Rio vor den Großevents: Zwangsräumungen in der Kritik

Rio de Janeiro (dpa) - Vor der Fußball-WM und den Olympischen Spielen ist in der Stadt am Zuckerhut der Streit um Zwangsräumungen neu entbrannt.

Rio vor den Großevents: Zwangsräumungen in der Kritik
Foto: dpa

Kritiker bemängeln die Art der Durchführung sowie die Motivation: „Man will den Touristen ein Rio de Janeiro zeigen, das nicht existiert - ein Rio de Janeiro ohne Armut“, sagte Renato Cosentino vom WM-kritischen Bündnis „Comitê Popular Rio Copa e Olimpíadas“ der dpa. Nach Zahlen der Stadtverwaltung mussten zwischen 2009 und 2013 insgesamt 20 299 Familien ihr Zuhause räumen. Die Häuser standen in „informellen Gebieten“ in den Favelas der Stadt.

Die Räumungen würden vor allem rund um die touristisch interessanten Gebiete und die Austragungsorte von WM und Olympia erfolgen, betonte Cosentino. Profiteure seien Immobilienunternehmen: „Wenn eine Favela abgerissen wird, wird die Gegend enorm aufgewertet.“

Die Stadtverwaltung hält dagegen, die Räumungen dienten dem Wohl der Bevölkerung. „Alle Familien, die städtische Wohnungen bekamen, leben jetzt in einer deutlich besseren Situation“, wies der städtische Beauftragte für Wohnungsbau, Pierre Batista, die Kritik zurück. Nach seinen Angaben zogen 9320 der enteigneten Familien in Sozialwohnungen um. Ein Viertel von ihnen habe vorübergehend Miethilfe erhalten und in 30 Prozent der Fälle habe die Stadtverwaltung Entschädigungen gezahlt.

Baustellen der Stadt seien in weniger als zehn Prozent der Fälle der Hintergrund der Räumungen. Die meisten Umsiedlungen seien notwendig geworden, da sich die Häuser in Risikogebieten wie Flussufern oder Berghängen befanden. „Die Umsiedlungen sind notwendig, um den Menschen würdigen Wohnraum zu schaffen“, sagte Batista.

Das „Comitê Popular“ hält allerdings das Risiko-Argument oftmals für vorgeschoben. Die Wiederansiedlungen würden meist in unsichere Gebiete im Osten Rios erfolgen, weit entfernt von Stadtzentrum, Arbeitsplätzen und grundlegender Infrastruktur. Anwohner kritisieren den Umsiedlungsprozess als wenig transparent. Zudem würden geringe Entschädigungszahlungen geleistet.

Auch die Heinrich-Böll-Stiftung in Brasilien unterstützt die Kritik des Bündnisses: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Räumungen, wenn sie notwendig sind. Aber im Prozess werden offenbar grundlegende Normen nicht befolgt“, bemängelte die Menschenrechtsbeauftragte Marilene de Paula. Das wird in der Stadtverwaltung bestritten. Batista: „Es gibt keine Perfektion. Wir versuchen immer, die Abläufe zu verbessern. Aber es gab keinen schwerwiegenden Fehler.“

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