Geburtstag am 3. November Gladbachs Trainer-Legende Meyer wird 80 - Ex-Borusse van Lent erinnert sich

Mönchengladbach · Borussia Mönchengladbachs Ex-Cheftrainer Hans Meyer feiert bald seinen 80. Geburtstag. Ein ehemaliger Vollblutstürmer der Borussia erinnert sich.

Erinnerung an alte Zeiten: Hans Meyer (li.) spricht beim Aufwärmtraining mit Stürmer Arie van Lent am 1. März 2003 im Bökelbergstadion.

Erinnerung an alte Zeiten: Hans Meyer (li.) spricht beim Aufwärmtraining mit Stürmer Arie van Lent am 1. März 2003 im Bökelbergstadion.

Foto: wz/Bernd_Thissen

Der 28. Juli 2001 war ein sehr heißer Tag. Das Stadion am Bökelberg platzte aus allen Nähten. Die Anhänger von Borussia Mönchengladbach fieberten der neuen Saison entgegen, einer besonderen. Denn nach dem ersten Abstieg in der ruhmreichen Historie des Vereins zwei Jahre zuvor fand Gladbach endlich wieder im Rampenlicht der Fußball-Öffentlichkeit statt. Die Pointe: Kein Geringerer als der FC Bayern München, der Champions-League-Gewinner von 2001, gab sich zur Eröffnung der neuen Erstliga-Spielzeit die Ehre.

Borussia Mönchengladbach war zurück. Auch für Cheftrainer Hans Meyer, damals 58 Jahre alt, war es ein Spiel von spezieller Bedeutung. Der in der ehemaligen DDR groß gewordene Spieler und Trainer hatte die Borussia wieder nach oben geführt. Mission erfüllt. Der heimliche Traum, selbst irgendwann in der Bundesliga anzukommen, war für den Jenaer mit dem Umweg Twente Enschede Wirklichkeit geworden. Dass Meyers Fohlen zum Sturm bliesen und die Münchener danach nach Strich und Faden blamierten, passte wunderbar ins Bild. „Das hätte kein Drehbuch-Autor besser inszenieren können“, sagt Arie van Lent, Vollblutstürmer jener Tage und Schütze des 1:0-Siegtores, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es war einfach nur grandios“.

Am kommenden Donnerstag (3. November) feiert eben jener Hans Meyer seinen 80. Geburtstag. „Ganz ruhig, ganz privat, mit 40 Personen, alles Familie“, hat er dem VfL-Vereinsmagazin Fohlen Echo erzählt, „schließlich habe ich zehn Enkelkinder“. Ehrenmitglied Meyer gehört seit mehr als zehn Jahren dem Mönchengladbacher Präsidium an. „Hin und wieder laufen wir uns über den Weg und quatschen ein bisschen über alte Zeiten“, sagt van Lent, „gut, dass Hans Meyer noch mitmischt. Er genießt das, da bin ich sicher“. Van Lent hatte seine Gladbach-Ära als Profi fast zeitgleich mit Meyer eingeläutet.

Rainer Bonhof war 1999 zuvor mit den Fohlen sang- und klanglos abgestiegen. Als der heutige Vize die Zweitligasaison mit vier Niederlagen startete (inklusive Pokal-Aus) und trotz heftigem Veto des Ur-Borussen Berti Vogts nicht mehr zu halten war, folgte zu aller Überraschung der im Westen nahezu unbekannte Hans Meyer. Initiator war Wilfried Jacobs, seinerzeit Präsident des Klubs. Meyer hatte sich nach einer respektablen Schaffenszeit in der DDR beim niederländischen Traditionsverein Twente Enschede Meriten erworben. Doch jetzt ging es für ihn erst einmal einen Schritt zurück: von der niederländischen Ehrendivison ab in die zweite Bundesliga. „Meyer startete bei seinem Debüt gleich mit einer Niederlage gegen Alemannia Aachen“, so van Lent, „und er war richtig entsetzt ob unserer miserablen Leistung.“ Die Woche darauf folgte die Partie beim FC St. Pauli. „Mit vier Änderungen“, sagt van Lent, „unser neuer Trainer sortierte aus, und das ging auf Anhieb gut. Wir ließen hinten wenig zu, und vorne traf Marcel Ketelaer zweimal.“ Zwar reichte es im Unterhaus der Bundesliga trotz spektakulärer Aufholjagd und 19 Toren durch van Lent nicht auf Anhieb zum Wiederaufstieg, aber in der Saison darauf war es so weit. Als Tabellenzweiter hinter Nürnberg gelang der Aufstieg – und van Lent traf 14-mal. Der Mythos war zurück.

