Phasenweise desolat Deutschland-Pleite gegen Belgien: Wenn das System nicht funktioniert
Der Start desolat, dann wurde es etwas besser – doch der Härtetest gegen Belgien zeigt Deutschlands Nationalmannschaft die Grenzen auf.
Schon schön, diese Zahl. 999. Das Testspiel gegen Belgien am Dienstagabend war das 999. Männer-Länderspiel in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bunds. Eine Schnapszahl. Und Prost!
Oder lieber doch nichts drauf trinken? Denn gar nicht schön ist das Ergebnis - 2:3. Zu Beginn war es ein desolater Auftritt, dann wurde es besser, in Köln kam aber keine Schampus-Laune auf.
Nach dem ordentlichen Neustart beim 2:0 gegen Peru wollte die DFB-Elf den nächsten Erfolg auf dem Test-Weg zur Heim-Europameisterschaft 2024 feiern, der Gegner war jedoch ein ganz anderes Kaliber. Belgien, als Vierter in der Weltrangliste deutlich vor der deutschen Mannschaft (Rang 14) platziert, erteilte Hansi Flicks Auswahl 25 Minuten lang Anschauungsunterricht in Sachen 1a-Niveau. „Sie sind fußballerisch eines der besten Teams, haben herausragende Fußballer in ihren Reihen und wissen in der Offensive im Ballbesitz zu überzeugen“, sagte der Bundestrainer vorab. Recht hatte er.
Schon nach neun Minuten stand es 0:2 durch Yannick Carrasco und Romelu Lukaku. Und es hätte noch viel schlimmer kommen können. Immerhin verkürzte Niclas Füllkrug - wer sonst? - per Handelfmeter (44.) auf 1:2. Als Timo Werner zum vermeintlichen 2:2 traf (59.), stand er im Abseits. Deutschland wurde deutlich stärker. Aber nicht gut genug für ein Remis oder gar einen Sieg. Kevin De Bruyne sorgte mit dem 1:3 (78.) für eine kalte Dusche. Das 2:3 (87.) von Serge Gnabry kam zu spät.
Bei den in Katar ebenfalls enttäuschenden Belgiern gibt es einen Booster-Effekt durch den Italo-Schwaben Domenico Tedesco. „Neuer Trainer, neuer Spirit“, sagte Flick.
Apropos Spirit. Der Geist des Neubeginns nach der verpatzten WM ist beim DFB ein großes Thema. An der Brüstung der Kölner Südtribüne hing ein Banner, drauf stand ein Satzfragment: „…führt zu Erfolg - auf geht’s zum neuen Sommermärchen 2024“. Was aber ist der entscheidende Erfolgsfaktor? Geld? Schönes Wetter? Ein perfekt diagonal abkippender Sechser? Nein. In kompletter Tribünenbreite waren auf dem Oberrang schwarz auf weiß fünf Riesenbuchstaben zu sehen, gebildet aus Folien-Rechtecken, die die Fans in die Höhe hielten: WILLE. Mit absoluter Zielstrebigkeit soll aus Wunschdenken Wirklichkeit werden, soll die Heim-EM möglichst ein emotionales Abziehbild der Schland-Stimmungs-WM 2006 werden.
Aus der Schublade der Bundesliga-Mentalitätsspieler hatte Bundestrainer Hansi Flick den Dortmunder Rechtsverteidiger Marius Wolf herausgeholt. Beim 2:0 gegen Peru feierte der Spätberufene (schon 27 Jahre alt) sein Debüt als Nationalspieler. Im Duell mit den Belgiern war er wieder in der Startelf dabei. „Marius hat einen guten Start gehabt, jetzt muss er diese Leistung bestätigen“, sagte Flick.
Aber das klappte überhaupt nicht. Vor dem ersten Tor der Belgier durch Yannick Carrasco (6.) sah Wolf ganz schlecht aus, weil ihn Linksaußen Carrasco mit einem kurzen Haken komplett aus dem Spiel genommen hatte. Vor dem 0:2, das Romelu Lukaku erzielte (9.), war Wolf einer von mehreren deutschen Spielern, die viel zu passiv agierten. In der Schlussphase gab Josha Vagnoman vom VfB Stuttgart sein Nationalmannschafts-Debüt auf Wolfs Position.
Von Hansi Flicks Vorgabe, in der Verteidigung stabiler zu stehen als bei der WM in Katar, war anfangs gar nichts zu sehen. Belgien machte die DFB-Elf mit viel Tempo regelrecht lächerlich. 0:3, 0:4? Absolut möglich.
Das belgische Offensivspiel war phasenweise grandios. Das neue Flicksche 4-2-2-2-System mit der Angriffs-Doppelspitze, erneut mit Niclas Füllkrug und Timo Werner in der Startelf, funktionierte nicht. Füllkrug hatte beim 2:0 gegen Peru beide Tore erzielt. Auch diesmal traf er. In der 44. Minute verwandelte der Bremer einen Handelfmeter. Sein sechstes Tor im sechsten Länderspiel. Da hatte der Bundestrainer die Ordnung in seinem Team aber schon geändert, weil fast nichts funktionierte.
Im Juni wird das 1000. Länderspiel der DFB-Geschichte stattfinden. Das ist eine beeindruckende Zahl. Da könnte man durchaus drauf anstoßen. Aber warten wir mal lieber das Ergebnis ab.