Interview Marc-André ter Stegen: "Ich werde versuchen, für 'Manu' im Training eine Stütze zu sein"

Marc-André ter Stegen erzählt im Interview, wie er seine Rolle als Ersatztorwart hinter Manuel Neuer angeht und warum er besonders mit Liverpools Keeper Loris Karius mitfühlen kann.

 Torwart Marc-Andre ter Stegen beim Mannschaftstraining auf dem Trainingsgelände am Sportzentrum Rungg.

Torwart Marc-Andre ter Stegen beim Mannschaftstraining auf dem Trainingsgelände am Sportzentrum Rungg.

Foto: Christian Charisius

Weinegg. Marc-Andre ter Stegen erscheint mit einem Lächeln zum Gespräch. Sein hellblaues T-Shirt passt nicht nur beigefarbenen Sonnenschirm, sondern fügt sich auch die malerisch Kulisse des Mannschaftshotels Weinegg in Südtirol.

Im Rücken des in Mönchengladbach geborenen Torhüters, der beim FC Barcelona in der abgelaufenen Saison die Hälfte seiner 48 Pflichtspiele zu Null spielte, plätschert das Wasser vom Swimmingpool und im Hintergrund erhebt sich der Gantkofel, der Hausberg der Gemeinde Eppan.In diesem Ambiente erzählt der 26-Jährige frank und frei, warum die Rückversetzung bei der deutschen Nationalmannschaft hinter Manuel Neuer für ihn eine Enttäuschung ist, er aber seine persönliche Situation hintenan stellt.

Sie haben beim FC Barcelona fast alle Spiele mit einem Nike-Ball bestritten, bei der WM in Russland kommt ein Adidas-Spielgerät zum Einsatz. Wie groß war die Umstellung?

Marc-André ter Stegen: Die Bälle unterscheiden sich im Flugverhalten. Es gab Zeiten, da war ich mit den Adidas-Bällen nicht zufrieden. Jetzt ist aber alles gut. In der Copa del Rey in Spanien haben wir auch mit diesem Ball gespielt, und je öfter man ihn in der Hand hat, desto besser wird es.

Vor früheren Turnieren waren die Flatterbälle ein großes Thema. Bei der WM 2018 können Torwartfehler damit also nicht erklärt werden?


Marc-André ter Stegen: Es kommt auf die Situation drauf an. Grundsätzlich hatten wir genug Zeit uns daran zu gewöhnen, aber es kann durchaus sein, dass es mal wieder komisch aussieht.

In Russland dürfen Sie aller Voraussicht diesen Ball nur im Training fangen. Wie sind Sie damit umgegangen, dass Manuel Neuer nun wieder die Nummer eins ist?

Marc-André ter Stegen: Zunächst einmal ist das für mich natürlich eine enttäuschende Situation. Machen wir uns da nichts vor: Ich brauche das niemand sagen, wenn man eine ganze Saison gespielt und versucht hat, Leistung auf höchstem Niveau zu zeigen. Aber die Enttäuschung darf nicht dazu führen, dass man so viel mit sich beschäftigt ist, der Mannschaft nicht mehr helfen zu können. Das verlange ich selbst von jedem anderen Spieler. Die Mannschaft weiß bei mir, dass ich 200 Prozent da sein werde, um sie zu unterstützen. Der Bundestrainer hat diese Entscheidung getroffen — das respektiere und akzeptiere ich.

Wann hat Joachim Löw mit Ihnen ein Einzelgespräch geführt?

Marc-André ter Stegen: Als ich angekommen bin, haben wir uns zusammengesetzt. Er hat mir gesagt, dass er von mir überzeugt ist und er wüsste, dass er sich zu 100 Prozent auf mich verlassen kann. Es kann doch alles passieren. Schauen wir uns 2014 an: Da wird Shkodran Mustafi nachnominiert und spielt auf einmal viel mehr als jeder dachte.

