Bundesliga 4:4 verloren — konsternierter BVB sucht nach Erklärungen

Trainer Peter Bosz bleibt vorerst im Amt. Nach dem denkwürdigen Derby gegen Schalke schwenkt die Stimmung in Dortmundendgültig um.

Andrej Jarmolenko von Dortmund hält sich die Hände vor sein Gesicht.

Andrej Jarmolenko von Dortmund hält sich die Hände vor sein Gesicht.

Foto: Ina Fassbender

„Absurd“ und „surreal“ sind nur zwei Begriffe, die am Samstagnachmittag perfekt zur ersten Beschreibung des 91. Revierderbys zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 passten. 4:4 nach 4:0-Führung — für den seit rund sechs Wochen kriselnden BVB war der Schlusspfiff Erlösung und Aufwachen aus einem Albtraum zugleich. Denn selbst ein 4:5 schien plötzlich nicht mehr weit weg. „Ein verrücktes Fußballspiel. Wenn man 4:0 führt, darf man nicht 4:4 spielen“, sagte Peter Bosz. Der niederländische Trainer schien aber nicht imstande zu erklären, was die 80 179 Zuschauer und er im ausverkauften Westfalenstadion in den vorangegangenen 97 Spielminuten erlebt hatten.

Auch seinen Spielern ging es da nicht anders. „Wenn wir hier 4:1 gewinnen, reden alle über taktische Meisterleistung des Trainers“, erklärte Nuri Sahin. Doch eben das gelang nicht. Seit dem 30. September (2:1 in Augsburg) hatte die Borussia kein Bundesliga-Spiel mehr gewonnen. Der Revierschlager gegen Schalke an diesem 13. Spieltag war die große Chance, um die geschundene schwarz-gelbe Seele zu beruhigen und Diskussionen um den sympathischen aber zuletzt erfolglosen Trainer zu beenden. Bei der Mitgliederversammlung gestern gab es neben Applaus auch viele Pfiffe für Team und Trainer. Die von vielen erwartete Entlassung Boszs blieb aber (vorerst) aus.

Dabei fing am Samstag alles so wunderbar surreal an. In den ersten 25 Minuten zerlegte der mit defensiver Dreierkette agierende BVB einen schwachen Gegner aus Gelsenkirchen zum kollektiven Erstaunen aller in seine Einzelteile. Pierre-Emerick Aubameyang (12.), ein Eigentor von Benjamin Stambouli (18.), Mario Götze (20.) und Raphael Guerreiro (25.) versetzten die Borussia-Gemeinde in Ekstase. 4:0 leuchtete auf den beiden Anzeigetafeln auf. Der angezählte Trainer Peter Bosz schien sich mit dem von allen ersehnten Derbysieg aus der Schusslinie nehmen zu können.

Doch dann stellte der BVB den Betrieb ein. „Vor allem in der zweiten Hälfte haben wir keinen Fußball mehr gespielt“, klagte Bosz. Nach rund einer Stunde ging seiner Mannschaft konditionell wieder einmal die Puste aus, auch wenn der 54-Jährige dies erneut bestritt: „Das hat nichts mit Kondition zu tun. Man muss die richtige Mentalität zeigen.“ Aber die zeigten die hochbezahlten und ebenso hochambitionierten Dortmunder gleichermaßen nicht. Nach Schalkes Doppelschlag (61./65.) und der überflüssigen Gelb-Roten Karte für Aubameyang brach der BVB endgültig zusammen. Fast jeder Zweikampf ging verloren, das in der ersten halben Stunde gewonnene Selbstvertrauen war wie weggeblasen.

Als sich auch die letzten Emotionen beider Teams nach einem Disput zwischen Sahin und Schalke-Torhüter Ralf Fährmann endlich gelegt hatten, schlich der gefühlte Verlierer in Richtung Südtribüne. Der BVB-Anhang hatte seine Helden bis zum Schlusspfiff angetrieben und unterstützt — obwohl das drohende Unheil bereits mit dem ersten Schalker Treffer in Sichtweite geriet. Nun aber standen Marcel Schmelzer und Co. gedemütigt vor der „Gelben Wand“, die die Mannschaft mit Pfiffen und wüsten Beschimpfungen in die Kabine verabschiedete. Selbst Torhüter Roman Weidenfeller, der den verletzten Roman Bürki vertrat, traute sich nicht näher an die wütenden Fans heran.

Diese Reaktion, die das endgültige Kippen der Stimmung bedeutet, war der vorläufige Bruch zwischen der zahlenden Kundschaft und einer Mannschaft, die in den zweiten 45 Minuten ein dramatisch anmutendes Abziehbild der bisherigen Saison offenbarte: Hervorragender Start, dann extremer Einbruch und kollektive Ratlosigkeit. Borussia Dortmund fehlen die Lösungsansätze. Im Derby und bereits in den Wochen zuvor. Und der Mannschaft fehlt ein klarer Anführer. Auf und abseits des Rasens. Die Krise geht weiter — und ist alles andere als surreal.

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