ich habe dann mehrere Ärzte konsultiert, die mir alle bescheinigt haben, dass mein Körper noch total auf Leistungssport programmiert ist: Sie haben gesagt, ich solle dieses eine Spiel noch machen und nur aufpassen, dass mir keiner mit gestreckten Bein in den Bauch tritt. Aber im Rückblick muss ich sagen, dass ich nicht ganz frei spielen konnte. Ich würde gerne noch ein solches Endspiel bestreiten — aber diesmal nicht mit einem Baby im Bauch (lacht).

Wie sieht es derzeit mit sportlicher Betätigung aus?
Alushi: Noch muss ich mich zurückhalten, in den ersten acht Wochen ist das ja noch untersagt. Ich mache mir da keinen Stress und werde noch einige Wochen warten, bevor ich leicht mit Joggen anfange.

Haben Sie auch vor, Ihre Nationalmannschaftskarriere fortzusetzen?
Alushi:
Das hängt von einigen Faktoren ab, denn ich werde mich auch nach Enis richten müssen. Und in Hamburg gibt es beispielsweise keine höherklassige Frauen-Mannschaft mehr. Sollte mein Mann wechseln und ein Frauen-Bundesligist in der Nähe sein, kann ich mir vorstellen, dort anzufangen. Und dann könnte ich auch die Karriere in der Nationalmannschaft fortsetzen. Vielleicht ja, vielleicht auch nicht.

Wie haben Sie die aus deutscher Sicht eher missglückte WM in Kanada verfolgt?
Alushi:
Ich habe mir alle Spiele unserer Mannschaft im Fernsehen angeschaut. Bisweilen war ich traurig. Und natürlich habe ich manchmal gedacht, vielleicht hätte ich der Mannschaft helfen können. Aber dann kam gleich wieder der Gedanke, dass ich doch einen superschönen Grund gehabt habe, warum ich nicht dabei war.

Ist die Familienplanung eigentlich abgeschlossen?
Alushi:
Sicher nicht. Enis möchte gerne vier Kinder haben. Ich sage erst einmal nur: Arian soll kein Einzelkind bleiben. Wenn ich mir übrigens gerade seine Oberschenkel und Waden anschaue, dann wächst hier gerade ein Fußballer heran...(lacht)

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