Genießer Vedad Ibisevic: Das Leben ist schön

Sinsheim (dpa) - Im Sommer hätte 1899 Hoffenheim Vedad Ibisevic fast nach Blackburn verkauft, jetzt hat der Bundesligist seinen Torjäger wieder entdeckt. Der lange verletzte bosnische Nationalspieler durfte sich nach dem 1:0 (0:0)-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach als Matchwinner feiern lassen.

„Es war schön, wieder von Anfang an zu spielen. Ich wollte das einfach genießen und mein Bestes geben“, sagte der 27-Jährige nach seinem ersten Einsatz von Beginn an in dieser Bundesliga-Saison. „Dass ich dann das entscheidende Tor schieße, war noch schöner.“

Nach seinem Treffer zeigte Ibisevic auf die Tribüne, wo seine Frau Zelina saß: Die beiden erwarten in den nächsten Tagen ihr erstes Kind. Als der Mann des Tages in der 88. Minute ausgewechselt wurde, da verabschiedeten ihn die 30 150 Zuschauer mit freundlichem, aber nicht gerade donnerndem Applaus. Die Rhein-Neckar-Arena ist eben kein Tollhaus wie das Millerntor von St. Pauli, der langjährigen Heimat von Holger Stanislawski.

„Ich versuche die Leute auch zu aktivieren, dass sie dabei sind“, kommentierte der 1899-Coach die Stimmung in Sinsheim, wo die Gesänge der gegnerischen Fans selten überstimmt werden. Da sei noch Luft nach oben: „Es ist alles ausbaufähig! Aber dazu sind wir ja da.“

Ibisevic hingegen kennt und schätzt die Gepflogenheiten im Kraichgau und hat kürzlich ein neues Haus in Bad Rappenau bezogen. „Ich habe den langen Weg aus der zweiten Liga bis heute mitgemacht. Das verbindet. Nach über vier Jahren fühle ich mich immer mehr heimisch in Hoffenheim“, sagte er. „Ich liebe die Ruhe. Wenn man Abwechslung haben will, ist man schnell in Heidelberg oder Mannheim.“

Abwanderungsgedanken hatte Ibisevic vor der Saison dennoch, zumal er sich unter Marco Pezzaiuoli auch mal auf der Bank wiederfand. Dann zog sich der Angreifer, der in der sagenhaften Premierensaison der Hoffenheimer 2008/2009 mit der Herbstmeisterschaft in 17 Spielen 18 Tore erzielte, in der Vorbereitung einen Muskelbündelriss zu. Und im Sturm wirbelten plötzlich wahlweise Ryan Babel, Chinedu Obasi, Peniel Mlapa, Roberto Firmino und Gylfi Sigurdsson.

„Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, Angst habe ich nie gespürt“, sagte Ibisevic mit ruhiger Stimme über seine Konkurrenz. „Ich habe mich gefreut, wieder fit zu sein und dass ich mit diesen Spielern zusammen kicken kann.“

Nach drei vergebenen Chancen nutzte der Profi, der mit Bosnien in den Play-offs gegen Portugal noch auf das EM-Ticket hofft, die Konfusion in der Gladbacher Deckung und spitzelte den Ball ins Tor (56. Minute). „Vedo ist jemand, der vorne immer anspielbar ist und weiß, wie man sich im Sechzehner und drum herum bewegen muss“, sagte Stanislawski. „Ich freue mich, dass er wieder da ist. Er hat heute viel richtig gemacht, wenn auch nicht alles.“ Auf jeden Fall beendete Ibisevic die Torflaute seiner Elf nach 331 erfolglosen Minuten.

Hoffenheim habe ein „unglaubliches Offensivpotenzial“, lobte Gladbachs Coach Lucien Favre - im Gegensatz zu seiner Mannschaft, die diesmal maßlos enttäuschte. „Wir konnten ein 0:0 heute erreichen, mehr nicht. Wir hatten Mühe im Spielaufbau“, meinte Favre. „Wir haben das ganze Spiel über nicht zu unserer Linie gefunden“, sagte Nationalspieler Marco Reus, und Sportdirektor Max Eberl räumte ein: „Ich glaube nicht, dass wir überhaupt einen Schuss aufs Tor hatten.“

Beim Versuch, Ibisevics Treffer zur verhindern, zog sich Marc-André ter Stegen eine Fleischwunde am Knie zu. Der Torhüter konnte aber am Sonntagmorgen schon wieder trainieren und steht seinem Team auch am Dienstag im DFB-Pokalspiel beim 1. FC Heidenheim zur Verfügung. Dem Mann des Tages wollte der Keeper allerdings keine Vorwürfe machen: „Wir gehen beide mit hohem Risiko zum Ball.“

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