Strenge Regeln auf den Tribünen Fans kritisieren Pläne für Bundesliga-Saison mit Zuschauern

Düsseldorf · Wenn die Fußball-Bundesligen wieder beginnen, wird es strenge Regeln in den Stadien geben. Das missfällt vielen Fans, es drohen Boykotte — auch bei der Fortuna könnte das passieren.

 Fortunafans in fremden Stadien (wie auf diesem Bild in Dortmund) wird es in naher Zukunft ebenso wenig geben wie geöffnete Stehblöcke.

Fortunafans in fremden Stadien (wie auf diesem Bild in Dortmund) wird es in naher Zukunft ebenso wenig geben wie geöffnete Stehblöcke.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Anfang der Woche hat Fortuna Düsseldorf den Fahrplan für die kommende Saison in der zweiten Fußball-Bundesliga veröffentlicht. Also keinen Spielplan, wann es wo gegen wen geht, sondern die Kilometertabelle für Auswärtsspiele. Die hat es in sich: Gab es in der vergangenen Saison noch zahlreiche Duelle mit den rheinischen Nachbarn aus Köln, Mönchengladbach und Leverkusen sowie Ruhrgebietsteams wie Schalke oder Dortmund, sieht es im Westen nun mau aus. Lediglich das Stadion des VfL Bochum liegt weniger als 100 Kilometer von der Arena entfernt. Im Gegenzug stehen gleich 14 Fahrten an, die länger sind als 250 Kilometer pro Strecke. Die weiteste Fahrt geht ins Erzgebirge nach Aue (568). Insgesamt wird die Fortuna am Ende der Saison mit Hin- und Rückwegen knapp 12 300 Kilometer zurückgelegt haben.

Normalerweise gilt das auch für die so genannten Allesfahrer, also die Fans, die bei jedem Auswärtsspiel im Stadion sind. Die Fortuna hat hunderte davon, in der Bundesliga war die Zahl gar vierstellig. In Corona-Zeiten ist aber eben nichts normal. Zwar arbeiten die Deutsche Fußball Liga (DFL) und ihre 36 Profivereine in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden gerade an einer Saison mit Zuschauern, aber wie vor der Pandemie wird es nicht laufen. Volle Stadien wird es auf absehbare Zeit nicht geben, auch die Öffnung der Stehplatzblöcke scheint wegen der Abstandsregeln unrealistisch, zudem werden Verbote für Singen und Schreien sowie ein genereller Ausschluss von Gästefans diskutiert. Für die Allesfahrer ein harter Schlag.

„Alle oder keiner“

Die bestehen zu großen Teilen aus der aktiven Fanszene, die bereits mit den Geisterspielen nicht einverstanden war und die Saison aus ihrer Sicht für beendet erklärte. Folglich fielen auch die von vermeintlichen Experten befürchteten Fan-Ansammlungen vor den Stadien aus. Wenig überraschend sieht die Szene nun auch die Pläne zur Teilöffnung der Stadien für die neue Spielzeit kritisch. „Alle oder keiner“, schrieben beispielsweise die Ultras von Hannover 96 dieser Tage in einer Stellungnahme.

Ähnlich ist die Stimmung in Düsseldorf. „Man muss zwar differenzieren, viele normale Stadiongänger freuen sich einfach, wenn sie wieder in die Arena können. Aber die aktiven Fortunafans können sich nicht damit anfreunden. Mit Abstand und Mundschutz auf der Tribüne sitzen, ohne Stehplätze, Gästefans und Stimmung, das hat nichts mit dem sonstigen Stadionerlebnis zu tun. Ich kann mir gut vorstellen, dass die aktiven Fans weiter boykottieren werden“, sagt Benjamin Belhadj, Leiter des Fanprojekts, das als Teil des Jugendrings sozialpädagogische Arbeit für (jugendliche) Fußballfans in Düsseldorf macht.

Sorge, dass die neuen Regeln länger gelten

Belhadj ist nah dran an der aktiven Szene und weiß um ihre Sorgen. Die gehen weit über ein paar Monate ohne Auswärtsfahrten hinaus. Es geht um personalisierte Tickets, elektronische Abstandsmessung, strenge Verhaltensregeln, Wärmebildkameras, Scanner an den Eingängen. Seit Jahren schon kritisieren Fanvertreter die immer neuen Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien, „nun gibt es die Befürchtung, dass Zusatzmaßnahmen, die mit der Corona-Krise begründet werden, auch danach bestehen bleiben. Dass die DFL und die Vereine sagen: Das hat sich doch bewährt, warum sollen wir das jetzt wieder ändern?“, sagt Belhadj.

Dabei hatten sich die Fans sehr wohl Veränderungen durch die Corona-Krise gewünscht. Allerdings grundsätzliche, weil sie den Status quo des Milliardengeschäfts ablehnen. „Die Profivereine haben sich in eine Abhängigkeit der TV-Einnahmen manövriert. Aber das ist nicht unsere Krise. Das ist die Krise der Ware Profifußball, die Krise der fehlenden Werbeeinnahmen und die der Investoren, der Manager und Spielerberater“, schrieben die Fortuna-Ultras im Mai. Ähnliche Töne gibt es aus anderen Städten. Vor einigen Wochen unterzeichneten hunderte Fanklubs aus Deutschland, darunter auch Düsseldorfer, den Aufruf des neuen Bündnisses „Unser Fußball“. „Die Zeit ist gekommen, den Profifußball grundlegend zu verändern. Wir alle wollen einen neuen Fußball“, heißt es in einer Erklärung. Dann folgen Themen wie eine Beschränkung von Investoren, nachhaltigeres Wirtschaften, mehr gesellschaftliche Verantwortung, mehr Demokratie in den Vereinen und Einbeziehung der Fans in Entscheidungsprozesse.

DFL übt Selbstkritik

Selbst von der DFL gab es kritische Töne über das eigenen Geschäftsgebaren. Man werde nach der Krise nicht so „weitermachen wie bisher“, sagte Ligachef Christian Seifert der „FAZ“ und brachte eine Deckelung der Gehälter für Spieler und Berater ins Gespräch. Vergangene Woche verpflichtete er sich bei einer Sitzung der AG Fankultur, dass bei der neugegründeten „Taskforce Zukunft Profifußball“ auch Fanvertreter angehört werden.

Die Szene bleibt dennoch skeptisch. Warme Worte hat sie immer wieder gehört, die Entscheidungen fielen danach meist dennoch gegen sie aus. Auch der Düsseldorfer Fanprojekt-Leiter Belhadj glaubt nicht an die große Verbrüderung zwischen Funktionären und Fans: „In den vergangenen Jahren ist viel kaputtgegangen, die Fans haben das Vertrauen verloren. Auch jetzt in der Corona-Zeit wurde ihnen vor Augen geführt, dass es um Geld vom Fernsehen geht, nicht um den Fan im Stadion. Der ist das Letzte, an was die DFL denkt. So sehen viele Fans das.“ Und werden wohl auch in der neuen Saison dem Stadion fernbleiben.

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