Interview Fortuna-Vorstand Schäfer: "Ich möchte, dass der Fußball so bleibt, wie er ist"

Robert Schäfer, Vorstand des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf, spricht im Interview über Erfahrungen mit Investoren im Fußball, Kritik an Martin Kind und Regulierung in der deutschen Liga.

 Robert Schäfer, Vorstand des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf. Archivbild.

Robert Schäfer, Vorstand des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf. Archivbild.

Foto: Christof Wolff

Herr Schäfer, die 50+1-Regel ist in aller Munde. In Hannover versucht Martin Kind, die Regel, die das Anteilsverhältnis zwischen Verein und Investoren regelt, zu kippen. Eine breite Diskussion folgt. Wie wird das enden?

Robert Schäfer: Ich hoffe, dass die 50+1-Regel so bleibt, wie sie ist. Es braucht eine Zweidrittel-Mehrheit innerhalb der DFL, sie zu ändern, weil das eine Satzungsklausel ist. Deshalb sehe ich auch gute Chancen, sie zu erhalten. Und ich sehe auch keinen Bedarf, sie zu ändern.

Tatsächlich nicht? Viele argumentieren, dass uns andere europäische Vereine und Ligen davon laufen, die sich längst Investoren geöffnet haben.


Schäfer: Was sind die Begründungen, die angeführt werden? Der FC Bayern oder wahlweise die internationalen Spitzenclubs seien zu weit weg. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, wo wir im deutschen Fußball so viel Geld haben wie noch nie. Es kommt also immer mehr Geld ins System, aber wir werden nicht besser. Die Frage lautet also nicht, ob die 50+1-Regel fallen muss, sondern die wirklich wichtige Frage hat der DFL-Chef Christian Seifert schon beim Neujahrsempfang der DFL gestellt: Ist unsere Qualität hoch genug? Real Madrid zeigt zum Beispiel als Verein, der nicht von Investoren geführt ist, dass es geht, wenn man es gut macht. Und das zeigt der FC Bayern auch.

Die Bayern sind meilenweit vom Rest der Liga entfernt. Es droht dauerhafte Langeweile.

Schäfer: Wenn wir also zum Schluss kommen, dass Bayern in der Liga durch normalen Wettbewerb nicht mehr einzuholen ist, dann müssen Regeln greifen, wie sie in der Wirtschaft gelten: Wenn ein Marktteilnehmer so groß ist, dass er den Markt beherrscht und die anderen keine Chance mehr haben, ihm Konkurrenz zu machen, dann müssen wir über Regulierung nachdenken.

Wie kann Regulierung im sportlichen Wettbewerb aussehen?

Schäfer: Man müsste das natürlich sehr adaptieren. Die Amerikaner machen es so, dass sie dem schlechtesten Verein die besten Spieler geben. Das ist dort möglich, weil es ein geschlossenes System ist. Das geht bei uns natürlich nicht. Es ist aber nachdenkenswert, ob wir durch die TV-Geld-Verteilung die Starken immer stärker machen müssen oder ob nicht hier ein Schlüssel für mehr Wettbewerb liegt.

Sie haben mit einem Investor Ihre Erfahrung als Geschäftsführer bei 1860 München gemacht. Für alle Zeiten abgeschreckt?

Schäfer: Wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, können sie nicht mit einem Investor auf Augenhöhe verhandeln. Sie verkaufen sich ja nicht zum optimalen Zeitpunkt, sondern in einer für sie schwierigen Situation. Wenn sie sich auf dem Höchstpunkt verkaufen würden, bräuchten sie den Investor ja gar nicht. Sie brauchen ihn dann, wenn etwas im Argen liegt. Ist es dann die beste Lösung, mehr Geld reinzukippen, anstatt das zu lösen, was dazu geführt hat, dass die Situation beim jeweiligen Verein im Argen liegt?

Warum wurde bei 1860 München das Geld des arabischen Investors Hasan Ismaik reingekippt?

Schäfer: Aus eigener Kraft hatten wir damals alles versucht, den Verein zu retten und waren an einem Punkt, wo wir das nicht mehr schaffen konnten. Wir wären insolvent gewesen, der Traditionsverein hätte aufgehört zu existieren. Der Einsatz des Investors hat in dieser Notsituation eine Perspektive geschaffen. Er ist seinerzeit mit 49 Prozent eingestiegen und hatte eine Option auf elf weitere Prozent. Die 50+1-Regel war für die Höhe der Anteile an der KGaA gar nicht entscheidend, weil es auf eine Beteiligung an der entscheidungsführenden Geschäftsführungs-GmbH ankam, an der der Verein weiter 100 Prozent gehalten hat.

