Dauerthema Wettskandal: Unruhe im Fußball

Bochum (dpa) - Geständige Zocker, spielsüchtige Profis, pikante Details - der Wettskandal wird für den Fußball mehr und mehr zum unliebsamen Dauerthema. Ein Ende der Schlagzeilen über mafiöse Strukturen und die Diskussion über grundlegende Systemprobleme ist lange nicht in Sicht.

Der Prozess vor dem Bochumer Landgericht, bei dem sich vier mutmaßliche Betrüger verantworten müssen, dürfte nur der Auftakt zu einem juristischen Marathon sein. Schließlich tun sich in den rund 14 000 Seiten umfassenden Ermittlungsakten der Staatsanwalt noch mehr Abgründe auf.

Alle Hoffnungen, das Thema hätte sich mit den Urteilen im Schiedsrichter-Skandal um Robert Hoyzer 2005 erledigt, erwiesen sich als Wunschdenken. Die abschreckende Wirkung der in Berlin ausgesprochenen Haftstrafen hielt sich in Grenzen. Nur wenige Monate nachdem der damals mitverurteilte Ante Sapina das Gefängnis verlassen hatte, setzte er wieder auf angeblich manipulierte Fußballspiele. Dabei habe er monatlich eine Million Euro für Sportwetten ausgegeben und auf 30 Spiele pro Tag und eine manipulierte Partie pro Woche gesetzt.

Mit seiner Aussage vor dem Bochumer Landgericht gewährte der „Zockerkönig“ tiefe Einblicke in das Milieu. Demnach war die Rollenverteilung bei vielen Manipulationsversuchen weniger eindeutig als gemeinhin vermutet. Mancherorts sollen nicht nur die Wettpaten als Hauptdarsteller aufgetreten sein. In ihrem Werben um willfährige Profis, die zu einer Spielmanipulation animiert werden sollten, hatten sie offenbar allzu oft leichtes Spiel.

So belastete Ante Sapina den ehemaligen Osnabrücker Profi Thomas Cichon schwer: „Er war für mich der Häuptling.“ Deshalb sei nur auf Spiele gesetzt worden, bei denen Cichon auf jeden Fall auf dem Platz gestanden habe. Der Profi selbst bestreitet die Vorwürfe. Sapina bestätigte allerdings auch ein persönliches Treffen mit Cichon.

Mit seiner Zockerleidenschaft scheint Cichon kein Einzelfall gewesen zu sein. „Es gibt viele Fußballer, die ihre komplette Freizeit im Wettbüro verbringen“, hatte der Mitangeklagte Marijo C. vor dem Bochumer Gericht ausgesagt. Das jüngste Geständnis des früheren St.-Pauli-Stürmers René Schnitzler, seit seinem 18. Lebensjahr spielsüchtig zu sein und 100 000 Euro vom ominösen Wettpaten „Paul“ erhalten zu haben, passt ebenfalls in das Bild. In einem Fall soll sogar ein Junioren-Spieler von Arminia Bielefeld von sich aus die Zocker zu einem Spieleinsatz bei asiatischen Buchmachern animiert haben.

Auch im Schiedsrichter-Bereich bereitete die Akquise von Helfern mitunter wenig Mühe. Laut Sapina soll ein Referee die Manipulation des WM-Qualifikationsspiels zwischen Liechtenstein und Finnland (1:1) am 9. September 2009 versprochen haben. Wie bei dem konspirativen Treffen auf einem Hotel-Parkplatz in Sarajevo vereinbart, seien beide Tore in der zweiten Hälfte gefallen.

Dieser Fall dokumentiert, wie weit der Einfluss der Wettmafia mittlerweile zu reichen scheint. Schließlich ging es nicht nur um Geld, sondern auch um ein Karriereversprechen. Ein ebenfalls involvierter Schiedsrichterobmann der UEFA sollte nach Aussage von Sapina für eine Höhergruppierung des korrupten Unparteiischen in der Rangliste des Verbandes sorgen.

Vieles von dem, was Ende November 2009 mit einer Verhaftungswelle durch die Sonderkommission „Flankengott“ begann, liegt noch immer im Dunkeln. Doch vor dem Gericht in Bochum kommen mehr und mehr bedenkliche Vorgänge ans Licht. Fünf Verhandlungstage waren ursprünglich angesetzt, am 6. Januar ging es bereits in die zwölfte Runde.

Mit der für die kommenden Wochen erwarteten Urteilsverkündung ist das Thema Wettskandal noch lange nicht abgeschlossen. So gab Staatsanwalt Andreas Bachmann am Rand des Verfahrens bekannt, dass in Kürze mit einer Anklage gegen Sapina zu rechen sei. Dem vermeintlichen Wiederholungstäter wird vorgeworfen, an der Manipulation von weitaus mehr Spielen beteiligt gewesen zu sein als die vier derzeit Angeklagten.

Damit droht ein weiterer Prozess, der umfangreicher und brisanter als der aktuelle werden dürfte. „Wenn man bedenkt, dass gegen 300 Leute ermittelt wird und momentan nur vier Leute vor Gericht stehen, wird klar, wie viel Arbeit noch vor uns liegt“, sagte Bachmann.

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