Auch in der Kabine stimmte es – trotz ironischer Untertöne

„Wir waren eingespielt, gut eingestellt und hatten ein klares Konzept. Das 4-3-3-System, das Meyer bevorzugte, funktionierte. Auch in der Kabine stimmte es“, sagt Arie van Lent rückblickend. „Ich kam mit ihm sehr gut klar. Mir gefiel Meyers direkte Art. Okay, er konnte verbissen sein und auch die ironischen Untertöne kamen nicht bei jedem an. Wir Holländer mögen das aber. Auf jeden Fall wusste jeder, wo er dran war.“

Tatsächlich war der Kauz Meyer in der Sache knallhart, manchmal sarkastisch und rigoros. Grundsätzlich pflegte er die Distanz. „Niemals wäre Hans Meyer nach dem Aufstieg oder dem fast sensationellen Sieg gegen die Bayern ausgelassen ins Entmüdungsbecken gesprungen oder hätte einen Schluck aus der Pulle genommen“, sagt van Lent. Meyer war kultig, kauzig, aber auch witzig. Bei seiner ersten Pressekonferenz in Gladbach amüsierte er die Medienvertreter mit Sätzen wie: „Ich war hier nicht dritte Wahl, sondern zwölfte.“ Oder: „In der DDR war ich so bekannt wie Udo Lattek im Westen.“ Meyer-Sprüche sind legendär. „Manche sind aber gar nicht von mir gewesen“, hat er einmal schmunzelnd zum Besten gegeben. Mit den Medien konnte er sich richtig fetzen, insbesondere dann, wenn der Boulevard seiner Auffassung nach übers Ziel hinausgeschossen war. Feindschaft konnte er ausleben. Meyer war auch ein Besserwisser.

Der bald 80-Jährige blieb bis März 2003 am Ruder, als er nach einem Remis gegen Schalke auf einem Abstiegsplatz stehend das Kapitel Borussia zunächst abschloss. Ewald Lienen übernahm und schaffte den Klassenerhalt. Beim 4:1 gegen Bremen am letzten Spieltag feierten die Fans Retter Lienen und forderten auch lautstark den vor zwei Monaten zurückgetretenen Hans Meyer, der auf der Tribüne das Spiel beobachtet hatte. Zwei Trainer, denen die Fans nach der Rettung voller Inbrunst huldigten – wann hat es das schon einmal gegeben?

Als Gladbach gleich nach dem zweiten Wiederaufstieg im Oktober 2008 tabellarisch wieder in Not war, fiel die Wahl wohl auch deshalb schnell auf Meyer. Es war abermals die richtige Entscheidung des Präsidiums (Königs, Jordan, Söllner), diesen knorrigen Trainer noch einmal zu engagieren. Man wusste ja, was man an ihm hatte. Meyer löste Jos Luhukay ab und schaffte mit 31 Punkten, die normalerweise niemals zum Klassenerhalt reichen, das schier Unmögliche. Obwohl sein Vertrag noch ein Jahr lief, zog er nach diesem zermürbenden Kampf gegen den Abstieg den Schlussstrich und bat um Vertragsauflösung: „Ich bin jetzt 66, für einen Neuaufbau fühle ich mich zu alt.“

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