Ukrainische Liga: Fußball im Kriegszustand

Kiew (dpa) - Zwei Jahre nach der Fußball-Europameisterschaft erlebt das Co-Gastgeberland Ukraine einen beispiellosen Niedergang seines Volkssports. Schuld sind die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe vor allem im Osten des Landes.

Ukrainische Liga: Fußball im Kriegszustand
Foto: dpa

Die Gefechte bringen auch die Profiliga von Europas zweitgrößtem Flächenland durcheinander.

Die Liga hat sich um zwei Mannschaften verkleinert. Von diesem Freitag an kämpfen nur noch 14 Teams um den Titel. Zwar spielten die beiden Mannschaften der Schwarzmeerhalbinsel Krim - Tawrija Simferopol und Sewastopol - nach der russischen Annexion der Region die vergangene Saison zu Ende. Künftig treten die beiden Teams aber nicht mehr in der ukrainischen Liga an.

Von den verbleibenden Mannschaften werden zumindest vier nicht in ihren Heimstadien spielen können, weil ihre Heimatstädte von prorussischen Separatisten kontrolliert werden: Sarja Lugansk sowie die drei Donezker Vereine Olimpik, Metallurg und Schachtjor kommen aus den umkämpften Konfliktgebieten im Osten.

Vor allem in der ostukrainischen Stadt Donezk ist die Lage prekär. Die Stadt ist seit langem umkämpft, rund 60 Kilometer entfernt stürzte zudem vor kurzem die Passagiermaschine MH17 ab. Aufsteiger Olimpik Donezk spielt aufgrund der schwierigen Sicherheitslage vorerst neben dem Olympiastadion in Kiew im Viktor-Wannikow-Trainingskomplex. Trainiert wird in einem Vorort der Hauptstadt. Erster Gegner ist Dnjepr Dnjepropetrowsk.

Der Donezker Ortsrivale Metallurg trägt zumindest das Eröffnungsspiel in der zur Europameisterschaft neu gebauten Arena im mehr als 1000 Kilometer entfernten Lwiw aus, wo auch der amtierende Meister Schachtjor spielen will. Die Schachtjor-Mannschaft wird aber in Kiew trainieren. Am ersten Spieltag geht es für Olimpik auswärts in Odessa gegen Tschernomorez, und Schachtjor misst sich mit Metallurg Saporoschje in Lwiw. Sarja Lugansk wird seine Heimspiele vorerst in Saporoschje im Südosten des Landes austragen.

Der Verein Illitschiwez Mariupol wird seine ersten beiden Spiele gegen Wolyn Luzk und Tschernomorez Odessa zu Hause austragen. Die Hafenstadt Mariupol im Süden des Donezker Gebietes war erst Mitte Juni von den Separatisten zurückerobert worden.

Neben vielen Ligaspielen ist auch das Qualifikationsspiel der ChampionsLeague zwischen Dnjepr Dnjepropetrowsk und dem FC Kopenhagen nun von der Ostukraine nach Kiew verlegt worden.

Probleme haben die Mannschaften nicht nur mit den Austragungsorten, sondern auch mit den Spielerkadern. Mehrere südamerikanische Fußballer wollen nicht mehr zu ihren Vereinen zurückkehren. Allein bei Schachtjor verweigerten sechs Profis die Rückkehr zu ihrem Verein und blieben im Ausland. Der Brasilianer Douglas Costa sprach gar von einem „tödlichen Risiko“. Clubbesitzer Rinat Achmetow drohte mit Vertragsstrafen in Millionenhöhe. Allerdings reißen die Gerüchte über den Verkauf des Vereins durch den reichsten Ukrainer nicht ab.

Gerüchte über den völligen Ausverkauf gab es auch bei Metallist. Der Clubbesitzer Sergej Kurtschenko wird mit dem nach Russland geflüchteten Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch in Verbindung gebracht. Der überraschende Verkauf des Vereins an den 27-jährigen Kurtschenko Ende 2012 ist vielen Fans noch im Gedächtnis.

Für die Lwiw Arena sind die neuen „Heimmannschaften“ allerdings ein Glücksfall. Der Verein Karpaty Lwiw hatte sich aufgrund der hohen Unterhaltungskosten für die Sportstätte in das alte Innenstadtstadion zurückgezogen. Die zur Europameisterschaft 2012 errichtete Lwiw Arena wurde daher vor allem für Ausstellungen und Popkonzerte genutzt und musste aus dem Staatshaushalt bezuschusst werden. Dank der neuen „Heimmannschaften“ fließt nun viel Geld in die Kasse.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort