Vereinslegende Masseur Charly Stock: Der Mann auf der Kiste wird 80

Gadbachs Vereinslegende Charly Stock kramt vor seinem 80. Geburtstag am Montag in Erinnerungen.

Mönchengladbach. Günter Netzer war 18, als er sich das erste Mal bei Charly Stock auf die Massage-Bank legte. „Er war etwas schüchtern, aber ein netter Kerl mit klarem Kopf und vernünftigen Ansichten“, erinnert sich der ehemalige Masseur von Bundesligist Borussia Mönchengladbach an die erste Begegnung 1962 mit dem jungen Profi, der später zu einem der schillerndsten Figuren des Fußballs avancierte.

Den steilen Aufstieg der Fohlen Elf hat Charly Stock damals hautnah erlebt. Ob Netzer, Herbert Laumen, Jupp Heynckes, Hacki Wimmer oder Berti Vogts. Er knetete sie alle durch, und nicht selten schütteten sie ihm auf der Liege ihr Herz aus. Auch Seelenmassage gehört halt zum Geschäft. „Wichtig ist, dass man Vertrauen zueinander hat.“

Der Mann, der immer neben seiner Notfall-Box am Spielfeldrand kauerte, hat Meisterschaften und Titelgewinne miterlebt, hat Trainer kommen und gehen sehen und Krisen bewältigt. „Ich war der Masseur für die Borussen-Profis. Es war ein fantastisches Leben. Ich habe alles genossen“, sagt Stock. Am kommenden Montag wird Karlheinz Stock - oder besser Charly, so wie ihn alle nennen — 80 Jahre alt.

Im Verlauf von beinahe 30 Jahren sind ihm zahlreiche Spieler ans Herz gewachsen. Einer, dem er sich besonders verbunden fühlt, ist Jupp Heynckes. Er hat ihn als Spieler und auch als Trainer in die Mangel genommen. „Im Laufe der Zeit hat sich eine Freundschaft entwickelt“, sagt Heynckes unserer Zeitung, „Charly war im Verein der gute Geist und am Bökelberg eine Institution. Er war mehr als ein Physiotherapeut. Immer freundlich und hilfsbereit. Eine echte Vertrauensperson.“

Stock, der vor seinem Job bei Borussia Mönchengladbach („Ich bekam als Anfangsgehalt 350 Mark im Monat“) in einem Fünf-Sterne-Hotel in Bad Wörishofen gut betuchte Kurgäste massierte, hat dank seiner Tätigkeit beim fünffachen Deutschen Meister fast die ganze Welt gesehen. Mit Ausnahme von Australien bereiste er sämtliche Kontinente. Das aufregendste und erfolgreichste Jahr erlebte er 1975 mit dem Gewinn der dritten Deutschen Meisterschaft und dem Uefa-Cup-Triumph. „In dem Jahr ging auch der große Hennes Weisweiler, der Mann mit der rauen Schale und dem weichen Kern“, sinniert Stock.

Der treue Charly, den der frühere Geschäftsführer Helmut Grashoff einst als „Mini-Manager“ bezeichnete, blieb der Fohlen Elf auch nach dem Ende seiner aktiven Zeit als Physiotherapeut erhalten: Er baute als Herbergsvater an der Marktfeldstraße in Mönchengladbach das erste Internat für junge Borussen-Kicker mit auf. Zu den ersten Bewohnern gehörten auch Sebastian Deisler und Andrej Woronin. 1991 war Stock Mitbegründer der Weisweiler Elf. Und noch heute ist er Mitglied des Ehrenrates von Borussia Mönchengladbach.

Als der Verein 2000 sein 100-jähriges Bestehen feierte, hat der geborene Thüringer sich von den ganzen Vereinsschätzen, die er über die Jahrzehnte mit viel Herzblut gehütet und gepflegt hat, getrennt. Die Exponate sind aufgeteilt worden zwischen Borussia Mönchengladbach und dem DFB. Ein Teil wird demnächst im neuen Vereinsmuseum im Borussia-Park deponiert, andere Utensilien sind kürzlich an das Deutsche Fußball-Museum in Dortmund gegangen. Etwa befinden sich jetzt in Dortmund die Lieblings-Pfeife von Gladbachs ehemaligem Manager Helmut Grashoff und ein Stück des Original-Torpfostens von 1971, als am Bökelberg das Tor gegen Werder Bremen umknickte.

Auch der rechte Fußballschuh von Günter Netzer aus dem denkwürdigen 73-er Pokalfinale in Düsseldorf ist beim DFB gelandet. „Aber der linke Schuh, mit dem Günter in der Verlängerung das Siegtor gegen Köln erzielte, ist bei Borussia geblieben“, sagt Stock.

Gesundheitlich geht es ihm nicht mehr ganz so gut. „Der Kopf ist noch hellwach, aber das Laufen fällt schwer. Eine Nervenkrankheit. Ich gehe sozusagen am Stock.“ Seinen Humor hat der ab Montag 80-Jährige ganz sicher nicht verloren, und seinem runden Geburtstag sieht er mit einiger Gelassenheit entgegen. „Ist doch schön, so alt geworden zu sein. Jetzt freue ich mich auf ein Wiedersehen mit früheren Weggefährten.“

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