Schalke zeigt Königsklassen-Gesicht - Jetzt nachlegen

Basel (dpa) - Es war schon weit nach Mitternacht, der Rest des Teams längst im Hotel, als Matchwinner Julian Draxler noch die letzten Interviews in den Katakomben des St.-Jakob-Parks gab. Das hatte einen simplen Grund.

Der Jungnationalspieler und Felipe Santana waren für die Dopingkontrolle ausgelost worden. Und dabei lief es nicht so rund wie in den 90 Minuten zuvor beim 1:0-Sieg im Champions-League-Spiel beim FC Basel. „Mit unserer Leistung heute kann man zufrieden sein“, analysierte der 20-Jährige, der in der 54. Minute mit einem Schuss aus gut 20 Metern, Marke Traumtor, für die Entscheidung in der hartumkämpften Partie gesorgt hatte.

Als Spitzenreiter der Gruppe E hat Schalke nach den Siegen gegen Bukarest (3:0) und Basel vor den zwei Duellen mit Gruppenfavorit FC Chelsea eine perfekte Ausgangsbasis. Trainer Jens Keller war „wahnsinnig glücklich, dass wir mit sechs Punkten in die Gruppenphase gestartet sind“. Anders als zuletzt in der Bundesliga zeigte das Revierteam, was es zu leisten vermag. Dass es auch über 90 Minuten engagiert und konzentriert zu Werke gehen kann.

„Wir haben gut verteidigt, wenig Chancen zugelassen. Die ganze Mannschaft hat das sehr gut gemacht“, kommentierte Keller. Auch ihm ist es ein Rätsel, warum in der Königsklasse klappt, was im Ligabetrieb in dieser Saison bislang meist nur über die halbe Distanz gelang. „Wenn ich das wüsste, würden wir es sofort abstellen. Dann hätten wir den Schalter auch in der Bundesliga schon umgelegt.“ Fakt sei, monierte Draxler, dass in den Liga jeder „ein, zwei Prozent“ weniger gebe.

Ob die Freistellung von Jermaine Jones für dieses Spiel nun den beabsichtigten Effekt hatte oder das Team von sich aus auf der großen Fußball-Bühne mehr Konzentration und Siegeswillen präsentiert, blieb offen. Timo Hildebrand zeigt sich über die „zwei Gesichter“ jedenfalls genervt. „Wir wären froh, wenn wir auch Bundesliga könnten“, sagte der Torhüter, der gegen den Schweizer Meister selten gefordert war, in der 77. Minute aber mit einer guten Parade gegen Giovanni Sio den Ausgleich verhinderte.

Im Heimspiel gegen den FC Augsburg müsse man nun unbedingt eine ebenso konzentrierte und engagierte Leistung abrufen, um Boden gut zu machen. Denn, so Hildebrand, „wenn wir Samstag in der Bundesliga verlieren, ist wieder alles schlecht“. Horst Heldt räumte ein, dass die Spieler „keine Maschinen“ seien, verlangt von den Profis aber immer zumindest vollen Einsatz, Leidenschaft und Willen über 90 Minuten. „Das müssen sie liefern. Sie haben ja gemerkt, dass sie dann auch erfolgreich sind.“ Der Manager mochte die Auswirkungen der „Denkpause“ für Jones („Er ist kein Bauernopfer“) auf das Engagement des gesamten Teams am Dienstagabend nicht beurteilen.

„Das müsst ihr tun“, entgegnete er den Medienvertretern. „Ich kann nur feststellen: Heute habe ich eine sehr konzentrierte Leistung gesehen. Und beide Innenverteidiger hatten eine sehr gute Körpersprache“, lobte er Kapitän Benedikt Höwedes und den für Joel Matip in die Abwehr gerückten Santana. Trotz seines tollen Tores („Von zehn Bällen triffst du im Training vielleicht drei genau so.“) sah Draxler auch bei sich persönlich noch großes Steigerungspotenzial. „Ich hing in der ersten Hälfte ein bisschen in der Luft und hatte gefühlt fünf Ballkontakte. Ich weiß, dass ich deutlich besser spielen kann“, sagte er selbstkritisch.

So recht hat Draxler sich auch noch nicht damit abgefunden, dass er zurzeit wieder auf der linken Offensivseite spielen muss, weil entweder der 18-jährige Max Meyer oder Kevin-Prince Boateng die Kreativzentrale besetzen. Aber im Dienst der Mannschaft muckt Draxler nicht auf, scherzt sogar über seine ungeliebte Rolle, in der er weniger Einfluss auf das Spiel hat. „Ich habe ja schon oft gesagt, dass ich mich zentral am wohlsten fühle. Aber irgendwie will mich da keiner sehen.“ Sagte und folgte dem Aufruf des wartenden Kollegen Santana: „Jule, bist du fertig? Dann können wir jetzt losfahren.“

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