KFC Uerdingen KFC-Trainer Krämer: „Die Grundidee ist immer Angriff“

Krefeld. KFC-Trainer Stefan Krämer spricht über seine Vorstellungen vom Fußball und seine Erwartungen an die 3. Liga.

KFC Uerdingen: KFC-Trainer Krämer: „Die Grundidee ist immer Angriff“
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Herr Krämer, schauen Sie trotz der intensiven Vorbereitung die WM-Spiele?

KFC Uerdingen: KFC-Trainer Krämer: „Die Grundidee ist immer Angriff“
Foto: Christopher Köster

Stefan Krämer: Die WM muss jeder gucken, das ist ein Muss. Als Trainer muss ich wissen, was auf höchstem Niveau passiert. Ich schaue auch jedes Champions-League-Spiel, nicht nur die der deutschen Teams. Auch das ist für mich Pflicht. Zwar nicht immer die gesamten 90 Minuten, aber die für mich relevanten Szenen. Und dann gleiche ich ab, ob das mit meiner Grundidee von Fußball zusammenpasst.

Und was ist Ihre Grundidee von Fußball?

Krämer: Ich will immer aktiv Fußball spielen. Agieren, nicht auf das reagieren, was der Gegner vorgibt. Wir bestimmen, was auf dem Platz passiert. Wir schauen, wo wir den Gegner haben wollen, und spielen den Ball dorthin.

Was ist entscheidend, damit man ein Fußballspiel gewinnt?

Krämer: Meiner Meinung nach ist es nicht die Laufleistung, sondern die Anzahl der Sprints, die ein Team in den 90 Minuten macht. Deshalb interessieren mich in der Vorbereitung auch nicht die Laktatwerte. Einzig der Erholungswert ist mir wichtig. Daran kann ich sehen, wann ein Spieler nach einer kurzen, hohen Belastung wieder bereit für die nächste Belastung ist.

Und wie lassen Sie ihre Mannschaften spielen?

Krämer: Wir versuchen, den Gegner hoch anzulaufen. Am liebsten nicht erst ab der Mittellinie, sondern knapp 30 Meter vor dem gegnerischen Tor. Wenn es klappt und wir den Ball erobern, ist der Weg zum Tor nicht mehr weit. Das ist vielleicht die beste Chance überhaupt. Und diese Art des Anlaufens hat uns vergangene Saison die Regionalliga-Meisterschaft gebracht.

Warum spielt dann nicht jede Mannschaft so?

Krämer: Weil es nicht so einfach ist. Die Mannschaft muss überzeugt sein, dass diese Spielweise mehr Chance ist als Risiko. Es braucht Mut und kalkuliertes Risiko. Das sind die Pfeiler, nur dann klappt es. Ich sage auch immer: Anlaufen macht mehr Spaß als hinterherlaufen. Die Grundidee ist also immer der Angriff, auch, wenn wir nicht den Ball haben. Bei Ballverlust gehen wir etwa fünf, sechs Sekunden ins aggressive Gegenpressing. Und wenn du in dieser Zeit nicht den Ball bekommst, tut das echt weh. Du brauchst also vorher immer eine gute Restverteidigung, und dann gehen wir in unsere defensive Grundordnung zurück.

Was ist der Grund für diese Idee vom Fußball?

Krämer: Weil ich davon überzeugt bin, dass die Mannschaft, die das Umschaltspiel kontrolliert, auch das Spiel kontrolliert. Aber ich halte nicht dogmatisch daran fest. Ich muss immer schauen, ob diese Idee auch zur Mannschaft, zu den Spielern passt. Also: Sich selbst als Trainer nicht so wichtig nehmen und schauen, was du zur Verfügung hast.

Und, haben Sie diese Voraussetzungen in Uerdingen?

Krämer: Ich kann mich sicher nicht beklagen. Und wenn es so weitergeht wie in den vergangenen drei, vier Monaten, dann werden wir hier noch eine Menge Spaß haben.

Haben Sie ein Vorbild für diese Spielweise? Einen Trainer, eine Mannschaft?

Krämer: Definitiv. Allerdings einen Trainer, der leider schon lange tot ist: Walerij Lobanowskyj. Als in Deutschland noch lange mit Libero gespielt wurde, hatte er in den 1980er Jahren den Mut, etwas anderes zu machen. Er spielte mit Viererkette und nach dem Prinzip der Raumverknappung. Ich erinnere mich an meine Zeit als Student in Köln. Da haben wir nächtelang die Spiele von Dynamo Kiew unter Lobanowskyj auf VHS-Kassette geschaut und nachgezählt, ob Kiew wirklich nur mit elf Spielern spielt. Das war mit die schönste Zeit meines Lebens. Lobanowskyj war ein Pionier, der Vater des modernen Fußballs.

