Nach Sammer-Absage: Reinhardt begehrt auf

Hamburg (dpa) - Nach der Sammer-Absage ist Sportchef Bastian Reinhardt beim Hamburger SV zum Angriff übergegangen. Ganz nach der Devise: Der brave Reinhardt war gestern, jetzt herrscht klare Kante.

Weil DFB-Sportchef Matthias Sammer in letzter Minute vor dem ausgehandelten und unterschriftsreifen Vertrag Reißaus nahm, sieht sich der 35-Jährige in ungewohnt starker Position. „Jetzt bin ich der alte und neue Sportchef und werde den Posten so ausüben wie ich das für richtig halte. Ich erwarte vom Verein Rückendeckung. Die werde ich jetzt einfordern“, formulierte er mit fester Stimme nach der Hiobsbotschaft aus Frankfurt, die für ihn keine war.

Nach dem Theater der vergangenen Wochen ist der Sympathieträger, der schon als Profi ein gesuchter Gesprächspartner war, mit seiner Geduld am Ende. „Ich werde das in den nächsten Wochen nicht mehr mit mir machen lassen“, drohte der am 25. Mai vergangenen Jahres ins Amt beförderte einstige Abwehrspieler. „Da werden mich einige kennenlernen.“

Von Aufsichtsrat und Vorstand, die nach der Absage Sammers wie paralysiert waren, gab es keinerlei Widerrede. Mehr noch. Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff hat Reinhardt in einem ersten Gespräch kleinlaut grünes Licht gegeben: „Er wird seine Arbeit so weitermachen wie bisher.“

Die Frage ist, ob das überhaupt möglich ist. Zu oft war die Rede von Defiziten im sportlichen Bereich, erging die Forderung nach einer „absoluten Kompetenz in Sachen Sport“, wie Vorsitzender Bernd Hoffmann formulierte. Reinhardt sollte ursprünglich Sammers Assistent werden, damit er lernen, sich profilieren könne.

Nun muss die Vereinsführung die Rolle rückwärts plausibel erklären. Motto: Du bist der Richtige, weil kein anderer da ist. Sportchef Reinhardt ist durch die Politik von Aufsichtsrat und Vorstand erheblich beschädigt. Selbst Trainer Armin Veh hat Bedenken. „Basti ist 35. Es ist schwer für ihn. Er braucht Zeit, sich zu profilieren.“

Der Aufsichtsrat, der bei der Sportchefsuche seit Sommer 2009 von Ohrfeige zu Ohrfeige eilt, ist bis auf die Knochen blamiert. Der Fehler, die Verhandlungen trotz Einverständnisses Sammers - wie Rieckhoff betont - der Öffentlichkeit preiszugeben, mag der Ehrlichkeit des auf vier Positionen neu besetzten Zwölf-Mann-Gremiums geschuldet sein. Naiv war sie allemal.

DFB-Sportdirektor Sammer verteidigte seine Absage an den HSV. Im Interview mit dem Sender „Sky“ machte er erneut vor allem die HSV-Vorderen für das Scheitern verantwortlich. „Fakt ist, dass die Situation bis zum Dienstagabend kontrollierbar war und danach war sie es nicht mehr“, sagte er. Er habe mit dem HSV „inhaltlich gute, konstruktive Gespräche geführt“.

Spekulationen, er könne doch noch den DFB verlassen, entgegnete er. „Wenn ich mich zum DFB bekenne, dann mit allen Konsequenzen“, erklärte Sammer. „So eine Entscheidung, vom DFB wegzugehen, mit allen Facetten, ist eine Lebensentscheidung“, ergänzte der 43-Jährige. Er habe im DFB einen „wunderbaren Arbeitgeber“.

Der frühere HSV-Manager Günter Netzer kritisierte das „übertriebene Mitteilungsbedürfnis“ der Hamburger als schädlich. Sammer kreidete er an, „seine Hausaufgaben nicht gemacht“ zu haben, weil er in den Verhandlungen nicht auf die „höchste Priorität“ des Familieneinverständnisses hingewiesen habe.

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