Zeuge im Wettskandal: Cichon wollte 100 000 Euro

Bochum (dpa) - Jetzt wird schonungslos ausgepackt: Mit neuen Enthüllungen ist am Bochumer Landgericht der Prozess um den größten Wettskandal des europäischen Fußballs fortgesetzt worden. Dabei wurde neben den Angeklagten auch Fußball-Profi Thomas Cichon schwer belastet.

„Cichon wollte 100 000 Euro“, sagte der noch nicht angeklagte Marijo C. im Zeugenstand. Cichon, ehemaliger Spieler des VfL Osnabrück, habe sogar signalisiert, dass er bereit wäre, als äußerstes Mittel schon in der ersten halben Stunde einen Elfmeter oder einen Platzverweis zu provozieren. Er hat bislang alle Anschuldigungen zurückgewiesen.

„Man musste mit ihm nicht um den heißen Brei herumreden, er wusste genau, worum es geht“, sagte C. den Richtern. Spieler, Schiedsrichter, Funktionäre: Alle hingen angeblich mit drin. Die Kontakte zu einem angeblich korrupten Schiedsrichter-Obmann der UEFA will C. über einen Bekannten in Prag geknüpft haben. Außerdem habe er die Absprachen mit dem bosnischen Schiedsrichter der U 21-WM- Qualifikation zwischen der Schweiz und Georgien geführt.

Derselbe Schiedsrichter habe vor der WM in Südafrika auch das Qualifikationsspiel in der deutschen Gruppe zwischen Liechtenstein und Finnland gepfiffen, in das ebenfalls mit Geld eingegriffen worden sei. Dazu sagte Marijo C.: „Das habe ich mit Ante Sapina gemacht.“

Es habe in vielen Vereinen Spieler gegeben, die ein Interesse an Manipulationen gehabt hätten. „Die wollten Geld verdienen“, sagte C. dem Gericht. Teilweise sei von den Profis auch aktiv in den Spielverlauf eingegriffen worden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Beim DFB-Pokalspiel zwischen dem VfB Speldorf und Rot-Weiß Oberhausen (0:3) im August 2009 seien beispielsweise 25 000 Euro an drei Speldorfer Spieler gezahlt worden. „Die sollten mit mindestens drei Toren verlieren“, sagte Marijo C als Zeuge.

Die Partie zwischen den slowenischen Vereinen Labod Drava Ptug und NK Nafta Lendava (4:1) sei seines Wissens nach sogar zwischen den Präsidenten der beiden Clubs abgesprochen worden. „Für diese Information habe ich 5000 Euro bezahlt“, sagte Marijo C. im Prozess. Ein anderes Mal habe der Torwart des belgischen Zweitligisten Union Royal Namur 5000 Euro erhalten, damit er nicht spielt. „Er wollte nicht manipulieren“, erklärte der 35-Jährige. Insgesamt habe ihn die Spielerbestechung vor der Begegnung mit Antwerpen im April des vergangenen Jahres 21 500 Euro gekostet. Wettgewinn: rund 80 000 Euro.

Das durchschnittliche Bestechungsgeld soll sich auf Beträge zwischen 5000 und 8000 Euro belaufen haben. Nur einmal hätte die Summe deutlich höher gelegen. Bei der Begegnung zwischen Gossau und Valduz in der zweiten Schweizer Liga hätten die Spieler zunächst nicht manipulieren wollen. „Die haben mir mehr Geld aus der Tasche geleiert.“ Die Besonderheit: Bei dieser Partie sollen Spieler beider Mannschaften bestochen worden sein. Einer der Spieler soll sogar genaue Anweisungen erhalten haben, wie er sich auf dem Fußballplatz zu bewegen habe. Das Schmiergeld habe sich am Ende auf 30 000 Euro belaufen. Angeblicher Reingewinn: 100 000 Euro.

Staatsanwalt Andreas Bachmann bezeichnete Marijo C. am Rande des Prozesses als „Kernperson“ der Wettmafia. Neben Ante Sapina, der schon in den Schiedsrichter-Skandal um Robert Hoyzer verwickelt gewesen ist, spiele C. eindeutig in der „Champions League“ der Wettbetrüger.

Vor der Aussage von Marijo C. hatte es im Prozess ein weiteres Geständnis gegeben. Nach Nürettin G. und Tuna A. hat nun auch der Angeklagte Stevan R. gestanden, sich an Spielmanipulationen beteiligt zu haben. Betroffen seien dabei vor allem die Mannschaften von Bayern Alzenau und die U 19 von Bielefeld.

Der Prozess wird am 20. Dezember fortgesetzt. Insgesamt geht es um über 30 angeblich manipulierte Spiele mit einem Wettgewinn von rund 1,6 Millionen Euro.

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