Das 1:7 bei der WM schmerzt Brasilien noch immer

Rio de Janeiro (dpa) - Seit der Fußball-WM 2014 hat Brasiliens Nationalmannschaft zehn Testspiele absolviert und alle zehn gewonnen. Die Bilanz des neuen Nationaltrainers Carlos Dunga ist makellos.

Das 1:7 bei der WM schmerzt Brasilien noch immer
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Der WM-Trainer von 2010 und Ex-Stuttgarter übernahm voriges Jahr eine schwierige Mission mit einem einzigen Ziel: Den nach dem 1:7-Debakel im WM-Halbfinale gegen Deutschland ramponierten Ruf der Seleção wieder herzustellen. Ein Sieg beim Südamerika-Turnier Copa América in Chile oder auch das langersehnte Olympia-Gold 2016 in Rio wären Meilensteine auf dem Weg dorthin.

Um den Zustand der Seleção zu verstehen, muss man sich die WM 2014 aus brasilianischer Sicht in Erinnerung rufen. Das Turnier wurde am 12. Juni 2014 in São Paulo eröffnet. Jennifer Lopez sang vor 62 000 Zuschauern den WM-Song „We are one“. Der inzwischen vor seinem Karriereende stehende FIFA-Chef Joseph Blatter saß zufrieden im Publikum. Auch Staatschefin Dilma Rousseff. Reden gab es keine, dafür Friedenstauben und die Nationalhymne a cappella von den Fans gesungen. Es folgte der 3:1-Sieg der Seleção gegen Kroatien. An dem Tag war für Brasilien die Fußballwelt noch in Ordnung.

Das änderte sich am 8. Juli: „Wir haben an jenem Tag eine Tragödie erlebt“, erinnert sich Brasiliens Fußball-Boss Marco Polo del Nero. Und Fußball-Legende Pelé assistiert: „Nur Gott kann erklären, was da passierte.“ Was passierte, war das 1:7. „Noch in 100 Jahren, solange ein paar Augenzeugen der neunzig Minuten von Belo Horizonte leben oder andere, denen sie davon erzählt haben - noch im 22. Jahrhundert werden diese beiden Zahlen ausreichen, um zu wissen, worum es geht“, schreibt Christian Eichler in seinem Buch „7:1 - Das Jahrhundertspiel“. Die Partie habe einen Mythos geschaffen und einen zerstört. Da ist viel dran.

„Deutschland hat uns eine Lektion erteilt. Nicht nur auf dem Rasen, sondern auch außerhalb des Spielfeldes“ - das bekommt jeder Deutsche, der sich in Brasilien als Deutscher zu erkennen gibt, zu hören. „Schweini, Poldi, Müller und Co.“ sind in bester Erinnerung, auch weil sie in ihrem Camp in Bahia den Kontakt zur Bevölkerung suchten. Das imponierte den Brasilianern. Dagegen erzeugte die 1:7-Niederlage ein tiefes Trauma. Viele gaben Trainer Luiz Felipe Scolari die Schuld, der demnächst wohl in China trainieren wird. Doch die Antwort auf Brasiliens „Blackout“ von Belo Horizonte ist vielschichtig.

Nationalcoach Dunga will eigentlich gar nicht mehr an die WM 2014 denken. Er blickt nach vorne, nimmt mit der Seleção Rio und die Olympischen Spiele 2016 ins Visier. „Das, was bei der Copa (WM) passierte, war einmalig. Wir wollen gewinnen, und die Seleção ist eine Referenz. Der brasilianische Fußball wird weiter bewundert und das Nationaltrikot wird weiter respektiert“, sagt der 51-Jährige, der für Brasilien 1994 in den USA Titel Nummer 4 holte.

Bewunderung und Respekt könnten erheblich steigen, wenn sich das Team um Superstar Neymar im Zwölf-Länder-Turnier Copa América gut schlägt. Es ist das erste offizielle Turnier seit der WM 2014. Die Gegner sind keine Leichtgewichte: Kolumbien, Uruguay und Vize-Weltmeister Argentinien gelten in dem bis 4. Juli dauernden Wettbewerb als Titelanwärter. „Aber selbst, wenn wir die Copa América gewännen, würde das die Weltmeisterschaft, die wir gemacht haben, nicht auslöschen“, analysiert der Teamkapitän von 2014, Thiago Silva, nüchtern. Dazu wird sich wohl erst 2018 eine Chance bieten - bei der WM in Russland.

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