Was haben Sie aus dem Engagement Ismaiks gelernt?

Schäfer: Dass man sich ständig mit der Ungeduld des Investors auseinandersetzen musste. Von Herrn Kind wird bei Hannover 96 immer suggeriert, dass Investoren immer viel professioneller seien. Für die ist das aber eben auch Hobby, da sie Ihr Geld in anderen Geschäftsfeldern verdient haben. Wir hatten in München einen professionellen Dreijahresplan aufgestellt. Und als dann die Erfolge nicht gleich im ersten Jahr zu Tage traten, wurde dort sofort öffentlich vom Investor unabgestimmt der Kurswechsel ausgerufen. Das ist nicht professionell, auch nicht im Fußball. Es ist sogar richtig schädlich. Das musste 1860 München teuer bezahlen, weil man sich zum richtigen Zeitpunkt nicht mehr vom Investor und dessen Launen emanzipieren konnte. Wir hatten 2013 dafür ein Fenster geschaffen, aber man hatte sich dann dagegen entschieden. Und jetzt spielen sie in der 4. Liga und haben ein enormes Defizit.

Treibt sie diese Erfahrung an, gegen die Investorenidee offensiv anzukämpfen?

Schäfer: Ja. Aber auch die Tatsache, dass ich Fußball-Fan bin. Ich möchte, dass der Fußball so bleibt, wie er ist und die Fußball-Kultur nicht gefährdet wird. Es sind ja auch jetzt schon zusätzliche Gelder erlaubt, siehe das Engagement von Hopp in Hoffenheim, Mercedes in Stuttgart oder von Herrn Kühne in Hamburg. Das sind Engagements, von denen ein Verein oder auch eine ganze Region profitiert. Dem steht die 50+1-Regel ja gar nicht im Weg. Das Problem mit anders orientierten Investoren ist doch, dass sie irgendwann eine Rendite haben wollen. Wenn 500 Millionen Euro investiert werden, fehlen dem Verein jedes Jahr 25 Millionen, wenn der Investor 5 Prozent auf sein Investment bekommt. Und das ist keine gute Rendite. Es ist auch kurzsichtig zu sagen: Die Regel fällt und dann fließen Milch und Honig. Man weiß im Übrigen doch auch gar nicht, wer der vierte und fünfte Eigentümer ist und wie die weiteren Verkäufe ablaufen. Die könnten doch alles verkaufen, ohne Rücksicht auf die Fans.

Wie beurteilen Sie Kinds Offensive in Hannover?

Schäfer: Das ist eine private wertsteigernde Motivation. Er will, dass seine Anteile mehr wert werden. Der Prüfungsprozess, ob Kind wirklich nachhaltig ausreichend in den Verein investiert hat, ist ja bis jetzt nicht abgeschlossen worden.

Und Sie glauben, dass tatsächlich nichts an der 50+1-Regel verändert oder aufgeweicht wird?

Schäfer: Ich schätze die Chancen gut ein, dass alles so bleibt, wie wir es jetzt haben. Diese Liebe zum Fußball teilen auch unheimlich viele der Verantwortlichen. Das wird in vielen Vereinen als Basis gesehen. Die Unterstützer einer Abschaffung waren in letzter Zeit vielleicht stimmgewaltiger. Aber jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Mehrheit laut für den Erhalt der 50+1 Regel äußert.

Wie ist die Position der DFL?

Schäfer: Die DFL sagt: Das ist eine Entscheidung der Vereine. Die DFL ist ja auch der Dachverband der Vereine, das ist also logisch. Das wird ja auch oft vergessen: Die Vereine haben die Anstoßzeiten selbst festgelegt. Wir müssen auch bei der 50+1 Regel selbst entscheiden, was wir wollen. Die DFL will, dass wir guten Fußball spielen, der spannend ist, damit wir uns auch zukünftig über die Einnahmen in der derzeitigen Höhe freuen. Und da sind wir wieder bei der Qualitätsfrage und bei der Frage einer tauglichen Regulierung im Sinne eines spannenden Wettbewerbs.

Wie sieht ihre ganz persönliche, konkrete Idee für eine Regulierung aus, die der Liga mehr Spannung bringen könnte?

Schäfer: Wir haben europäisch in dieser Saison gegen Vereine verloren, die ja offensichtlich deutlich weniger Geld zur Verfügung haben. Ich glaube, dass man den Bayern durchaus Paroli bieten kann, auch wenn das schwierig ist. Dazu müsste aber zum Beispiel die Fernsehgeldverteilung nicht die Starken immer stärker machen. Wir müssen aber noch nicht über eine Form von Regulierung spekulieren, sondern müssen uns zuerst eingestehen, dass mehr Geld nicht automatisch mehr hilft. Wir haben mehr Geld aus dem Fernsehvertrag, aber die Vereine profitieren davon nicht automatisch, wie wir sehen. Vielmehr passiert genau eines als Folge: Es steigen die Gehälter von Spielern und die Honorare von Beratern. Das ist der wahre Effekt der höheren Fernsehgelder, das sehen wir ja jetzt schon. Und das wird auch bei einer Investorensituation nicht anders sein. Im Gegenteil. Von daher ist da viel Augenwischerei im Spiel.

