Borussia Mönchengladbach Sündenbock Hazard - Hecking kritisiert Gladbach-Fans

Mönchengladbach · Torhüter Yann Sommer und Hoffenheims Chancenverschwendung halten die Fohlenelf im Schneckenrennen um Europa. Der erschreckende Auftritt aber gibt wenig Zuversicht für ein "Happy End".

 Gladbachs Thorgan Hazard (r.) wird von Hoffenheims Kerem Demirbay der Ball weggespitzelt.

Gladbachs Thorgan Hazard (r.) wird von Hoffenheims Kerem Demirbay der Ball weggespitzelt.

Foto: dpa/Marius Becker

Günter Netzer, Jupp Heynckes, Berti Vogts, Herbert Laumen, "Hacki" Wimmer, Allan Simonsen, Lothar Matthäus, Hans-Jörg Criens, Stefan Effenberg und viele mehr. Große Spielerpersönlichkeiten von Borussia Mönchengladbach waren am Freitag zur erschienen. Selbst der seit Jahren sehr zurückgezogen lebende Uwe Rahn war angereist, um nebenher nachträglich die Torjägerkanone der Saison 1986/87 entgegenzunehmen. Logistische Schwierigkeiten des als Preisverleiher fungierenden sportmagazins "kicker" hatten die Auszeichnung einst vor 32 Jahren verhindert.

Damals hatte die "Fohlenelf" die letzten zehn Saison-Spiele gewonnen und so noch die Qualifikation für den Uefa-Cup geschafft. Was die Granden von einst aber am Samstag auf den Ehrenplätzen im Borussia-Park von ihren "Nachfahren" geboten bekamen, muss in der Seele weh getan haben. Nur gut, dass Vizepräsident Rainer Bonhof seit 2011 beste Kontakte zum Fußballteam des Vatikan pflegt. Himmlischer Beistand ließ die Angreifer der TSG Hoffenheim gleich reihenweise beste Chancen vergeben und Torhüter Yann Sommer über sich hinauswachsen. Dass es am Ende 2:2 stand, konnte keiner der 51 807 Zuschauer erklären.

"Das war ein ganz glücklicher Punkt, keine Frage. Wir haben besonders in der ersten Hälfte schlecht gespielt, ohne Selbstvertrauen sowie mit Fehlzündungen im Aufbau. Wir haben nicht mehr dieses Selbstverständnis, welches uns über weite Teile der Vorrunde ausgezeichnet hat und heute davon profitiert, dass Hoffenheim den Sack nicht zugemacht hat", sagte Trainer Dieter Hecking.

Bis zur Pause schlug sich der leblose Auftritt seiner Mannschaft in 1:15 Torschüssen nieder, nach 65 Minuten waren es 4:20. Doch weil nur ein Kopfball von Pavel Kaderabek in der 32. Minute sein Ziel fand, stand es da immer noch lediglich 0:1.

Bei den Fans wird die Stimmung mieser und Hazard zum Sündenbock

Auf den Rängen herrschte eine seltsame Stimmung aus Ärger und demonstrativem Desinteresse. Von den teuren Plätzen hatte es schon nach zehn Minuten Pfiffe gegeben, aus der Nordkurve mit den treuesten Anhängern hingegen kam kaum Unterstützung. Dabei hatten diese mit ihrem Banner "Verein für Leidenschaft" das Motto des Tages vorgegeben. Ihr Team aber zeigte weder Feuer noch Gier. Nach dem 0:1 forderte der Stadionsprecher dazu auf, doch bitte Stimmung zu machen - das Echo war ein "Wir woll'n euch kämpfen seh'n". Das "VfL" im Vereinsnamen scheint derzeit eher als "Verein für Leiden" interpretierbar.

Hecking missfielen die Reaktionen der Zuschauer. "Es wäre schon schön, wenn Anfeuerung da wäre." Besonders sauer stieß dem 54-Jährigen auf, dass Thorgan Hazard immer mehr zum Sündenbock auserkoren wird. Neun Treffer und zehn Tor-Vorlagen hat der Belgier auf dem Konto, seit nunmehr 1322 Minuten aber wartet er auf Treffer Nummer zehn. Die Fans konstruieren einen Zusammenhang mit dem von Hazard angestrebten Wechsel zu Borussia Dortmund. "Thorgan hat auch heute sicher wieder die besten Laufwerte gehabt. Er versucht alles, er geht nicht lachend nach Hause. Ich werde ihn schützen", sagte Hecking.

Die Bilanz seit Mitte Februar gleicht der eines Abstiegskandidaten

Es brodelt im Borussia-Park, die Stimmung wird mieser und nur die glücklichen Fügungen gegen Hoffenheim scheinen den Topf noch auf dem Deckel gelassen zu haben. Die Kraichgauer hätten mit ihren geschossenen Fahrkarten jeden Schießbudenbesitzer auf einem Jahrmarkt reich gemacht, was Matthias Ginter in der 73. Minute mit dem 1:1 bestrafte. Dass den erneuten Rückstand durch Nadiem Amiri (79.) ausgerechnet der seit dem 12. Mai 2018 auf einen Treffer wartende Josip Drmic fünf Minuten später ausglich, kam dann schon einer Realsatire nahe. "Ich bin glücklich, für mich war der Treffer wie eine Explosion", sagte Drmic.

Gladbach sichert sich glücklichen Punkt - die Bilder
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Foto: dpa/Marius Becker

Von der scheint die "Fohlenelf" dagegen weit entfernt. Zwar forderte der überragende und von der spanischen Zeitung "Marca" mit dem FC Barcelona in Verbindung gebrachte Torhüter Yann Sommer aus den verbleibenden zwei Spielen in Nürnberg und gegen Dortmund sechs Punkte für das Ziel Europa, dies aber käme einem Quantensprung gleich. Seit dem Sieg auf Schalke Mitte Februar gab es in zwölf Partien nur zwei siege, zehn punkte sowie zehn Tore. Das 2:2 gegen Hoffenheim war zudem das siebte sieglose Heimspiel in Folge.

Es scheint, als hätte jemand der bis Februar so rund gelaufenen Maschine den Stecker gezogen. Gladbachs Spiel hat dramatisch an Tempo, Ideen, Torgefahr und auch an Durchsetzungsvermögen verloren. "Wer von Europa redet, der muss anders auftreten. Das Zweikampfverhalten einiger Spieler war nicht bundesligatauglich", sagte Hecking. Er sagte dies nach dem müden 0:1 beim VfB Stuttgart vor einer Woche, er hätte es am Samstag genau so wiederholen können. Dass Yann Sommer von allen Borussen die meisten Ballkontakte verzeichnete, spricht Bände. Und gegen ein "Happy End" dieser so trostlos gewordenen Rückrunde.

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