Löw lässt sich nicht beirren - Torlos-Sturm muss liefern

Évian-les Bains (dpa) - Jetzt sind die Spieler am Zug - allen voran die noch torlosen Offensivkräfte um Thomas Müller. Der Bundestrainer ist am zweiten EM-Wochenende mit einem Tag Freizeit und zahlreichen Vertrauensbekundungen für noch schwächelnde Fußball-Weltmeister in Vorleistung gegangen.

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Im finalen Gruppenspiel gegen Nordirland kann Joachim Löw nun am Dienstag in Paris verlangen, dass seine Mannschaft im Gegenzug das liefert, was ihr Chef den bislang noch nicht verwöhnten Fans in der Heimat versprochen hat.

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„Wir wollen gegen Nordirland gewinnen, wir werden gewinnen, wir werden die Gruppe gewinnen“, verkündete Löw in der Abgeschiedenheit des DFB-Quartiers am Genfer See. Müller erwartet „keinen Spaziergang“ und auch „kein Schützenfest“ im Pariser Prinzenpark, aber er spüre auch keine Verunsicherung im Team: „Punktemäßig stehen wir gut da. Wir sind jetzt nicht beunruhigt.“ Bloß kein Aktionismus, mahnte Manager Oliver Bierhoff: „Wichtig ist, dass wir uns nicht beirren lassen. Ein Turnier ist schwierig, da marschiert man nicht durch.“

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Mit allen 23 Akteuren nahm Löw am Sonntag im schon gewohnten Regen von Évian die Vorbereitung auf die Partie gegen die Nordiren auf, die mit drei Punkten gut im Rennen um einen Achtelfinalplatz liegen. Löw erwartet für sein Team um den nach einer Hüftprellung wieder mit der Mannschaft trainierenden Jérôme Boateng das nächste Anrennen gegen ein Abwehrbollwerk. „Nordirland verteidigt manchmal mit sechs Mann auf einer Linie“, sagte er. „Wir werden positive Lösungen finden“, versicherte WM-Held Mario Götze gelassen.

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„Ich bin absolut entspannt“, betonte auch der Bundestrainer, als er sich in Évian 45 Minuten lang Zeit nahm, um sich von den Reportern „Löcher in den Bauch fragen“ zu lassen. Mal ernsthaft, mal scherzend, hin und wieder auch kopfschüttelnd war der 56-Jährige bemüht, die von der Nullnummer gegen Polen aufgeschreckte Weltmeister-Nation zu beruhigen. „Überrascht bin ich über gar nichts mehr“, sagte Löw, als er mit ihm altbekannten Themen konfrontiert wurde.

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Mal wieder kocht die Führungsspielerdebatte hoch. Es geht um Trainerlieblinge, Personal- und Systemfragen, aktuell kommt die Offensivkrise hinzu. „Jetzt spielen wir einmal 0:0 - und die Diskussionen kommen wieder“, stöhnte Löw mit der Erfahrung und Routine eines Turnier-Dinos.

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Der Weltmeistercoach kennt die Regelmäßigkeiten auf einer langen Turnierstrecke. Seit er Chef ist, gab es stets Probleme im zweiten Gruppenspiel, aber auch eine erfolgreich gemeisterte Drucksituation in der entscheidenden dritten Partie. EM 2008: 1:0 gegen Österreich. WM 2010: 1:0 gegen Ghana. EM 2012: 2:1 gegen Dänemark. WM 2014: 1:0 gegen USA. „Es war nie so, dass wir durch die Gruppenphase durchgepflügt sind“, sagte Müller, der seit 2010 immer dabei war.

Im Hotel Ermitage oberhalb des Lac Léman tüftelt Löw mit seinem Trainerstab an personellen und taktischen Lösungen. Die 90 Minuten des Polen-Spiels schaute sich der Chefcoach am Samstag noch einmal komplett an, während Müller auf dem Golfplatz Ablenkung suchte und eine Gruppe um Sami Khedira bei einer Mountainbike-Tour abschaltete. „Das war eine gute Abwechselung“, berichtete der mitradelnde Götze. Der freie Tag war aus Sicht von Löw dringend erforderlich: „Wir sind jetzt vier Wochen zusammen, 24 Stunden am Tag.“

Löw hält konsequent Kurs. Einen Wechsel zur Dreier-Abwehrkette schloss er gegen Nordirland aus. Eine große Rotation ist auch nicht vorgesehen. Julian Draxler könnte aus der Startelf fliegen. Für Kapitän Bastian Schweinsteiger, der sich laut Löw „herangekämpft“ hat, und Torjäger Mario Gomez zeichnet sich eine dritte Partie als Ersatzkraft ab. „Wir sind keine Mannschaft, die die Brechstange benutzt. Wir müssen unsere hohe technische Qualität nutzen“, sagte am Sonntag sogar der einstige klassische Mittelstürmer Bierhoff.

Löw schenkt seinen noch nicht zündenden Offensivkräften Müller, Götze und Mesut Özil Vertrauen. „Ich glaube an ihre Fähigkeiten.“ André Schürrle, der Edeljoker, könnte neu in die Angriffsgruppe rutschen. Der Kader, den Löw zusammengestellt hat, eröffnet wenig Optionen. Zumal er die jungen Turnierneulinge wie Leroy Sané oder Joshua Kimmich nicht überfordern möchte. „Ein Spiel, wo es um so viel geht, ist eine andere Situation“, gab Löw deutlich zu bedenken.

Lieber bringt er die Brasilien-Helden in eine Bringschuld. Müller und Özil würden im Turnierverlauf „schon kommen“. Götze besitze die Fähigkeit, „fünf, sechs Gegenspieler mit einem Pass zu überspielen“. Eins-gegen-Eins-Spezialisten auf den Außenbahnen hat Löw nicht, zum Kombinationsspiel sieht er keine Alternative. Aber er fordert mehr Gier auf Tore, mehr Präsenz im Strafraum: „Wir hatten gegen Polen zu wenige Spieler in der Box, das war das Problem.“

Ein wenig interne Reibung soll zur Leistungsexplosion auf dem Platz beitragen. Löw lobte ausdrücklich das Verhalten von Abwehrchef Boateng, der die matte Offensivleistung angeprangert hatte. „Ich fand es gut, dass er nach dem Spiel die Dinge so klar angesprochen hat“, erklärte der Bundestrainer.

Die voraussichtliche Aufstellung:

Neuer - Höwedes, Boateng, Hummels, Hector - Khedira, Kroos - Götze, Özil, Schürrle - Müller

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