Interview Armin Veh: „Ich war nie immer nur Trainer“

Köln · Ein Gespräch im Kölner Geißbockheim über den Profifußball, den Wechsel vom Trainersessel an den Manager-Schreibtisch, über Herzensangelegenheiten und einen besonderen Club wie den 1. FC Köln.

Interview mit Armin Veh: „Ich war nie immer nur Trainer“
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Armin Veh ist wohl das, was man im deutschen Profifußball ein bekanntes Gesicht nennt. Meistertrainer des VfB Stuttgart 2007, auch davor schon mit Reutlingen und Fürth ins Profigeschäft aufgestiegen, die Frankfurter Eintracht aus der 2. Liga in die Europa League geführt, erfolgreich, ein Macher. Jetzt ist er Geschäftsführer Sport beim Zweitligisten 1. FC Köln, eine Aufgabe wie die in Frankfurt, aber eben nicht mehr Trainer. „Du kannst nur mit Leidenschaft Trainer sein, die Leidenschaft ist mir verloren gegangen. Das Kapitel ist abgeschlossen.“

Armin Veh nicht mehr Trainer. Geht das überhaupt?

Armin Veh: Das geht. Das ist genau der Punkt. Ich sage, du musst die Leidenschaft für den Job besitzen, du kannst nur mit Leidenschaft Trainer sein. Auch als Trainer habe ich schon immer Manager-Aufgaben übernommen, früher in Fürth oder Reutlingen habe ich als Trainer die Verträge gemacht. Die Leidenschaft auf dem Platz zu stehen, ist mir verloren gegangen, in Stuttgart, in Frankfurt, ich habe sie auf einmal nicht mehr gespürt. Ich wollte es nicht mehr. Deshalb stellt sich die Frage für mich nicht mehr.

Kapitel beendet?

Veh: Absolut, es wäre ganz schlimm, wenn es anders wäre. Dann hast du ein Problem. Den Schritt in Management kannst du nur gehen, wenn du spürst, das andere will ich nicht mehr.

Man hätte ja auch auf den Gedanken kommen können. Ich mache eine Pause. Und dann greife ich wieder an?

Veh: Das hatte ich ja alles schon. Man macht eine Analyse für sich selbst. Drei Jahre mit Frankfurt, Aufstieg, Europa League, das war anstrengend, ich wollte danach schon eine Pause. Das hat mich geschafft. Ich hätte woanders anfangen können, wollte ich aber nicht. Und dann kam der VfB auf mich zu, der Club war und ist eine Herzensangelegenheit für mich. Ich habe gedacht, wenn bei einem Club die Leidenschaft zurückkommt, dann beim VfB. Das war ein Fehler. Den Fehler habe ich nochmal gemacht, weil die Eintracht eben auch ein Club ist, den ich gerne habe. Ich habe für diese Vereine immer erheblich investiert. In die Mannschaft, in den Club, in das Umfeld. Ich musste immer viel ändern, in Augsburg, in Fürth und Reutlingen schon. Das kostet viel Energie, ich musste die Vereine auf professionelle Füße stellen, da war vorher nichts. Ich war nie immer nur Trainer.

Und jetzt Köln. Gut angekommen?


Veh: Ja, ich bin ja auch schon eine ganze Weile hier. Es sind jetzt neun Monate, wenn ich jetzt noch nicht angekommen wäre, wäre irgendetwas ziemlich falsch gelaufen.

Die ersten Monate waren nicht besonders unterhaltsam.
Veh. Korrekt, anfangs war es natürlich keine schöne Zeit. Ich bin schon in dem Bewusstsein nach Köln gekommen, dass wir höchstwahrscheinlich die Klasse nicht halten können. Aber ich wusste, dieser Verein hat Strahlkraft. Und obwohl es sportlich nicht gut lief, war die finanzielle Situation absolut in Ordnung. Ich wusste immer, in Köln kann man etwas aufbauen, sonst hätte ich es nicht gemacht.

Was hat den Ausschlag gegeben?


Veh: Wir waren uns von Anfang an über den Weg einig: Es ging nicht darum, das Chaos zu verwalten. Wir haben uns nicht von Emotionen leiten lassen, sondern von Wahrscheinlichkeiten, von der Erfahrung, die ich habe.

Und dann alles neu machen?


Veh: Du kannst nie alles ändern, darum ging es auch nicht. Es gibt Verträge, die gelten. Wir haben sieben neue Spieler geholt, das ist ja schon ein Umbruch. Wir haben 18 Leute, die spielen können, nicht nur 12 oder 13. Die brauchst du aber auch. Unser Ziel ist klar: Wir wollen wieder hoch, unbedingt. Ob wir es schaffen, weiß ich nicht. Wir sind Favorit, diese Rolle nehmen wir an. Klar ist aber auch, dass das kein Selbstläufer ist. Damit müssen wir umgehen, das ist Psychologie.

Zu Trainer Markus Anfang gab es keine Alternative?

Veh: Wir haben früh gewusst, dass wir ihn wollen, haben aber nie versucht, ihn früher zu bekommen. Wir wollten, dass er diese Aufgabe ohne die Last eines Abstiegs angehen kann. Wir haben seinen Weg in der Zweiten Liga verfolgt, seine Aussagen haben mir gefallen. Ich habe viele Gespräche mit ihm geführt, ich habe immer gewusst, wie er arbeitet. Es ist immer gut, solche Dinge vorbereiten zu können, keine Momententscheidungen treffen zu müssen.

Hilft es, ein Trainer gewesen zu sein, wenn man Manager wird?


