Gladbach zeigt die Bayern-Tugenden Ist diese Gladbacher Mannschaft reif für ganz Großes?

Mönchengladbach · Der Stadionsprecher im Mönchengladbacher Borussia-Park hatte gerade die Nachspielzeit von vier Minuten verkündet und trotz der zu diesem Zeitpunkt verlorenen Tabellenführung feierten die Fans von Borussia Mönchengladbach ihr Team bereits für das 1:1 gegen Rekordmeister FC Bayern München, da kulminierte der Bundesliga-Evergreen zu einem Finale Furioso.

Ist diese Gladbacher Mannschaft reif für ganz Großes?
Foto: dpa/Marius Becker

Foul an Thuram, Platzverweis für Martinez und Strafstoß für die "Fohlen". Wer tritt an? Einige wollen offenbar nicht, dann schnappt sich Rami Bensebaini den Ball. Sein Schuss geht nach rechts, Bayerns Torwart Manuel Neuer ahnt die Ecke, der Ball aber fliegt knapp an seinen Händen vorbei ins Netz. 2:1 - der Borussia-Park explodiert.

„Ich übe nach jedem Training noch gezielt ein paar Elfmeter, doch in dieser Minute war der Druck schon enorm. Diese spezielle Partie, der Spielstand, die Atmosphäre im Stadion. Und dann hat mich Manuel Neuer durch sein Herumgezappele auch noch versucht, nervös zu machen. Ich habe mich aber ziemlich sicher gefühlt und gedacht, ich mache es einfach wie im Training auch", erzählte Bensebaini. Mit einem wuchtigen Kopfball hatte der Algerier in der 60. Minute schon für das 1:1 gesorgt.

Es war das endgültige Signal zur Wende in einer lange Zeit vom FC Bayern dominierten Begegnung. „Das ist ein Sieg, der uns in der Entwicklung hilft. Jetzt können wir gewisse Dinge besser einordnen", erklärte Trainer Marco Rose.

„Nach dem 1:1 hat uns die Borussia gezeigt, warum sie oben steht"

Der 43-Jährige meinte damit genau das, was die WZ nach dem 0:2 bei Union Berlin vor zwei Wochen angesprochen hatte. An der alten Försterei war Roses Team ausgebremst worden. Die folgenden drei Partien müssten die Antwort geben, ob es damit auch abgestoppt oder in seiner Entwicklung weiter sei. Es folgten die Siege in Wolfsberg, gegen Freiburg und München. Besonders dieses 2:1 belegt die erstaunlich schnelle Reifung. Die Art, wie die 50 Minuten überlegenen Bayern niedergerungen wurden, zeigt eine starke innere Überzeugung. Gladbach drehte das Duell mit den typischen Tugenden der Bayern. Mia san erster, mia san stark. „Nach dem 1:1 hat uns die Borussia gezeigt, warum sie oben steht", sagte Münchens Trainer Hansi Flick.

Zuvor war es genau umgekehrt. Da hatten die Bayern gezeigt, warum sie zumindest national immer noch als Maßstab dienen. Schnell, variantenreich und präzise drückten sie die "Fohlenelf" tief in deren Hälfte. Nur dem schwachen Abschluss und einer Glanztat der Fingerkuppe von Torhüter Yann Sommer war es zu verdanken, dass es zur Pause 0:0 stand. „Wir wollten schon auch mutig beginnen. Doch mutig sein zu wollen und mutig sein, sind gegen die Bayern zwei paar verschiedene Schuhe", sagte Marco Rose. Völlig folgerichtig lag sein Team durch das Tor von Ivan Perisic in der 49. Minute dann auch zurück.

Aber wo ein solches Spiel früher entschieden war, nahm es am Samstag eine nicht für möglich gehaltene Wendung.

Ein breiter Kader, System-Varianten und Mentalität - die Zutaten für Erfolg sind vorhanden

Gladbach war nicht gewillt, sich in sein Schicksal zu ergeben. Nun wurde nicht mehr versucht, die Stärken der Bayern zu verhindern, sondern deren Schwächen auszunutzen. Dafür erhöhte Rose mit den Einwechslungen von Embolo sowie Herrmann die Wucht im Angriff und änderte das System von einer Raute auf ein 4-3-3. Diese taktische Flexibilität zwang die Münchener immer mehr zu Fouls, weil jetzt die Tempo-Defizite von Thiago und Boateng sowie später besonders Martinez offen gelegt wurden. Da hatte Rose bereits auf ein 4-2-3-1 umgestellt, weil er sich mit dem durchaus respektablen Unentschieden nicht zufrieden geben wollte. „Wir haben auf Sieg gewechselt, wir haben auf Sieg gespielt und wir sind dafür belohnt worden", meinte Rose.

Am Ende insgesamt mit ein wenig Dusel, noch ein solches den Bayern zugeschriebenes Attribut. Doch späte Treffer sind auch eine Sache von Mentalität und Überzeugungskraft. In der Europa League gelang dreimal nacheinander ein Tor in der Nachspielzeit, so gab es statt einem Punkt vier Zähler. Nun also auch ein Last-Minute-Sieg in der Bundesliga, noch dazu gegen den Meister sowie nach Rückstand. Ist diese Borussia vielleicht reif für etwas ganz Großes? Rose hält den Ball flach, weist aber die Richtung. „Wenn wir über ganz große Dinge reden, dann hatten wir mit Bayern einen Gegner, der uns gezeigt hat, was wir dazu noch brauchen.

Den Druck der letzten halben Stunde müssen wir ein ganzes Spiel entwickeln. Jeder hat jedoch gesehen, wo wir hin wollen."

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