Frauenfußball-WM Schiedsrichterin Riem Hussein: „Am besten, man ist besser als der Videoschiedsrichter“

Paris/Rennes · Riem Hussein ist erstmals bei einer Frauen-WM im Einsatz und zweite deutsche Hauptschiedsrichterin neben Bibiana Steinhaus – Angst vor dem Einsatz des Videoassistenten hat sie keine

 Schiedsrichterin Riem Hussein zeigt Brasiliens Bruna Benites nach einem Faul an der Deutschen Alexandra Popp die gelbe Karte.

Schiedsrichterin Riem Hussein zeigt Brasiliens Bruna Benites nach einem Faul an der Deutschen Alexandra Popp die gelbe Karte.

Foto: picture alliance / dpa/Karl-Josef Hildenbrand

„High, high hopes“ dröhnte aus den Lautsprechern, als sich am Dienstag die 26 Schiedsrichterinnen und 47 Schiedsrichterassistentinnen der Frauen-WM in Frankreich (7. Juni bis 7. Juni) am Institut National du Sport in Paris zu einer öffentlichen Schulungseinheit versammelten. Große Hoffnungen: Die trägt auch Riem Hussein in dieses Turnier. Während Bibiana Steinhaus (Langenhagen) als Hauptschiedsrichterin und Katrin Rafalski (Bad Zwesten) als Assistentin beide nach 2011 und 2015 bereits das dritte Mal bei einer WM antreten, bestreitet die 38-Jährige jetzt ihre Premiere. „Für mich geht ein Traum in Erfüllung“, sagt die Apothekerin aus Bad Harzburg, die gleichzeitig einen Dank an ihre Familie ausrichtet. Denn zuletzt haben sich durch den Fußball ihre Fehlzeiten im Hauptberuf gehäuft. „Das geht nicht mehr einfach nur nebenbei.“ Sie kann sich glücklich schätzen, die Apotheke gemeinsam mit ihrer Schwester Fadwa und ihrem Bruder Fadi zu führen, so dass ihre Abwesenheit aufgefangen wird.

Die Vorbereitung war auch deshalb so zeitintensiv, weil der Frauenfußball ein Novum erlebt: den Einsatz des Videoassistenten. Dafür sitzen 15 Männer in den Kontrollräumen, die mit dem Hilfsmittel Erfahrung haben. Darunter mit Felix Zwayer (Berlin), Bastian Dankert (Rostock) und Sascha Stegemann (Niederkassel) gleich noch ein deutsches Männer-Trio. Mehrere Seminare und Schulungen liefen unter Fifa-Obhut in Abu Dhabi und Doha ab, um die Abläufe und die Kommunikation für den Videobeweis (VAR) zu erproben, mit dem die Schiedsrichterinnen im Alltag keine Erfahrung haben. „Wir müssen dafür natürlich einen Schalter umlegen“, sagt Hussein. „Wir sind bestmöglich in dieser kurzen Zeit geschult worden. Daher mache ich mir keine großen Sorgen. Im Gegenteil. Es ist beruhigend zu wissen, dass es jetzt jemanden gibt, der einen vor einem möglichen großen Fehler schützt.“ Und hatte der Videoassistent nicht schon bei der Männer-WM in Russland viel besser funktioniert als später wieder in der deutschen Bundesliga?

Lange war nicht klar, ob der Weltverband den VAR-Einsatz bei den Frauen wagen würde. „Es steht und fällt doch damit, wie gut man selbst entscheidet. Am besten, man ist besser als die Technik“, sagt Hussein. Dass hierzulande zuletzt fast Woche für Woche über den Videobeweis diskutiert wurde, hat sie natürlich mitbekommen, gibt aber zu bedenken: „Jede Entscheidung ist für die Beteiligten mit einer Subjektivität unterlegt.“

Deutschlands zweimalige Schiedsrichterin ist in Bad Harzburg geboren, ihre Eltern stammen aus Palästina. Sie ist glücklich darüber, als „voll integriertes Mädchen“ aufgewachsen zu sein. „Meine Eltern waren zum Glück sehr offen, wenn es um Sport ging. Da gab es nie Probleme.“ Zur Pfeife griff sie, weil sie in jungen Jahren mit den Schiedsrichtern nicht immer einer Meinung war. „Dann habe ich mit meinem jüngsten Bruder den Schiedstrichterschein gemacht.“ Mit Anfang 20 spielte sie allerdings selbst beim MTV Wolfenbüttel in der 2. Frauen-Bundesliga, hatte Anfragen vom Hamburger SV und VfL Wolfsburg, wollte aber ihr Studium nicht vernachlässigen. Sie promovierte schließlich an der Technischen Universität Braunschweig im Fachbereich Pharmazeutische Technologie, was definitiv die richtige Entscheidung gewesen sei: „Zur Nationalspielerin hätte ich es wohl nicht gebracht. Ich war als Fußballerin kein Jahrhunderttalent.“

Dafür machte sie umso schneller noch im Schiedsrichterwesen Karriere. 2005 kam sie bereits in der 2. Frauen-Bundesliga zum Einsatz, ein Jahr später in der höchsten Frauen-Spielklasse, so sie schon rund 100 Spiele geleitet hat. In dieser Saison kam sie nach der Umstrukturierung im deutschen Schiedsrichterwesen weitaus häufiger in der Dritten Liga bei den Männern zum Einsatz als in der Frauen-Bundesliga.

Nun hofft sie nur, dass ihr ein Malheur wie bei der Frauen-EM 2017 erspart bleibt, als sie sich beim Gruppenspiel Island gegen Österreich die Achillessehne anriss. „Es ist bei einem Sprint passiert, aber ich habe das anfänglich gar nicht mitbekommen und das Spiel noch zu Ende gebracht.“ Sechs Monate fiel sie anschließend aus. Wie schnell Träume von Schiedsrichterinnen platzen, ist gerade auf sehr unerfreuliche Art und Weise in ihrem ausgewählten Kreis bestätigt worden: Am Dienstag gab Pierluigi Collina als Chef der Fifa-Schiedsrichterkommission bekannt, dass die Kanadierin Carol Anne Chenard wegen Brustkrebs und die Chinesin Cui Yongmei wegen Herzprobleme die Teilnahme an der Frauen-WM 2019 absagen müssen.

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