Leipzig - Gladbach Gladbachs Vizepräsident Bonhof: „Stieler hat fast ständig gegen uns gepfiffen!“

Leipzig · Gladbach gibt nach einer 2:0 Führung in Leipzig den Sieg aus der Hand. Kapitän Hofmann sieht auch Positives: „Spiel hat gezeigt, dass wir zurecht oben mitmischen.“

 Leipzigs Patrik Schick (l) wird von Mönchengladbachs Denis Zakaria (M) umgestoßen, Gladbachs Torwart Yann Sommer im Hintergrund.

Leipzigs Patrik Schick (l) wird von Mönchengladbachs Denis Zakaria (M) umgestoßen, Gladbachs Torwart Yann Sommer im Hintergrund.

Foto: dpa/Robert Michael

Es ist ein bisschen hektisch drunten in den Katakomben der RB Arena. Schiedsrichter Tobias Stieler aus dem südhessischen Obertshausen, der die Gladbacher Gemüter erregte, hechelt durch die Flure, lehnt Interview-Wünsche zunächst kategorisch ab. Gladbachs spielfreudiger Antreiber an diesem Abend, Jonas Hofmann, wirkt in der leicht angespannten Atmosphäre ruhig und gelassen, als er in der Mixed-Zone auf die Medienvertreter zugeht. Wie ist das möglich nach einem solch turbulenten und emotionalen Spiel, nach einer 2:0 Führung der Fohlenelf und nahezu perfektem Auftritt in der ersten Hälfte, nach einem kuriosen Anschlusstor der „Roten Bullen“, einer zumindest umstrittenen gelb-roten Karte (Alassane Plea/61. Minute) und einem „Finale furioso“ mit dem Ausgleichstreffer der Sachsen in der 89. Minute?

„Nun ja, ich bin ein relativ ruhiger Typ“, sagt der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach nach dem turbulenten 2:2 der Niederrhein-Elf beim bisherigen Bundesliga-Spitzenreiter, „so schnell bringt mich nichts aus der Fassung. Das ist mein Naturell. Natürlich bin ich sauer auf den Schiri. Meines Erachtens fehlte ihm in der Szene das Fingerspitzengefühl. Der Platzverweis für Lasso war in einem intensiven, aber fairen Spiel extrem hart. Wir waren so nahe dran.“ Auf jeden Fall habe das Spiel, so Hofmann weiter, gezeigt, dass wir zurecht oben mitmischen und einem Topfavoriten auf die Meisterschaft Paroli bieten können.

Während sich Hofmann, der am fein herausgespielten Führungstreffer durch Plea (24.) beteiligt war und elf Minuten später nach einer geschickten Körpertäuschung selbst eiskalt zum 2:0 vollendete, ob des Platzverweises des Gladbacher Torjägers in Zurückhaltung übte, schlug Vizepräsident Rainer Bonhof deftige Töne an: „Hatte Stieler den Auftrag, das Spiel 2:2 ausgehen zu lassen? Der hat fast ständig gegen uns gepfiffen!“

Was war passiert? Nach einer Stunde Spielzeit forderte Alassane Plea nach einem Zweikampf mit Leipzigs Sabitzer energisch Freistoß. Referee Stieler nahm die Signale des Franzosen wahr, ignorierte sie und zeigte ihm vielmehr die gelbe Karte. Plea wiederum reagierte mit einer abfälligen Geste, die Stieler schließlich mit der gelb-roten Karte ahndete. Sportdirektor Max Eberl wurde deutlich: „Aus meiner Sicht war es ein Foul an Lasso. Wir haben gespürt, dass Kleinigkeiten latent nicht für uns gepfiffen wurden. Es kann doch nicht sein, dass wir wie Zinnsoldaten auf dem Platz stehen müssen.“

Tobias Stieler verteidigte sich später via Fernsehen und verwies auf die neuesten „Spielregeln“ in diesem sensiblen Bereich. Der erfahrene Referee mag ja grundsätzlich Recht haben, ein souveräner Schiri hätte allerdings Plea gelb gezeigt und sich dann in aller Seelenruhe vom „Tatort“ entfernt. Zumal der Spielverlauf kein hartes Durchgreifen erforderte.

Borussias Cheftrainer Marco Rose gehörte im Topspiel der 20. Runde ebenfalls zu den „Betroffenen“ und kassierte seine dritte gelbe Karte in dieser Saison, ansonsten hatte der Coach der Fohlen Elf allen Grund, sich am Spiel seiner Mannschaft zu erfreuen, auch wenn der achte Versuch gegen Leipzig dreifach zu punkten, fehlschlug. „Ich habe nach dem ersten Ballkontakt gespürt, wie meine Jungs brennen. Die erste Hälfte war klasse, auch spielerisch. Wir hatten alles im Griff. Nach der Pause kam unser Kampfgeist zum Tragen, und dann habe wir nach dem Platzverweis bis zum Ende gefightet,“ Selbst sein Antipode Julian Nagelsmann lobte den Auftritt der Gladbacher: „Das war anspruchsvoller und attraktiver Fußball.“

Borussia Mönchengladbach verstand es vor der Pause meisterhaft, die verschiedenen Möglichkeiten des Spiels (Ballbesitz-Fußball, Pressing, Vertikalspiel) auszuloten und wirkungsvoll einzusetzen. So kam RB erst gar nicht in sein gewohntes Fahrwasser. Von Tempo und Kombinationsfluss war bei den Sachsen wenig zu sehen, und selbst später in Überzahl wirkte die Darbietung der Sachsen nicht überzeugend, nicht souverän, so dass es für den neureichen Emporkömmling aus dem Osten der Republik in seinem vierten Bundesligajahr nicht leicht werden dürfte, die Kräfteverhältnisse im deutschen Spitzenfußball kurzfristig zu verschieben.

Dass die Leipziger überhaupt noch einmal ins Spiel zurückfanden, war aus Gladbacher Sicht ärgerlich. Der weit aus seinem Kasten enteilte Keeper Yann Sommer hatte in der 50. Minute eine Flanke schon sicher abgefangen, da fiel ihm von einer Sekunde zur anderen der Ball doch noch aus den Händen. Denis Zakaria, ansonsten souveräner Chef der Gladbacher Dreierkette, mischte sich unnötigerweise ein, so dass der Leipziger Patrik Schick plötzlich freie Bahn hatte. Nur noch 1:2. Wenig später folgte der Platzverweis, und von da an war es ein Spiel auf ein Tor. Trotzdem hielt die geschmeidige Gladbacher Defensive dem Druck bis zur 89. Minute stand. Da fasste sich der starke Nkunku ein Herz und überwand Sommer mit einem beherzten Schuss zum Ausgleich. „Es ist müßig, darüber nachzudenken, aber ich glaube, dass wir ohne den Platzverweis als Sieger vom Platz gegangen wären“, meinte Jonas Hofmann noch abschließend, „jetzt aber Schwamm drüber. Es geht am kommenden Sonntag weiter. Wir freuen uns aufs Derby gegen Köln.“

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