Bei Fortuna Düsseldorf ist also künftig kein Platz für Investoren?

Schäfer: Wir hatten eine Kooperation mit Herrn Kölmel (1999 schloss der fast zahlungsunfähige Klub einen Vermarkter-Vertrag mit Sportwelt von Michael Kölmel, der erhielt dafür unter anderem die TV-Rechte. Der Vertrag wurde 2013 verändert: Bis 2023 zahlt Fortuna jährlich 450 000 Euro und 15 Prozent aller Fernsehgelder, Anmerkung der Redaktion), die auf gewisse Zeit angelegt war und wie vereinbart auslaufen wird. Darüber hinaus werden wir nichts tun.

Anteile an große Unternehmen aus der Region zu verkaufen, wie das der FC Bayern mit Audi, Allianz oder Adidas gemacht hat, kommt in Düsseldorf also nicht infrage?

Schäfer: Nein, die Ideen gibt es nicht. Wir wollen versuchen, dass wir unseren großen Unternehmen in der Stadt Fortuna Düsseldorf als optimales Sponsoring-Partner vermitteln. Darüber versuchen wir als kreativer Partner zu überzeugen, nicht über Anteilsverkäufe.

In vielen Stadien geht die Stadionauslastung zurück. Sind die Fans unzufrieden mit den Entwicklungen des Profifußballs?

Schäfer: Die Zuschauerzahlen sind so hoch wie nie. Es ist eine andere Frage des Zutritts: Kommen tatsächlich alle, die Tickets haben? Darin steckt aber die Frage, was die Zuschauer bereit sind mitzumachen. Sie sind dann bereit, Dinge mitzugehen, wenn sie sehen, dass ihr Verein ihr Verein bleibt. Und wenn sie Qualität im Spiel sehen. Das hat Uli Hoeneß kürzlich noch hier in Düsseldorf gut gesagt: Spiele gut Fußball, qualifiziere dich international, halte dich da möglich lange und erziele Transfererlöse. Dann kannst du deine nächsten Schritte gehen. So hat Dortmund neue Kraft entwickelt, so hat es viel früher auch der FC Bayern gemacht.
Das ist ein klassischer Ansatz, der vielleicht ein bisschen länger dauert, aber immer noch funktioniert und nachhaltiger ist.

So wird es Fortuna also auch halten?

Schäfer: Ja, wir sind ja gerade zwei aus unserer Sicht große Schritte mit dem Transfer von Ihlas Bebou nach Hannover und dem unerwartete Schritt von Co-Trainer Peter Hermann zum FC Bayern gegangen. Die erzielten Einnahmen helfen uns jetzt, eine solide wirtschaftliche Basis zu schaffen, auf der wir aufbauen wollen. Wissen Sie, als ich als Kind mit meinem Vater ins Stadion gegangen bin, war das Leidenschaft. Ich bin auch fußballverrückt. Und ich möchte, dass wenn mein Sohn mal mit mir ins Stadion geht, das genauso erleben kann. Und dann nicht einen Verein vor sich hat, der vom sechsten Investor geleitet wird, dessen Hühnerfarm in Indien steht. Sondern dass das sein Verein aus seiner Stadt ist, mit dem er sich identifizieren kann.

Klingt romantisch. Keine Angst, dass andere mit deutlich weniger Romantik nicht schlicht und einfach davon ziehen?

Schäfer: Sicher, wir versuchen es mit hausbackenen Mitteln: Gutes Scouting, Risikobereitschaft, Kontinuität. Nicht dauernd die Konzeption wieder umschmeißen, denn das kostet wahnsinnig viel Geld.

Was brächte Fortuna ein möglicher Aufstieg?

Schäfer: Mindestens eine Verdoppelung an Umsätzen. Und eine Verdoppelung an Aufmerksamkeit für unsere Stadt Düsseldorf. Also: 100 Prozent mehr in allen Bereichen.

Wähnen Sie sich auf gutem Weg dorthin?

Schäfer: Wir sind auf einem guten Weg, wenn wir ihn geduldig und ruhig weitergehen. Wir sollten auch das letzte Jahr im Kopf haben und nicht nur diese Saison als Blaupause sehen.

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