Löw: „Es gibt keinen Grund, alles infrage zu stellen“

Warschau (dpa) - Fragen an Bundestrainer Joachim Löw nach dem 1:2 im EM-Halbfinale gegen Italien und dem Ausscheiden aus dem Turnier.

Was ist falsch gelaufen gegen Italien, Herr Löw?

Löw: „In der ersten Halbzeit sind wir nach dem Gegentor etwas in Unordnung geraten, und so ist das zweite Tor der Italiener gefallen. Da waren wir zweimal in der Abwehr unaufmerksam. Dann war es schwierig, dass Spiel gegen die starken Italiener noch zu drehen. In der zweiten Halbzeit hat die Mannschaft ein großes Herz bewiesen. Trotz alledem ein Lob, wie sie zurückgekommen ist.“

Sie haben wieder mit personellen Umstellungen überrascht, war es am Ende ein Tick zu viel?

Löw: „Im Nachhinein hätten wir dieses oder jenes machen können. Mario Gomez hatte drei Tore in dem Turnier erzielt, war auch im Training sehr gut und nach dem Griechenland-Spiel sehr motiviert. Mit Toni Kroos wollten wir die Zentrale stärken gegen Pirlo und De Rossi. Bis zum 0:1 war das Spiel völlig ausgeglichen. Nach dem Gegentor sind wir nicht mehr ins Spiel gekommen. Zwangläufig mussten nach der Pause die Wechsel folgen. Wir mussten alles riskieren, mit neuen Spielern alles versuchen.“

Was bedeutet das Halbfinal-Aus für die Mannschaft?

Löw: „Grundsätzlich hatten wir zwei sehr gute Jahre. Die Mannschaft hat sich hervorragend entwickelt. Wir haben gegen eine wieder starke italienische Mannschaft verloren. Es gibt keinen Grund, etwas anzuzweifeln. Wir hatten die jüngste Mannschaft, haben trotz allem ein starkes Turnier gespielt. Wir haben in einer starken Gruppe alle Spiele gewonnen. Die Mannschaft wird auch diese Niederlage verkraften und sich weiterentwickeln.“

Wie haben Sie die Italiener gesehen?

Löw: „Wir wussten, die Italiener sind viel besser als 2010. Sie haben eine offensivere Philosophie, zwei überragend gute Stürmer und mit Pirlo einen hervorragenden Taktgeber. Sie spielen die Bälle schnell hinter die Abwehr, so ist auch das zweite Tor entstanden. Wenn sie dann in Führung liegen, sind sie sehr clever. Wir hätten früher das 1:2 machen müssen, das ist uns nicht gelungen. Italien war den Tick besser, das muss man so anerkennen. Mit den Torabschlüssen haben sie die Fehler ausgenutzt, die wir gemacht haben.“

Wir sehr ärgert es, dass der letzte Schritt wieder nicht geschafft wurde?

Löw: „Das ist ein normaler Entwicklungsprozess. Man kann den Titel jetzt nicht immer herbeireden. Spanien hat lange darauf gewartet. Wir haben alles versucht, alles gegeben. Die Mannschaft hat in der zweiten Halbzeit alles getan. Wir haben große Moral bewiesen. Bei den letzten vier Mannschaften ist die Luft ganz dünn, ein Moment der Unaufmerksamkeit kann genügen.“

Was bleibt nach dem Turnier?

Löw: „Grundsätzlich haben wir eine gute Entwicklung, das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben viele Nationen eingeholt in den vergangenen Jahren. Heute haben wir es versäumt, den letzten Schritt zu machen. Aber es wird andere Möglichkeiten geben.“

Bei der WM 2014? Wie geht es bis dahin weiter?

Löw: „Da kann man relativ wenig sagen. Das EM-Turnier muss man aufarbeiten. Brasilien ist ein ganzes Stück weg. Jetzt gibt es wieder die Qualifikation. Es waren einige junge Spieler bei der EM dabei, die Erfahrung gesammelt und gut gespielt haben wie Marco Reus. Andere wie Mario Götze haben auch gute Perspektiven. Da wird es personell keinen völligen Einschnitt geben. Wir haben eine ganz junge Mannschaft.“

Bekommen Sie alle Spieler wieder in die Spur?

Löw: „Alle sind jetzt irgendwie enttäuscht. Aber im Fußball geht es weiter. Alle werden die Motivation finden, sich neue Ziele zu setzen. Das Turnier wird von mir insgesamt positiv bewertet. Wir haben vier Spiele gewonnen und eins verloren. Die Mannschaft hat uns zwei Jahre viel Freude bereitet. Es gibt keinen Grund, alles infrage zu stellen. Wir waren 50 Tage zusammen, die Mannschaft war ehrgeizig, hochkonzentriert und respektvoll im Umgang untereinander.“

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