Fan-Wut Der HSV im Abschiedsmodus

Hamburg (dpa) - Die Hoffnung stirbt schon jetzt. Der Hamburger SV hat nach der 1:2-Heimpleite gegen Bayer Leverkusen und dem zehnten sieglosen Spiel in Serie kaum noch Argumente für den Verbleib im Fußball-Oberhaus.

Fan-Wut: Der HSV im Abschiedsmodus
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Die schlechteste Bilanz in der Geschichte des Dauer-Bundesligisten mit läppischen 17 Punkten nach 23 Spielen und ein Rückstand von sechs Zählern auf den Relegationsplatz - da werfen zahlreiche Fans ihren Optimismus über Bord.

Was einst Zuneigung war, wird Wut. Eine Drohung per Spruchband lautete: „Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt“. Chaoten von der Nordtribüne wollten sogar den Platz stürmen. Ordner konnten sie mit vereinten Kräften davon abhalten. „Da wurde eine Grenze überschritten. Das können wir nicht tolerieren“, monierte Sportchef Jens Todt und fasste die Ergebnisse auf Rasen und Tribünen zusammen: „Das ist ein schwerer Tag für uns.“

„Uns helfen solche Plakate in keiner Art weiter“, sagte Vorstandschef Heribert Bruchhagen einen Tag später auf der Mitgliederversammlung des HSV e.V. Zugleich brachte er sein Entsetzen über die sportliche Situation zum Ausdruck. „Es hat eine Eigendynamik des Misserfolges eingesetzt, die ich nicht erwartet habe. Ich trage die Verantwortung“, sagte der 69-Jährige: „Ich bitte Sie um die Unterstützung in diesem schweren Kampf.“ Wer Fan sei, der stehe bis zur letzten Aktion hinter dem HSV, meinte Bruchhagen weiter. Dazu gehöre auch das Worst-Case-Szenario.

Die meisten Spieler hatten keine Lust, die neuerliche Pleite zu erklären. Einer der erfahrensten musste ran. „Die Enttäuschung ist riesengroß und wächst von Woche zu Woche“, gestand Mittelfeldspieler Aaron Hunt. Der Tabellenvorletzte HSV ist die schlechteste Mannschaft der Rückrunde mit Mitleid erregenden zwei Pünktchen. Selbst der Tabellenletzte 1. FC Köln hat acht Zähler in der gleichen Zeit gesammelt. Hunt rief die Fans auf, ihre Wut zu zügeln: „Die Unzufriedenheit ist natürlich verständlich. Aber das sollte sich in Grenzen halten. Es bringt nichts, wenn da Leute den Platz stürmen.“

Zweifel am Erfolg seiner Rettermission will Trainer Bernd Hollerbach nicht aufkommen lassen. „Ich habe keine Angst. Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse“, sagte der Franke. „Ich bin trotzdem überzeugt, dass wir es schaffen. Aufgeben ist keine Option.“ Nur zwei Punkte hat er in vier Spielen geholt. Jetzt geht es nach Bremen, dann kommt der FSV Mainz 05. Die Vorgabe ist klar.

Hollerbach war von der lange Zeit zögerlichen, ängstlichen Spielweise gegen Leverkusen selbst entsetzt. „Wir haben uns nichts getraut und schlampig gespielt“, analysierte er. Erst mit dem Anschlusstor von André Hahn ergriffen Selbstbewusstsein und Mut die Mannschaft. Warum sie sich 70 Minuten in Lethargie geflüchtet hatte, konnte auch der 48 Jahre alte Coach nicht ergründen. „Mag sein, dass der eine oder andere junge Spieler Probleme mit der Situation hat“, meinte er.

„Wir sind noch nicht abgestiegen“, betonte Bruchhagen und macht eine wilde Rechnung auf: „Wir haben noch 30 Punkte zu holen.“ Da nun Teams aus der unteren Tabellenhälfte kommen, glaubt er an Siege. „Es wäre fatal, wenn wir Anzeichen von Resignation zeigen würden. Das ist auch gar nicht meine Art.“ Aber er beugt auch für den Fall des sportlichen Weltuntergangs vor. „Frankfurt ist vier Mal abgestiegen, Köln fünf Mal und Schalke drei Mal. Siehe da, die Vereine gibt es immer noch. Was ich sagen möchte, ist: Es kann im Sport keine Apokalypse ausgerufen werden, wenn es anders kommt.“

Ganz anders die Gäste. Die Leverkusener, die zuletzt regelmäßig Punkte in Hamburg abgeliefert hatten, blieben auch im neunten Spiel nacheinander auswärts unbesiegt. Nach ihrer kleinen Schwächephase in Freiburg (0:0) und gegen Hertha BSC (0:2) waren die Verantwortlichen umso glücklicher über die Rückkehr auf einen Champions-League-Platz. „Wenn man auf die Tabelle schaut, sieht man, wie wichtig dieser Sieg war“, sagte Sportdirektor Rudi Völler. „Wenn wir nun noch Schalke 04 schlagen, dann sind wir auf dem richtigen Weg“, sagte Nationalspieler Julian Brandt. Und meinte den Sprung auf Europas große Fußball-Bühne.

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