Lucien Favre - Aus dem Leben eines Tüftlers

Wenn Gladbach am Donnerstag gegen Lazio Rom spielt, ist Trainer Lucien Favre genau zwei Jahre im Amt.

Mönchengladbach. Wenn sie ihn „Super-Hirnli“ nennen, lächelt er allenfalls für einen Moment. Überdrehte Schlagworte und übermäßiges Lob mag Lucien Favre überhaupt nicht. Der 55-Jährige aus dem Schweizer Kanton Waadt macht lieber möglichst wenig Aufhebens um seine Person.

„Ich mache einfach meinen Job bei einem großen Verein, und diese Arbeit nehme ich sehr ernst“, sagt er. Womit viel gesagt ist über das Engagement Favres, über seinen zügellosen Ehrgeiz. Und auch über den Respekt für seinen Arbeitgeber, der ein ruhmreicher Traditionsverein ist. Was nicht immer ein Segen sein muss, wenn daran in der Gegenwart nicht mehr viel erinnert. „Als Max Eberl mir damals das Angebot machte, brauchte ich nicht groß zu überlegen. Ich habe gleich zugesagt. Klar.“

Bereut haben es beide Partner nicht. Gladbachs Sportdirektor sieht sich noch heute in seiner Entscheidung bestätigt: „Favre passt zu uns. Er ist ein Glücksgriff.“ Einer offenbar von Dauer. Und einer, der am Donnerstag, an dem die Gladbacher im Borussia-Park den italienischen Traditionsverein Lazio Rom erwarten (21.05 Uhr/Kabel 1) und die K.o.-Phase in der Europa-League einläuten, ein kleines Jubiläum feiert: Dann ist Favre exakt zwei Jahre für den linksrheinischen Erstligisten im Amt.

Favre, übernehmen Sie. Das war am 14. Februar 2011 — und der Schweizer, 19. Borussen-Trainer seit dem Aufstieg in die Bundesliga 1965 unter Hennes Weisweiler, übernahm eine zweifelsohne heikle Aufgabe mit unkalkulierbarem Ausgang. Die Gladbacher waren in den Tabellenkeller gerutscht, taumelten der zweiten Liga entgegen. Trotz starker Individualisten wie Dante, Stranzl, Neustädter, Herrmann, Reus, Arango oder Hanke.

Doch Favres Akribie sorgte schnell für die Trendwende. Der Schweizer analysierte Spiele und Gegner, griff im Training im Detail ein, führte Zwiegespräche, weckte den Teamgeist und gewann entscheidende Spiele im Liga-Endspurt. In der Relegation gegen Bochum gelang die Rettung. „Es war hauchdünn, wir waren mehrmals tot“, hat Lucien Favre oft betont.

In der darauffolgenden Saison avancierte die Borussia zur Überraschungs-Mannschaft der Bundesliga. „Der 1:0-Erfolg bei Bayern München zum Auftakt hat uns den entscheidenden Schub gegeben“, sagt Favre rückblickend. Seine Mannschaft begeisterte mit frechem Offensivfußball und erfüllte die Träume der Anhänger: 60 Punkte, Rang vier und als Krönung die Rückkehr auf die internationale Bühne.

Auf der mischen die Borussen weiter mit, obwohl Favre nach dem Weggang seines „magischen Dreiecks“ Dante, Neustädter und Reus seine Probleme hatte, der Mannschaft trotz eines 30-Millionen-Invests in neue Spieler eine neue Struktur zu geben. Die Schönheit des Spiels ist weitgehend verloren gegangen, wohl aber bleibt Gladbach in Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen.

Tore nach Standards haben das attraktive Kurzpassspiel abgelöst, zweckmäßig ist das, aber nicht mehr zwingend schön. Einer wie Favre, der das Spiel liebt, ärgert sich darüber am meisten. Und er tüftelt daran, die Erfolgsrezeptur wieder zu ändern. Wie er es schon einmal geschafft hat in Gladbach. Vor zwei Jahren.

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