Immer öfter kommen junge Talente aus dem Ausland Die meisten Erstligisten sind die Totengräber der Nationalteams

Meinung · Die meisten Fußball-Erstligisten kümmern sich um ihre Kasse, verpflichten junge Spieler aus dem Ausland´, um sie teuer weiterzuverkaufen. Ihr eigener Nachwuchs interessiert weniger.

 Trainer Stefan Kuntz ist frustriert: Sein Olympia-Team des DFB ist nicht weit gekommen. Warum nur?

Trainer Stefan Kuntz ist frustriert: Sein Olympia-Team des DFB ist nicht weit gekommen. Warum nur?

Foto: dpa/Swen Pförtner

WM-Aus nach der Vorrunde, EM-Aus im Achtelfinale, nun das Olympia-Aus nach der Vorrunde. Die deutschen Nationalmannschaften sind meist nur noch Mitläufer statt Titelanwärter. Daran ändert auch der sensationelle Gewinn der U21-EM wenig. Der war ein Triumph des Willens, weniger des Könnens – und war zum großen Teil den Motivationskünsten von Trainer Stefan Kuntz zu verdanken. Hinzu gesellte sich der glückliche Umstand, dass die anderen Teams ihre besten Talente an die A-Mannschaften für die nachgeholte Euro 2020 abgegeben hatten. Nein, wer glaubt, dass dem deutschen Fußball ob der Erfolge der U21 vor der Zukunft nicht bange sein muss, der verkennt die Wahrheit. Von den erfolgreichen Teams aus 2017 und 2019 hat es mit Serge Gnabry lediglich ein einziger Spieler in die A-Auswahl des DFB geschafft. Wie sollen es die anderen auch, wenn sie fast allesamt bei ihren Vereinen in Mainz, Köln oder Bielefeld nur im Mittelmaß der Bundesliga tätig sind.

Die Spitzenclubs der Bundesliga verweigern auf ihrem höheren Niveau die Aus- und Weiterbildung des deutschen Nachwuchses. Immer öfter. Immer deutlicher. Stattdessen werden vorausgebildete Talente aus dem Ausland geholt, wie die Transfer-Übersichten zunehmend belegen. Nach zuvor Sancho, Haaland und Bellingham verpflichtete Dortmund nun in diesem Sommer Soumaila Coulibaly (17) sowie Abdoulaye Kamara (16) aus der U19 von Paris St. Germain. Gladbach freut sich über den US-Amerikaner Joe Scally (18) und lockt William Pacho (19) aus Ecuador. Leverkusen hat im Dänen Zidan Sertdemir (16), in Odilon Kossounou (20) von der Elfenbeinküste sowie in Iker Bravo (16) gleich drei Hochbegabte präsentiert. Nicht anders sieht es hinter den Grenzen von NRW aus – in Leipzig, Wolfsburg, Frankfurt oder bei Hertha BSC Berlin wird nach gleichem Muster verfahren. Natürlich können die Talente aus aller Welt die Liga fußballerisch wie kulturell bereichern, sie können ihren Vereinen bei einem Verkauf hohe Transfererlöse bringen, nur eines können sie nicht: für deutsche Nationalmannschaften spielen.

Diese kümmert die meisten Bundesligisten wenig. Mit der fehlenden Bereitschaft zur Abstellung von Akteuren für das Olympia-Team haben sie endgültig ihre Masken fallen und die hässlichen Fratzen des Vereins-Egoismus zum Vorschein kommen lassen. Überdies ist ihre Philosophie für die Zukunft der DFB-Teams komplett kontraproduktiv. Statt sich die Mühe zu machen, Kinder für Fußball zu begeistern und sie von der U9 über die U11 und U13 immer näher an den Profi-Fußball heranzuführen, wird lieber nach der Methode „Kaufen-teurer verkaufen-neu einkaufen“ verfahren. So lässt sich sportlicher wie wirtschaftlicher Erfolg natürlich viel leichter erzielen. Aber: So gerät der deutsche Nachwuchs immer weiter ins Hintertreffen. Bereits vor der Pandemie verpasste die U17 die WM, die U19 gar zweimal die EM. Die A-Mannschaft kämpft aktuell punktgleich mit Nordmazedonien und drei Zähler hinter Armenien liegend um die WM-Qualifikation. Jogi Löw mag Fehler gemacht haben, wegen mangelndem Personal waren ihm jedoch ebenso die Hände gebunden wie sie es Hansi Flick sein werden. Die wahren Totengräber der deutschen Nationalmannschaften sind die Sportdirektoren fast aller Bundesliga-Vereine. Mit wenigen Ausnahmen.

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