Abschied mit der Schale Karriere für die Ewigkeit - „Weltfußballer“ Lahm sagt Servus

München (dpa) - Wie Philipp Lahm in seine erste Woche als Privatier startet, weiß der Weltmeister schon ganz genau.

Abschied mit der Schale: Karriere für die Ewigkeit - „Weltfußballer“ Lahm sagt Servus
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„Am Montag werde ich um 7 Uhr von meinem Sohn Julian geweckt, später geht es Richtung Kindergarten. Ich werde anschließend zur Säbener Straße fahren und meinen Spind räumen“, sagte Lahm, der am Wochenende eine Karriere für die deutsche Fußball-Ewigkeit beenden wird. „Am Montag hat auch meine Mutter Geburtstag, dann steht also die nächste Feier an.“

Bevor aber Mama Daniela gefeiert wird, darf der Weltmeister-Kapitän ein Abschiedswochenende voller Emotionen genießen. Noch einmal auflaufen, siegen, die Meisterschale in die Höhe recken, rauf auf den Rathausbalkon, rein in die interne Clubfeier und und und. Jeden klitzekleinen Augenblick will Lahm in den letzten Momenten einer Bilderbuch-Laufbahn auskosten. „Wir dürfen uns freuen, wir dürfen traurig sein“, erklärte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor dem „Servus“ einer Bayern-Größe. „Philipp - auch wenn Du diesen Titel offiziell nie getragen hast, warst Du ein Weltfußballer über viele Jahre.“

Als der Nachwuchsmann Lahm beim bedeutungslosen Champions-League-Spiel am 13. November 2002 der bereits ausgeschiedenen Münchner gegen RC Lens eingewechselt wurde, konnte niemand wissen, wie groß diese Karriere werden würde. Lahms Augen blitzten, als er am Donnerstag in München noch einmal über diesen besonderen Augenblick schwärmte. „So was bleibt einfach in Erinnerung“, sagte der 33-Jährige und zählte weitere große Momente wie den Champions-League-Triumph und das Triple 2013 sowie das verlorene „Finale dahoam“ im Jahr 2012 auf.

Acht deutsche Meisterschaften, sechs DFB-Pokalsiege, der Erfolg bei der Club-WM 2013 und als Krönung eben das Triple 2013 stehen in der einzigartigen Vita Lahms. „Ich habe nie für irgendwelche Rekorde gespielt. Ich habe immer gespielt, um erfolgreich zu sein“, erklärte Lahm. Das tat er auch im DFB-Trikot, in dem er als Weltmeister im 113. Länderspiel zu den größten deutschen Fußballern überhaupt aufstieg. Am Morgen nach dem Endspiel teilte er Bundestrainer Joachim Löw die Entscheidung mit, die DFB-Laufbahn auf dem Höhepunkt zu beenden. Typisch Lahm.

Der 33-Jährige war schon immer ein Selbstbestimmer, und so ist das Karriereende ein Jahr vor Auslaufen seines Vertrags fast folgerichtig. Jetzt tritt er in einer starken Position zurück, auch wenn ihn Trainer Carlo Ancelotti gerne als „neuen Paolo Maldini“ bis ins Alter von 40 Jahren auf dem Platz behalten hätte. Aber so tickt Lahm nicht. Geldverdienen in einer Altherren-Liga oder ein Karriereende à la Bastian Schweinsteiger in den USA kommt für den Unternehmer nach mehr als 500 Bayern-Spielen nicht in Frage. Den langjährigen Kumpel, nur mit Thomas Müller stand er im Club öfters zusammen auf dem Platz, will er auf jeden Fall mal in den USA besuchen. Dann steht bestimmt auch eine Partie Golf an.

Die Sehnsucht auf ein selbstbestimmtes und nicht vom Fußball geleitetes Leben ist bei Lahm riesengroß, das ist dem Vater von bald zwei Kindern schon länger anzumerken. „Erst einmal mache ich mit meiner Familie Urlaub und lebe frei in den Tag hinein. Doch ich werde mir einen Tag setzen und den für mich als Startschuss in mein neues Leben definieren“, sagte Lahm, der sich trotz eines abgelehnten Sportdirektorenposten beim FC Bayern eines Tages eine Rückkehr vorstellen kann. „Man weiß nie, was kommt. Erst mal möchte ich Abstand gewinnen nach 22 Jahren FC Bayern mit einer kurzen Auszeit in Stuttgart“, sagte Lahm. Der Weg zurück zum Rekordmeister steht ihm aber weiter offen.

„Er gehört auf jeden Fall in die Jahrhundertelf des FC Bayern“, sagte der frühere Nachwuchstrainer und aktuelle Bayern-Assistent Hermann Gerland. Gerne erzählt Gerland immer wieder die kuriose Geschichte, wie schwierig es war, Lahm in die Bundesliga zu bringen. „Es waren renommierte Trainer dabei, die abgewunken haben. Erst Felix Magath hat zugegriffen“, erinnerte Gerland auch dieser Tage wieder. Aus Stuttgart kam Lahm gereift zurück und stieg zu einem großen Anführer der Bayern auf. „Dieser Verein hat Legenden wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Uli Hoeneß, Kalle Rummenigge. Philipp Lahm ist auf diesem Niveau“, rühmte der ehemalige Bayern-Coach Pep Guardiola.

Als Lahm seine Karriere begann, hatten Alphatiere wie Oliver Kahn oder Michael Ballack das Sagen. Der nur 1,70 Meter große Lahm ist auch nicht weniger einflussreich, doch er prägte in seiner Generation einen anderen Führungsstil. Allerdings auch meinungsstark und durchaus geltungsbewusst: Die vom verletzten Michael Ballack für die WM 2010 übernommene DFB-Kapitänsbinde gab er nicht mehr her. Der Allrounder hat eine Generation geprägt, ohne der überschwängliche gefeierte Held auf den Pausenhöfen oder in den Fankurven zu sein.

Beim großen Spektakel ließ der „Mr. Konstanz“ gerne anderen den Vortritt. Das drückte Lahms auch perfekt noch einmal mit seinem Wunsch aus, wie er gerne in der Erinnerung bleiben will. „Ich hoffe, dass mich die Fans als einen guten Fußballspieler in Erinnerung behalten, der über das eine oder andere Jahr ordentlich Fußball gespielt hat auf einem sehr guten Niveau. Nicht mehr und nicht weniger, genau das war ich eigentlich, würde ich von mir behaupten.“

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