Amateurbereich Essen: Keine Schiedsrichter nach Fußball-Gewalt

Zu Spielen von drei Teams im Essener Amateurbereich entsendet der Kreis vorerst keine Referees mehr. Krefeld beschäftigt eine Arbeitsgruppe mit diesem Thema.

Symbolfoto.

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Foto: Patrick Seeger

Düsseldorf. So richtig wohl ist Thorsten Flügel gerade nicht. Manche loben den Vorsitzenden des Fußball-Kreises Essen, viele verunglimpfen ihn in den sozialen Netzwerken, „wie ich es noch nie erlebt habe“, weil Flügel eine Entscheidung getroffen hat, die bundesweit für Aufsehen sorgt: Am kommenden Wochenende werden zwei Fußball-Spiele stattfinden, zu denen der Fußball-Kreis Essen ganz offiziell keine Schiedsrichter mehr entsenden wird. Der Grund sind mehrere Spielabbrüche wegen Gewalt auf dem Platz und Bedrohung von Schiedsrichtern. Zu den Meisterschaftsspielen von Barispor Essen I (Kreisliga C), Juspo Altenessen II (Kreisliga C) und der A-Jugend der SpVgg Steele 03/09 werden an diesem Wochenende keine Unparteiischen mehr entsendet. Was die einen gut finden, „weil wir endlich ein Zeichen setzen“, wie Flügel unserer Zeitung sagte, halten andere für Wahnsinn. Denn ohne Schiedsrichter seien nun vor allem jene Teams bestraft, die künftig gegen die betroffenen Mannschaften anzutreten hätten. Diese müssen sich mit jenen Vereinen für die 90 Minuten auf einen Schiedsrichter einigen, der laut Satzung vom Heimteam gestellt wird.

Zur Ruhe kommt der Fußball im Ruhrgebiet nicht. Immer wieder kommt es zu schlimmen Ausschreitungen. Dabei hatte sich die Situation dank eines Maßnahmenpaketes von Sportbund, Stadt und Fußball-Kreis fast ein Jahr lang beruhigt: Alle Mannschaften hatten eine Resolution gegen Gewalt unterzeichnet, und eine neue Sportstättenverordnung ließ fortan zu, Vereinen Trainingszeiten oder ganze Plätze entziehen zu können. Zudem waren mehrfach lebenslange Sperren für gewalttätig gewordene Fußballer ausgesprochen worden.

Doch dann brach das Unheil mit vier Spielabbrüchen in kürzester Zeit erneut aus. Tiefpunkt: „Beim Spiel von Vatispor Essen wurde der Schiedsrichter nach einer Elfmeterentscheidung gegen Ende geschlagen, Gegner warfen sich dazwischen, danach kam es zu wilden Schlägereien. Es gab 14 Anzeigen wegen Körperverletzung“, berichtet Flügel.

Jetzt gilt die Entscheidung, bis in den kommenden zwei Wochen die zuständigen Kammern zu den Fällen getagt haben. Flügel geht es darum, die Schiedsrichter „als das schwächste Glied in der Kette“ zu schützen. Er will ein Konzept der Vereine, solche Gewalt künftig zu verhindern. Insgeheim hat er auch mit der Vernunft der Sünder gerechnet: „Ich dachte, dass die ihre Mannschaften zurückziehen oder jetzt ihre Spiele erst einmal absagen.“ Die Krux: Ohne gültiges Urteil sind dem Kreis die Hände gebunden, Mannschaft können nicht ausgeschlossen, Spiele nicht abgesagt werden.

Immerhin: Vatispor Essen hatte seine dritte Mannschaft nach jenem schlimmen Vorfall zurückgezogen. Und die A-Junioren aus Steele hat ihr Spiel an diesem Wochenende gerade aus eigenen Stücken abgesagt. Bleiben zwei Clubs, die am Wochenende im Fokus stehen. Flügel kündigte an, dass Mitglieder des Kreisvorstandes bei die Spiele beobachten werden. Das Ganze ist nicht zu aller Zufriedenheit zu erledigen: Sollten sich die Teams auf keinen Schiedsrichter aus den eigenen Reihen einigen können, würde das Spiel der Satzung nach für beide Kontrahenten als verloren gewertet werden. Bestraft würden dann eben mit den Richtigen auch die Falschen.

Ein probates Mittel gegen jene Unvernunft scheint noch nicht gefunden. Auch nicht in Krefeld, wo Thomas Kirches zunehmende Fußball-Gewalt registriert hat. Kirches ist Mitglied der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Gewalt gegen Schiedsrichter im Fußballkreis Kempen-Krefeld. Dass es diese Gruppe gibt, sagt alles. Kirches fordert einen „Konflikt-Beauftragten für Schiedsrichter im Verband“, erhält dafür aber bislang wenig Unterstützung. Auch kann er sich vorstellen, dass bei derlei Vorfällen grundsätzlich der Verband Anzeige erstattet — und das nicht mehr vom eingeschüchterten Schiedsrichter erwartet werden muss. Sogar die Staatsanwaltschaft könne tätig werden, wenn man solche Fußball-Gewalt „als Offizial-Delikt“ einstufe.

Flügel wäre schon geholfen, wenn der DFB als reicher Dachverband anders mit dem grundsätzlichen Problem umgehen würde. „Dort heißt es“, klagt Flügel, „die Probleme seien nicht groß, nur 0,4 Prozent der Spiele seien auffällig. Und im November sei die dunkle Jahreszeit für solche Ausbrüche der Grund. Da geht mir die Hutschnur hoch.“ Und: „Auf dem flachen Land in Baden Württemberg passiert vielleicht nichts, aber Funktionäre aus Frankfurt, Berlin oder anderen Kreisen im Ruhrgebiet wissen, wovon ich spreche.“

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