Champions League Klopp führt Liverpool auf Europas Thron

Madrid · Jürgen Klopp hat es geschafft. Nach sechs verlorenen Endspielen holt er mit Liverpool die Champions League. Es ist der erste Titel für die Reds in der Ära Klopp. Ein frühes Elfmetertor von Salah und ein später Treffer von Origi entscheiden ein ansonsten schwaches Spiel.

 Trainer Jürgen Klopp (oben) von Liverpool wird von seinen Spielern nach dem Sieg in die Höhe geworfen.

Trainer Jürgen Klopp (oben) von Liverpool wird von seinen Spielern nach dem Sieg in die Höhe geworfen.

Foto: dpa/Jan Woitas

Zur Kulthymne „You'll never walk alone“ stemmte Jürgen Klopp den Henkelpokal in den Nachthimmel von Madrid und schrie seine Freude heraus. Dann wurde er von seinen Liverpooler Spielern zur Fankurve getragen und in die Höhe geworfen. „Unglaublich. Ich finde keine Worte, ich bin sprachlos. Ich war in so vielen Finals und habe sie verloren. Das ist für meine Familie, für die Fans. Sie mussten so lange leiden“, sagte Klopp mit heiserer Stimme und Tränen in den Augen, nachdem er den FC Liverpool zum lang ersehnten Champions-League-Titel geführt hatte. In einem schwachen Endspiel von Madrid siegte der Favorit am Samstag mit 2:0 (1:0) gegen den englischen Premier-League-Rivalen Tottenham Hotspur.

Ein frühes Elfmetertor von Mohamed Salah (2. Minute) und ein später Treffer von Divock Origi (87.) bescherten den Reds nach zwei verlorenen Europacup-Endspielen 2016 und 2018 sowie dem zweiten Platz in der englischen Meisterschaft die verdiente erste Trophäe der Ära Klopp und den sechsten Erfolg im wichtigsten Vereinswettbewerb insgesamt. Als der Triumph perfekt war, erwies sich Klopp als fairer Sportsmann. Er umarmte seinen Gegner Mauricio Pochettino, schlug sich mit der Faust auf das Herz - und umarmte erst danach jeden einzelnen seiner Spieler. „Das war nicht das beste Spiel von Tottenham, nicht das beste von Liverpool“, sagte der Coach.

Das Motto für die Nacht gab der starke Verteidiger Joel Matip vor. „Es wird nicht geschlafen“, sagte der Ex-Schalker: „Das ist ein geiler Moment. Darauf haben wir ein Jahr hingearbeitet.“ Ähnlich sah es Superstar Salah: „Alle sind glücklich. Wir haben alles gegeben. Es war keine großartige individuelle Leistung, aber das Team war unglaublich. Ich habe so viel geopfert in meiner Karriere. Das ist unglaublich für mich.“

Vor 63 272 Zuschauern im Stadion Wanda Metropolitano gab der slowenische Schiedsrichter Damir Skomina schon nach 24 Sekunden einen Handelfmeter für Klopps Team. Tottenhams Moussa Sissoko hatte seinen Arm viel zu weit vom Körper weggestreckt, Liverpools Sadio Mané schoss ihn im Strafraum an. Auf das zweitschnellste Endspieltor der Champions-League-Historie nach Paolo Maldinis Treffer 2005 für den AC Mailand fanden die Spurs 90 Minuten lang keine Antwort. Für so ein großes Finale war das Team aus London alles in allem zu schwach. Als die Spurs sehr spät alles nach vorne warfen, entschied Origi das Spiel.

371 Tage nach der bitteren Finalpleite von Kiew gegen Real Madrid (1:3) war diesmal Klopp dran. Vergessen sind die sechs verlorenen Endspiele mit Borussia Dortmund und Liverpool. „Es ist ein Kindheitstraum wahr geworden. Das ist unglaublich“, sagte Liverpool-Torhüter Alisson und Torschütze Origi fügte hinzu: „Das ist etwas Besonderes. Es war ein hartes Spiel. Wir haben gegen ein starkes Team gespielt, aber wir waren auch stark. Es kann sich im Fußball schnell drehen.“

Bevor das 64. Königsklassen-Finale angepfiffen wurde, gab es aber zunächst einen traurigen Anlass. Zu Ehren des früheren spanischen Nationalspielers José Antonio Reyes, der am Samstag im Alter von nur 35 Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückte, wurde eine Schweigeminute abgehalten.

Danach erlebten die Fans einen furiosen Start in das erste rein englische Champions-League-Finale seit 2008, als Skomina auf den Punkt zeigte. Die Video-Schiedsrichter, zu denen auch der deutsche Referee Felix Zwayer gehörte, sahen keinen Grund einzuschreiten. Salah, im vergangenen Jahr noch eine tragische Figur im Finale aufgrund seiner Verletzung, hämmerte den Ball zur Führung ins Tor.

Das frühe Tor änderte quasi das Drehbuch des Spiels komplett. Tottenham, das schon in den Rückspielen im Halb- und Viertelfinale einem frühen Rückstand hinterherlaufen musste, war nun gezwungen zu reagieren. Kein einfaches Unterfangen gegen die gut organisierte Abwehr der Reds, die immerhin die beste in der abgelaufenen Premier-League-Saison war.

Da half auch das Comeback von Kapitän Harry Kane nicht. Der Stürmerstar hatte seine Knöchelverletzung rechtzeitig auskuriert und war anstelle des Halbfinal-Helden Lucas Moura (drei Tore gegen Ajax Amsterdam) ins Team gerückt. Doch Kane wirkte nicht wirklich spritzig und war beim früheren Bundesliga-Profi Joel Matip bestens aufgehoben. Nicht anders war es auf der Gegenseite, wo der genesene Roberto Firmino schwach spielte und kurz nach der Pause entsprechend für Divock Origi, dem zweifachen Torschützen beim 4:0 gegen Barcelona, Platz machen musste.

Es entwickelte sich ein taktisch geprägtes Spiel. Dafür kannten sich beide Mannschaften zu gut. Vom Spektakel der beiden Halbfinal-Kracher war die Partie weit entfernt. Insgesamt wirkte Liverpool reifer, wenngleich der Unterschied nicht so groß wie die 26 Punkte Abstand in der Premier-League-Tabelle war. Die Klopp-Elf ließ in den ersten 45 Minuten nicht eine echte Torchance zu, hatte auf der Gegenseite aber auch nur einen gefährlichen Schuss durch Andrew Robertson (38.).

Auch im zweiten Durchgang lebte das Spiel mehr von der Spannung als von der Qualität. Eine Passquote von zwischenzeitlich nur 68 Prozent konnte Klopp nicht gefallen. Die Spurs, die mehr Ballbesitz-Anteile hatten, scheuten lange das Risiko, und hatten entsprechend kaum Abschlüsse. Ein abgeblockter Schuss von Dele Alli gehörte noch zu den gefährlicheren Aktionen (54.). Mit der Einwechslung von Moura gab Tottenhams Trainer Mauricio Pochettino das Signal zur Offensive. Erst mit halben Chancen wie bei Alli (73. und 79.). Dann musste Liverpools Keeper Alisson gegen Heung-min Son, Moura (jeweils 80.) und Christian Eriksen (85.) parieren. Die Strafe folgte auf der Gegenseite, als Origi aus halblinker Position eiskalt traf.

(dpa)
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