Lucien Favre: Der Meister des Aufbaus

Lucien Favre wird in der Schweiz gelobt. Nur seine Zeit bei Hertha ist ein wunder Punkt.

Mönchengladbach. Ungeachtet des vermeidbaren Remis gegen Leverkusen und der Schlappe gegen Freiburg genießt der Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach auch abseits seines Wirkungskreises höchsten Respekt. Insbesondere in seinem Heimatland, der Schweiz, ist Lucien Favre in aller Munde. Schließlich hat er unweit des Genfer Sees seine Trainerkarriere begonnen. In Yverdon-les-Bains feierte der Gladbacher Coach beim dortigen Sport FC seine ersten großen Erfolge.

Favre verhalf dem kleinen Fußballverein vor 14 Jahren in die schweizerische Superliga und belegte auf Anhieb Rang fünf. Das hat sich unauslöschlich ins Gedächtnis der Yverdoner eingeprägt. „Um eine Mannschaft aufzubauen, ist Lucien Favre einer der Besten in Europa“, sagt Paul-André Cornu, seit Mitte der Neunziger Jahre Präsident in Yverdon. Monsieur Cornu muss es wissen: Er kennt Favre bestens: „Gladbach darf froh sein, ihn zu haben. Das wird eine gute Zeit für die Borussia. Favre ist ein kluger Mann und guter Taktiker.“

Auch beim FC Zürich, mit dem Favre zweimal Schweizer Meister und Trainer des Jahres sowie einmal Pokalsieger wurde, spricht man in höchsten Tönen von Favre und verfolgt dessen Werdegang mit Interesse. „Ich bin jetzt seit mehr als 20 Jahren im Business. Lucien Favre ist zweifelsohne der beste Fußballlehrer, den ich je auf einem Fußballplatz gesehen habe“, sagte Fredy Bickel, Sportchef des FC Zürich, unserer Zeitung: Und Favres langjähriger Trainerassistent Harald Gämperle ergänzte: „Für mich ist der Höhenflug in Gladbach keine Überraschung. Lucien ist ein ausgewiesener Fachmann, ein Analytiker und Taktiker. All diese Komponenten bringen den Erfolg.“

Ein wunder Punkt im Trainerleben des Lucien Favre ist Berlin. Über Hertha BSC verliert der Trainer des Tabellendritten in der Bundesliga denn auch nur wenig Worte. Das bekam kürzlich sogar die renommierte Neue Züricher Zeitung bei einem Besuch in Mönchengladbach zu spüren.

„Über die Vergangenheit will ich nicht mehr reden. Das ist nichts für die Öffentlichkeit“, sperrte sich Favre, widmete sich in dem Interview dafür umso ausgiebiger den Fußball-spezifischen Dingen, parlierte mit Begeisterung über die Bundesliga, über Taktik, Spielidee und Fehlerquellen.

In Berlin, wo die Gladbacher in drei Wochen gastieren, hat Favre Triumphe und Tiefschläge erlebt. Er war seine zweite Spielzeit als Cheftrainer für Hertha BSC in der Saison 2008/2009, als er um die Deutsche Meisterschaft mitspielte und am Ende Rang vier belegte.

Doch die Liaison ging schneller als erwartet in die Brüche. Nach dem Verlust mehrerer Topspieler (unter anderem die Stürmer Pantelic und Woronin), die die Hertha-Bosse zur Konsolidierung der Klubfinanzen transferieren mussten, startete Berlin miserabel in die Spielzeit 2009/2010. Die Folge: Favre musste nach sechs Niederlagen hintereinander gehen. Bei einer Pressekonferenz im Wintergarten des Hotel Adlon, in der Favre einiges klarzustellen versuchte, verdarb er es sich endgültig mit der Vereinsspitze.

Was folgte, war ein zäher Rechtsstreit um Favres Abfindung und der endgültige Bruch. Wenn auch die Verbindung zur Vorstandsetage der Hertha erkaltet ist, seine Spieler von damals äußern sich durchweg positiv über Favre.

Einer aus dem jetzigen Kader der Herthaner kennt den Gladbacher Trainer besonders gut. Den Brasilianer mit dem Künstlernamen Raffael, einer der Leistungsträger beim Bundesliga-Aufsteiger — drei Tore, zwei Vorlagen — brachte Favre vom FC Zürich mit nach Berlin. „Ich habe ihm viel zu verdanken“, sagt der 26-Jährige.

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