Ungarn - Portugal Superstar als Stimmungstöter

In einem außergewöhnlichen Ambiente in Budapest stellt Cristiano Ronaldo beim 3:0 für lange enttäuschende Portugiesen gegen tapfere Ungarn gleich wieder neue Rekorde au.

 Cristiano Ronaldo erzielte zwei Tore gegen Ungarn.

Cristiano Ronaldo erzielte zwei Tore gegen Ungarn.

Foto: dpa/Bernadett Szabo

Ein Alleinstellungsmerkmal ist Budapest schon mal nicht mehr zu nehmen: Am Dienstagabend hat in der Puskas-Arena die bislang stimmungsvollste EM-Partie stattgefunden. Am Ende wird vom zu hoch ausgefallenen 3:0 (0:0)-Arbeitssieg des Titelverteidigers Portugal gegen den Außenseiter Ungarn zum einen die neuen Rekordmarken eines Cristiano Ronaldo in Erinnerung bleiben, zum anderen aber auch die vollbesetzten Schalensitze mitten in der Pandemie. Den fünfmaligen Weltfußballer schien gerade die besondere Atmosphäre an diesem lauen Sommerabend anzustacheln. Lange konnten die mehr als 67.000 Zuschauer von einem Achtungserfolg der wacker kämpfenden Magyaren träumen, ehe Raphael Guerreiro glücklich zum 1:0 traf (83.). Danach verwandelte Superstar Ronaldo einen Strafstoß zum 2:0 (87.) und legte mit einem Solo noch zum 3:0 (90.+2) nach. „Das Wichtigste war es, zu gewinnen. Es war ein schwieriges Spiel gegen einen Gegner, der gut verteidigt hat“, sagte der Matchwinner hinterher. „aber wir haben drei Tore geschossen, und ich bin froh, dem Team mit meinen zwei Toren helfen zu können.“

Der Chancenwucher aus der ersten Halbzeit, an der sich auch die Ikone zeitweise beteiligt hatte, blieb damit folgenlos, doch Trainer Fernando Santos weiß, dass für das Duell gegen Deutschland am Samstag in München eine Leistungssteigerung erforderlich ist. „Wir müssen uns noch weiterentwickeln.“ Doch in der Not hilft eben oft noch der Torgarant Ronaldo. Der 36-Jährige steht nunmehr bei fünf EM-Teilnahmen, 22 Einsätzen und elf Toren – neue Rekordmarken für den Stimmungstöter von Budapest, der in der üblichen extravaganten Pose seinen Triumphzug bejubelte.

Einer der ersten Gratulanten war der lange tadellose Torhüter Peter Gulacsi, der über den Spielverlauf ziemlich enttäuscht war. „Mit etwas Glück hätten wir einen Punkt holen können“, sagte der Keeper von RB Leipzig, dessen Vereinskollege Willi Orban die Kugel vor dem 0:1 auch noch unglücklich abfälschte. Trainer Marco Rossi haderte hinterher erkennbar mit dem Resultat: „Aus dem Spiel war nicht abzulesen, dass Portugal drei Tore besser war. Unsere Jungs haben alles gegeben.“ Tatsächlich hätte sich der Außenseiter fast für belohnt, als sich nach einen Schuss Szabolcs Schön ins kurze Ecke viele Anhänger schon in den Armen lagen, aber der Treffer wegen einer Abseitsposition zu Recht nicht zählte (80.). Erst danach zog der Favorit die Zügel in der spektakulären Schlussphase an.

Für Portugals Trainer Fernando Santos hatte sich das Geduldsspiel abgezeichnet: „Immer mehr Teams sind gut organisiert.“ Nach einer umkämpften ersten Halbzeit mit Feld- und Chancenvorteilen für den Favoriten wurde das Publikum nach der Pause eher lauter als leiser – und auch ihre Lieblinge mutiger. Ungarns Auswahl stellte sich nach Schlusspfiff noch lange auf den Rasen, um sich eine Huldigung abzuholen. Warum neben der Nichteinhaltung aller Abstandsregeln durch die komplette Stadionöffnung gleich auch noch die Maskenpflicht ausgesetzt wurde, erschließt sich jedoch nicht wirklich. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Zutritt ins Areal nur Besuchern gewährt wurde, die eine Impfung oder überstandene Covid-19-Infektion nachweisen konnten.

Am fragwürdigsten wirklichen sicherlich die Bilder vor Anpfiff vor allem am Heldenplatz. Dort im Stadtwäldchen, einem der schönsten Anlaufpunkte der Donau-Metropole, ist eine Fanzone für 11.000 Menschen eingerichtet, doch waren doppelt so viele Anhänger dorthin hingeströmt. Die feiernde Meute zog unter eigenen Spielregeln die wenigen Kilometer Fußmarsch zur Arena. Vor allem die Ultras hinter dem ungarischen Tor sorgten für eine Geräuschkulisse, die der deutsche Stadionzuschauer aus einer verblassten Zeit noch aus Stimmungshochburgen wie Frankfurt, Köln oder Dortmund kannte. Ob das alles noch vertretbar war, wird wohl erst die Inzidenzentwicklung zeigen, die derzeit in Ungarn bei 9,9 liegt. Jeder zweite der knapp zehn Millionen Einwohner Ungarns ist vollständig geimpft. Mund und Nase schützten an diesem Tag nur noch Volunteers, Ordner oder Sicherheitskräfte – alle anderen wollten uneingeschränkt mit allen Sinnesorganen ein besonderes Fußballerlebnis auskosten.

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