Und sehen Sie bei sich Parallelen zu Walerij Lobanowskyj?

Krämer: Nicht wirklich. Lobanowskyj hat während der Spiele immer nur stur auf seinem Stuhl gesessen. Das kann ich gar nicht, ich muss mit der Mannschaft leben. Deshalb passe ich vielleicht auch nicht zu jedem Verein.

Passen Sie zum KFC Uerdingen?

Krämer: Ich denke schon. Mir macht es jedenfalls riesigen Spaß, mit dieser Mannschaft zu arbeiten und Erfolg zu haben. Und das ist schließlich das Wichtigste.

Zurück zu Ihrer Spielweise. Sie sprechen immer von aggressivem Anlaufen. Was ist, wenn sie gegen einen schwächeren Gegner viel Ballbesitz haben?

Krämer: Das ist doch super! Auch dann musst du schnell spielen, auf engem Raum Lösungen finden. Das Wichtigste ist hier die Gedankenschnelligkeit. Du musst kreativ sein und zwischen engen Linien die Löcher finden, den Mut haben, auf die Verteidigung draufzudribbeln, mal einen riskanten Ball zu spielen. Das ist manchmal ein Geduldsspiel. Da musst du Nerven, Ruhe und immer die Überzeugung haben.

Und wenn das nicht klappt?

Krämer: Dann spielst du vielleicht mal einen geplanten Fehlpass, um wieder ins Gegenpressing zu kommen und den Gegner ungeordnet zu erwischen. Oder wir spielen einen flachen, scharfen Ball ins Zentrum, volle Kanne auf den Elfmeterpunkt. Und gehen dann auf den zweiten Ball. Die große Kunst ist eben, dabei nicht ausrechenbar zu bleiben.

Und wie gelingt Ihnen das?

Krämer: Indem ich die Spieler davon überzeuge, dass das die beste Art ist, Fußball zu spielen. Die Jungs müssen das von sich aus wollen. Deshalb ist das reine Training auch nicht meine Hauptaufgabe, das sollte jeder Fußballlehrer können. Du musst vielmehr aus 25 Ich-AGs eine Einheit formen. Um es konkret zu machen: Jeder Fußballer, jeder Trainer war und ist Fußballfan. Da du in deiner Karriere meist mehrere Stationen hast, bist du wahrscheinlich nicht bei deinem Lieblingsverein angestellt. Du musst dir aber jeden Sommer sagen: Für ein Jahr ist das mein Verein, für den tue ich alles. Du musst dafür leben, als ob der Verein dir gehören würde. Das ist ein spannendes Modell.

Und das klappt mit ihren Spielern in Uerdingen?

Krämer: Der Charakter spielt eine große Rolle. Die paar Namen, die hinten auf dem Trikot stehen, gewinnen keine Spiele. Denn neben dem Talent braucht es die richtige Einstellung. Und klar habe ich hier gute Möglichkeiten im Klub, da brauche ich nicht drum herumreden. Wir haben mit Maxi Beister, Stefan Aigner und nun Kevin Großkreutz Spieler verpflichtet, die große Klasse haben, sie aber in den vergangenen zwei, drei Jahren nicht immer abgerufen haben. Wäre das anders, hätten wir als Drittliga-Aufsteiger diese Jungs ja auch nicht bekommen. Und jetzt müssen wir schauen, ob wir hier wieder die große Klasse aus ihnen herauskitzeln können. Bei Maxi hat es schon mal sehr gut geklappt.

Was kommt auf Sie in der kommenden Saison zu?

Krämer: Die 3. Liga ist ein Stahlbad. Wir werden sicherlich als Mitfavorit gesehen. Und mit unserem Weg werden wir auswärts sicherlich nicht mit offenen Armen empfangen. Da wird jedes Spiel eine Nagelprobe. Vielleicht erleben wir 19 Mal Mannheim (Spielabbruch im Relegations-Rückspiel, Anm. d. Red.), nur etwas abgeschwächt. Diesem Druck müssen wir standhalten. Also ich freue mich wie ein kleines Kind auf die Saison.

Wen sehen Sie als Favoriten?

Krämer: Vor allem die großen Namen. Die Zweitliga-Absteiger Kaiserslautern und Braunschweig, Karlsruhe hat vergangene Saison schon sehr gut gespielt. Auch Rostock hat einen Investor, Wehen-Wiesbaden seit Jahren eines der teuersten Teams der Liga.

Was wird an Ihrem Kader noch passieren?

Krämer: 27 Spieler sind nicht wenige. Bei 24 Feldspielern und drei Torhütern sollte die Gruppe nicht größer werden. Aber ich möchte auch ungern jemanden verlieren. Ich kann zwar nichts ausschließen, aber ich persönlich plane keine Veränderungen mehr.

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