Netzer hat alle abgehängt - Borussias Bester im Gespräch

Neun Tage lang haben WZ-Leser über den besten Borussen aller Zeiten abgestimmt. Günter Netzer hat mit mehr als 26 Prozent aller Stimmen gewonnen. Mit der WZ sprach er über alte Zeiten.

Mönchengladbach. Eigentlich war es ein Unding, und keiner wagte es ein zweites Mal in der Bundesligageschichte. Entgegen der Anweisung seines Trainers wechselte sich Günter Netzer 1973 selber ein - in der Verlängerung des großartigen DFB-Pokal-Endspiels Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln. Drei Minuten später erzielte er den 2:1-Siegtreffer: Doppelpass mit Rainer Bonhof, Schuss in den Winkel, ein Traumtor! Für den Bruchteil einer Sekunde schien der Torschütze über allem zu schweben. Der Trainer an jenem 23. Juni anno 1973 war nicht irgendwer, Günter Netzer hatte sich Hennes Weisweiler, der unumstrittenen Autoritätsperson im Deutschen Fußball, widersetzt.

"Vielleicht ist es ja auch diese Szene, die bei vielen Fußball-Anhängern haften geblieben ist", sagt Günter Netzer im Gespräch mit der WZ, "auf jeden Fall fühle ich mich sehr geehrt, aus der Abstimmung als Gewinner hervorgegangen zu sein."

Die Leser unserer Zeitung haben entschieden: Günter Netzer (64) ist der beste Borusse aller Zeiten. Von 7042 Stimmen entfielen 26,2 Prozent auf den ehemaligen "King vom Bökelberg". Neun Tage lang hatten die Anhänger von Borussia Mönchengladbach die Möglichkeit auf wz-newsline.de ihre Stimme abzugeben. Zur Auswahl standen 22 Spieler aus den ruhmreichen Siebzigern, aus den Achtziger und Neunziger Jahren sowie der jüngeren Geschichte des Traditionsvereins vom Niederrhein.

Netzer hat sie, so wie er es in seiner dynamischsten Zeit auf dem Spielfeld getan hat, alle abgehängt. "Dass das Ergebnis so ausgefallen ist, halte ich nicht für selbstverständlich. Sicher gab es zu meiner Zeit viele großartige Spieler, aber auch danach kamen ja noch etliche hinzu. Ich freue mich wirklich sehr."

Der rasante Aufstieg der "Fohlen-Elf" in den Anfängen der Fußball-Bundesliga ist untrennbar mit der Nummer 10, dem Spielmacher mit der langen, blonden Mähne verbunden. Mit nicht einmal 19 Jahren bestritt er 1963 sein erstes Pflichtspiel für den VfL Borussia, dessen Anhängern er ein volles Jahrzehnt höchsten Genuss bereitete.

An der Seite von Jupp Heynckes, Herbert Laumen, Herbert Wimmer oder Bernd Rupp entfaltete der gebürtige Mönchengladbacher sein Talent, das Spiel unvergleichlich zu gestalten, Mitspieler wirkungsvoll in Szene zu setzen und Tore zu erzielen. Was ihm in 230 Spielen für Gladbach 82 Mal gelang. In der Blütezeit der Fohlenelf interessierte sich sogar das Feuilleton für den genialen Fußballer. Einem Kulturkritiker ist das Bonmot über Netzer, der aus "der Tiefe des Raumes" kommt, zuzuschreiben.

Als Stefan Effenberg - noch vor Allan Simonsen zweiter in der Abstimmung - in seinen Glanzzeiten an Netzer’sche Spielformen anzuknüpfen versuchte, ohne jemals dessen Niveau erreicht zu haben, war Netzer längst ein gemachter Mann. Neben seiner Haupttätigkeit als Mitinhaber der eidgenössischen Sportrechteagentur Infront Sports und Media begleitet er an der Seite von Gerhard Delling kritisch und amüsant die Auftritte der Deutschen Nationalmannschaft im "Ersten". Vorerst bis nach der Fußball-WM 2010 in Südafrika.

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