Veh: Gute Frage. Es ist alles anders. Komplett anders. Und für das, was ich in Köln tue, habe ich wieder die Leidenschaft, die mich antreibt, die notwendig ist. Als Trainer stehst du jede Woche im Wind, vor allem, wenn er richtig bläst. Du denkst von Woche zu Woche. Du musst deine Mannschaft vorbereiten, Spiele gewinnen. Im Management denkst du langfristiger, in Konzepten. Aber auch als Manager es ist mir wichtig, nahe bei der Mannschaft zu sein. Auch nahe beim Trainerteam, ich bin in permanenten Austausch.

Und wie ist die aktuelle Situation?


Veh: Im Moment ist Psychologie gefragt. Wir haben gegen Paderborn verloren, das müssen wir richtig einordnen. Genauso wie die Euphorie nach dem Sieg gegen St. Pauli. Im Laufe einer langen Saison gibt es verschiedene Phasen, die wir überstehen müssen. Das ist ein hartes Stück Arbeit. Als Trainer war ich immer skeptisch, das bin ich als Manager auch. Am Ende, wenn es klappt, kann ich mich freuen, aber zwischendrin ist das immer schwierig.

Aber der Wiederaufstieg ist ohne Alternative?


Veh: Wiederaufstieg ist unser Ziel. Wir haben den zweithöchsten Etat der Liga, 23 Millionen für das Spielerpersonal bei 100 Millionen Umsatz, das sind gute Voraussetzungen, wir sind absolut gesund. Aber Geld alleine ist nicht erfolgsentscheidend. Wenn es so wäre, müsste der VfL Wolfsburg mit seinem Etat jedes Jahr Champions League spielen, mussten stattdessen zwei Mal in die Relegation. Dieser Tatsache sind wir uns bewusst.

Köln gilt als sehr besonders.


Veh: Köln ist besonders. Neben dem Dom und dem Karneval ist der FC den Kölnern das Wichtigste. Jedes Spiel ausverkauft, 50000, das bedeutet Verantwortung bei höchster Erwartungshaltung. Ein Abstieg ist immer ein Schnitt. Aber im Club war Ruhe, wir sind mit Anstand abgestiegen. Jonas Hector, Timo Horn und Marco Höger hätten andere Möglichkeiten gehabt, aber sie sind geblieben. Das hat Gründe. Sie gesehen haben, hier ist Ruhe. Und hier ist ein Plan.

Investoren sind noch nicht in Sicht?


Veh: Wir sind einer der wenigen Clubs, die kein einziges Prozent an Investoren verkauft haben. Wir müssen uns über die 50+1-Regel im Moment keine Gedanken machen, wir haben keine Schulden und ein hohes Eigenkapital. Solange die Regel in dieser Form Bestand hat, bleibt das auch so. Wenn sich das ändert, muss man sich natürlich Gedanken machen.

Die Fans kritisieren die Über-Kommerzialisierung des Fußballs.


Veh: In Deutschland ist die Situation immer noch gut. Wir praktizieren in Köln eine große Offenheit den Fans gegenüber, aber es ist eben alles im Umbruch. Und wir können nicht alles so lassen, wie es immer war. Der Fußball verändert sich, ich bin zwar ein Nostalgiker, aber wir führen ein Unternehmen, wir können nicht sagen, wir leben allein von der Tradition, das geht nicht, wir brauchen auch die Moderne, den Fortschritt, Tradition allein funktioniert nicht, nie. Man muss sich weiterentwickeln im positiven Sinne. Es geht immer weiter. Man muss immer reagieren können. Die Bundesliga ist immer noch ein einzigartiges Produkt, es gibt uns die Gewissheit, die Tradition mit der Moderne vernünftig zu verbinden. Das Produkt stimmt. Noch.

In welcher Entwicklungsstufe befindet sich der deutsche Fußball?


Veh: Als der Nachwuchs im deutschen Fußball nicht mehr funktionierte, haben wir Leistungszentren aufgebaut. Das funktionierte jahrelang gut, jetzt sind die Fragen andere. Man muss vielleicht wieder individueller denken. Der Fußball überlegt, sich neu aufzustellen. Die Zeiten sind andere geworden, die Anforderungen sind andere geworden. Auch für die Spieler. Vielleicht ist es an der Zeit darüber nachzudenken, dass Weniger vielleicht Mehr ist für den Einzelnen.

Ist der Neustart der Nationalmannschaft gelungen?

Veh: Ich habe momentan die 2. Liga zu meistern, die Nationalmannschaft beschäftigt mich, ehrlich gesagt, nicht intensiv. Ich habe eine Meinung dazu, was passiert, aber es beschäftigt mich nicht wirklich. Das ist nicht mein Thema.

Wie lautet die Perspektive von Armin Veh in Köln?

Veh: Ich habe Spaß an Entwicklungen, und wir haben Visionen. Ich meine nicht, dass man zum Arzt gehen muss, wenn man Visionen hat. Aber ich bin auch Pragmatiker, erst einmal muss unser Club wieder dahin, wo er hingehört, in die Bundesliga. Wir möchten den Fußball in Köln entwickeln, den FC entwickeln. Wir haben Pläne, wir brauchen Kontinuität, dafür haben wir einen Trainer verpflichtet, dafür verpflichten wir Spieler, du kannst nicht immer schon das Dritte denken, wenn das Erste noch nicht erledigt ist. Aber wir brauchen die Perspektive.

Wie lange wird die Karriere noch gehen, ein Leben lang Fußball, nur Fußball?

Veh: Ich denke nicht daran, wie lange ich im Fußball noch arbeiten will. Ich muss Spaß haben. Heute reden mir zu viele Leute im Fußball mit, demokratische Verhältnisse gibt es im Fußball, im professionellen Spitzensport, aber nicht. Ich weiß noch nicht hundertprozentig, wie es geht, aber ich weiß absolut hundertprozentig, wie es nicht geht. Vom Profifußball verstehe ich etwas. (GEA)

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