Alle Augen vor WM-Auslosung auf Brasilien

Costa do Sauípe (dpa) - Die kleinen Pannen auf der 20-stündigen Reise ins heiße Brasilien lächelte Joachim Löw einfach weg. Zwar klappte am Flughafen von Salvador die verabredete Abholung mit Autos nicht, doch pfiffige Volunteers fanden schnell eine Ersatzlösung.

Der entspannt wirkende Bundestrainer und seine Crew legten bei knalliger Sonne und Temperaturen von mehr als 30 Grad die letzten 75 Kilometer der Anreise per Bus zurück. „Man spürt schon mit der Ankunft die besondere Stimmung einer Weltmeisterschaft“, schwärmte Teammanager Oliver Bierhoff: „Hier freut sich jeder auf die Auslosung.“

Allerdings musste Brasiliens Sportminister in Costa do Sauípe, wo am Freitag die Vorrunden-Gegner der deutschen Fußball-Nationalelf ermittelt werden, nochmals lästige Fragen nach den Stadion-Problemen beantworten. Zwei Tage vor dem Auslosungs-Spektakel an der brasilianischen Atlantikküste räumte auch Aldo Rebelo ein, dass die drei WM-Arenen in São Paulo, Cuiabá und Curitiba nicht fristgerecht an den Fußball-Weltverband übergeben werden können. Mit Leidenschaft und Pathos wehrten sich die FIFA und ihr Chef Joseph Blatter auch gegen Kritik am Ort und Modus der Auslosung.

Löw dagegen genießt vor der WM einen riesigen Vertrauensvorschuss.
Die Mehrzahl der Deutschen glaubt an eine erfolgreiche Titelmission trotz der extremen Bedingungen. 55 Prozent der Befragten trauen Löw und seinem Team im Sommer 2014 den großen Coup zu, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa ergab. „Über einer Weltmeisterschaft steht für die Spieler nichts mehr. Das spürt man immer im Vorfeld“, sagte der 53 Jahre alte Freiburger.

Schon im Ersatz-Bus von Salvador trafen Löw und Bierhoff die ersten möglichen Kontrahenten für das schwere Turnier in Südamerika. Die Delegation aus Australien war ebenso an Bord wie die Abordnung aus den USA - allerdings ohne Löw-Vorgänger Jürgen Klinsmann. Der US-Chefcoach reist extra nach Costa do Sauípe an.

Gastgeber Brasilien und die FIFA bemühten sich indes, auch die Diskussionen um den Ort der Auslosung zu ersticken. Mit dem typischen Brasilien hat der Nobel-Urlaubsort an der Atlantikküste nichts zu tun. „Die Auslosung ist doch ein Bestandteil der großen Show WM“, verteidigte Blatter das pompöse Spektakel am Meer. „Das ist ein Fest des Fußballs. Da sollten wir jetzt keine Fragen stellen und die Größe des Ereignisses schmälern“, wetterte Brasiliens Verbandspräsident und OK-Chef José Maria Marin vor der Loszeremonie am Freitag.

Aus den Niederlanden kam Kritik am Auslosungsverfahren. „Wir sind davon ausgegangen, dass das am schlechtesten platzierte europäische Team, also Frankreich, in den zweiten Topf kommt. Doch die FIFA weicht davon ab. Wir wollen gerne wissen, warum sie das getan hat“, sagte der Direktor des nationalen Verbandes, Bert van Oostveen, im Fernsehsender NOS. Der vielgescholtene Weltverband musste sich auch noch gegen absurde Rassismus-Vorwürfe wehren, weil die Moderatoren der Auslosung, Fernanda Lima und Rodrigo Hilbert, hellhäutig sind. „Das ist lächerlich“, sagte Mediendirektor Walter de Gregorio.

Zwischen den luxuriösen Hotelanlagen von Costa do Sauípe haben FIFA und lokales Organisationskomitee für rund acht Millionen Euro eine künstliche Auslosungs-Landschaft geschaffen. Ein 9000 Quadratmeter großes weißes Zelt bietet Platz für 1300 geladene Gäste und Medienvertreter aus der ganzen Welt. Sonnenschein und gute Laune werden erwartet, wenn Lothar Matthäus, Zinédine Zidane & Co. in die vier Töpfe greifen und die Vorrundengruppen zusammenstellen.

Und genau das erhoffen sich die FIFA und ihr Vorsitzender Blatter bei der TV-Übertragung in 193 Länder: Bilder von Autogramme schreibenden Altstars auf dem roten Teppich und freundlich-lächelnden Volunteers, von Kokospalmen am Sandstrand und erwartungsfrohen Nationaltrainern. Probleme sollen ausgeblendet werden.

Die Fristverlängerung für die drei WM-Arenen in São Paulo, Cuiabá und Curitiba tat Sportminister Rebelo am Mittwoch mit einem Scherz ab. „Es ist wie bei einer Hochzeit. Ich habe noch nie eine Braut gesehen, die pünktlich da war, und trotzdem ist die Hochzeit nie geplatzt“, sagte er. Alle Stadien würden rechtzeitig fertig für das Zuckerhut-Spektakel. „Wir machen uns keine Sorgen“, sagte Rebelo.

Tags zuvor reagierten Blatter und Marin zum einen leidenschaftlich, zum anderen kurzsilbig-genervt auf kritische Fragen. „Die Begeisterung steigt, die Erwartungshaltung nimmt zu, in Brasilien und in der Welt. Fußball bedeutet Brasilien, Brasilien bedeutet Fußball“, sagte Blatter: „Es wird eigentlich von allen Fußballfans akzeptiert, dass die Auslosung etwas Spektakuläres sein wird.“

Vor allem die WM werde sehr speziell, betonte Löw nochmals. Dennoch trauen nur 29 Prozent der Deutschen Mesut Özil und Co. nicht den Titel in Brasilien zu. Nur acht Prozent befürchten, dass die DFB-Elf schon nach der Vorrunde ausscheiden könnte. Und lediglich 21 Prozent der Befragten meinen, dass Löw bei einem überraschenden Aus schon vor dem Viertelfinale zurücktreten sollte. „Man spürt es, je näher ein Turnier rückt. Die ganze Nation steht hinter einer Mannschaft“, sagte Löw.

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