Sind Sie überrascht, dass Manuel Neuer nach acht Monaten ohne Spielpraxis so stark zurückkommen würde?

Marc-André ter Stegen: Ich glaube, er hat alles dafür getan. Für ihn waren die Monate sicher nicht einfach. Großen Respekt dafür, denn das schafft nicht jeder.

Gerade die Bayern-Spieler haben betont, wie wichtig die Rückkehr des Kapitäns sei. Fehlte ihnen vielleicht die Lobby?


Marc-André ter Stegen: Viele waren auch mir gegenüber respektvoll. Die Jungs wissen, wozu ich imstande bin. Wir haben generell eine tolle Besetzung auf der Torwartposition. ‚Manu‘ hat bezüglich der Turniere sicher die meiste Erfahrung.

Eine Nummer zwei kann seine Rolle ganz unterschiedlich interpretieren. Oliver Kahn hatte an der Rückversetzung 2006 schwer zu knabbern, entschied sich aber dafür, Jens Lehmann zu helfen. Was wird ihre Vorgehensweise sein?

Marc-André ter Stegen: Ich werde versuchen, für „Manu‘ im Training eine Stütze zu sein. Es wird mein Ziel sein, dass er am Spieltag in einer hundertprozentigen Verfassung auf dem Platz steht. Wenn das der Beitrag ist, den ich leisten muss, werde ich das so tun.

Es gibt Mutmaßungen, dass Löw ihre Loyalität mit einem Einsatz im dritten Gruppenspiel gegen Südkorea am 27. Juni belohnt.

Marc-André ter Stegen: Das Spekulieren wurde mir auch in Barcelona verboten (lacht). Im Ernst: Wenn ich gebraucht werde, werde ich mein Bestes tun. Weltmeister wird man nur mit allen, die im Kader sind. Wenn ich ein klein bisschen dazu beitragen kann, wäre es etwas ganz Großes.

Sie haben im vergangenen Sommer für Deutschland den Confed Cup gewonnen. Welche Rolle spielt das in ihrer Erinnerung?

Marc-André ter Stegen: Jeder der letztes Jahr dabei war, weiß wie toll es ist, am Ende einen Pokal in die Höhe zu strecken. Das sollte für alle der Anreiz sein. Am Ende werden bei einer WM neben der Tagesform die Kleinigkeiten entscheiden.

Nicht zuletzt auch die Torhüter. Jüngst im Champions-League-Finale standen die Patzer von Loris Karius im weltweiten Fokus. Unabhängig davon, ob den Keeper des FC Liverpool eine Gehirnerschütterung beeinträchtigt haben könnte: Wie haben Sie das erlebt?

Marc-André ter Stegen: Natürlich fühlt man mit, obgleich Mitleid das letzte ist, was er gebrauchen konnte. Ich fand, dass er außer den beiden Fehlern ein Topspiel gemacht hat. Ich hoffe, dass er jetzt im Urlaub abschalten kann. Eigentlich will man nach einem solchen Spiel sofort weiterspielen, um es vergessen zu machen. Ich glaube auch, dass er so viel Charakter besitzt, um mit der Situation klarzukommen. Ich kenne es ja aus eigener Erfahrung: Fehler zu machen, bei denen man im Nachhinein mit dem Kopf schüttelt.

Ihn sind im Nationaltrikot bei ihren ersten Länderspielen ähnliche Blackouts unterlaufen. Und viele fragten, wie das passieren konnte.

Marc-André ter Stegen: Das habe ich mir auch gedacht: ‚Das kann doch nicht sein!‘ Wir sind alle keine Maschinen. Das ist übrigens das, was mein Opa mir beigebracht hat. Man kann uns nicht einfach wie eine Maschine einstellen und einen Rhythmus abspulen lassen. Jeder hat mal einen Fehler gemacht. Das ist unangenehm, betrifft aber den Job genauso wie das Privatleben. Keiner ist fehlerlos.

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