Fußball grotesk Zeigt Respekt, schaut nicht hin

Meinung · Es waren entsetzliche Minuten, als der dänische Fußballer Christian Eriksen am Samstag mit dem Tod rang. Das Bild der dänischen Spieler, die eine Schutzmauer gegen die Blicke von außen zu bilden versuchten, verkündete überdeutlich: Schaut nicht hin, wenn unser Mitspieler mit dem Tod ringt!

 Dänische Spieler reagieren als sie um ihren Mannschaftskameraden Christian Eriksen, der von Sanitätern während des Spiels versorgt wird, eine Mauer bilden.

Dänische Spieler reagieren als sie um ihren Mannschaftskameraden Christian Eriksen, der von Sanitätern während des Spiels versorgt wird, eine Mauer bilden.

Foto: dpa/Stuart Franklin

Es waren entsetzliche Minuten, als der dänische Fußballer Christian Eriksen am Samstag vor einem TV-Millionenpublikum mit dem Tod rang. Von einer Sekunde auf die andere verlor das paneuropäische EM-Turnier, das angesichts der Corona-Pandemie ohnehin zu einem schwer kalkulierbaren Wagnis geworden ist, jede Bedeutung. 

Die geschockten Gesichter der verstummten Zuschauer auf den Rängen, die dänischen Mannschaftskollegen, die einen Kreis um Eriksen und die Helfer bildeten, später die gemeinsamen Gesänge der Anhänger des dänischen und finnischen Teams – die Szenen aus Kopenhagen mahnen (nicht nur) den Fußball zu Demut und Bescheidenheit.

Dass die kurz vor der Halbzeitpause unterbrochene Partie nur knapp zwei Stunden später fortgesetzt wurde, ist grotesk. Man muss den Mannschaften, die sich nach Rücksprache mit Eriksen zum Weiterspielen entschlossen, zwar Respekt zollen. Aber das entbindet den Europäischen Fußballverband (Uefa) nicht von der Pflicht, sein Turnier mit der gebotenen Umsicht und Sorgfalt zu organisieren.

Offenbar wurde von der Uefa als Alternative nur die Verschiebung der Rest-Spieldauer auf Sonntag, 12 Uhr, angeboten. Besser wäre es gewesen, die Partie abzubrechen und den aktuellen Spielstand (0:0) in die Wertung zu nehmen. Das hätte allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, die Erlebnisse zu verarbeiten und bis zum nächsten Spiel etwas Abstand zu gewinnen.

Ein Wort zum  ZDF: Das minutenlange Schweigen des Kommentators Béla Réthy war der bedrückenden Situation angemessen. Weniger angemessen war es, die Live-Übertragung aus dem Stadion so lange einfach fortzusetzen. Das Bild der dänischen Spieler, die eine Schutzmauer gegen die Blicke von außen zu bilden versuchten, verkündete überdeutlich: Zeigt Respekt, schaut nicht hin, wenn unser Mitspieler mit dem Tod ringt!

Dass jede und jeder Einzelne selbst abschalten oder den Kanal wechseln kann, dass der plötzliche Notfall überraschend kam, entbindet Programmverantwortliche nicht von der Pflicht, auf voyeuristische Versuchung zu verzichten.

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