Analyse Borussia Mönchengladbach in der Krise: Was zum Glück alles fehlt

Analyse | Mönchengladbach · Das Ziel ist klar, doch Borussia Mönchengladbach steckt vor dem Spiel beim FC Bayern München in der Krise. Welche Probleme es zu lösen gilt.

Szene aus Berlin, beim 1:4 aus Gladbacher Sicht: Gladbachs Marcus Thuram (l.) gegen Herthas Marton Dardai (r.) und Marvin Plattenhardt (M.).

Szene aus Berlin, beim 1:4 aus Gladbacher Sicht: Gladbachs Marcus Thuram (l.) gegen Herthas Marton Dardai (r.) und Marvin Plattenhardt (M.).

Foto: dpa/Soeren Stache

Das Ziel ist klar. Borussia Mönchengladbach will Ballbesitz-Fußball spielen, so ähnlich wie in den guten alten Zeiten, um eben an diese guten alten Zeiten anknüpfen zu können. Aus diesem Grund ist Daniel Farke an den Niederrhein geholt worden, nachdem die Rückkehr von Lucien Favre nicht hatte sein sollen. Farke nicht Favre, das ist nicht zweite Wahl und erste Wahl, das sind unterschiedliche Ansätze. Hier der Trainer, der sein Team am Ball sehen will, dort der Trainer, der das Spiel seiner Teams perfektionieren, der von allem etwas will - Tempo, Konter, Dribblings, Defensive, Ballbesitz - und im Ruf steht, jeden Spieler besser machen zu können. Letzteres ist Farke im Borussia Park noch nicht gelungen.

Gladbach will kontrollieren,
lässt aber zu viele Chancen zu

Die Ballbesitz-Statistik der Gladbacher ist hingegen fulminant. Am vergangenen Sonntag erreichte der Wert 70 Prozent. Dass es allein aber noch keinen Erfolg verspricht, den Ball in den eigenen Reihen zu haben, zeigte dann aber die ernüchternde 1:4 - Niederlage beim inzwischen geerdeten Big City-Klub von Berlin. 1:4 bei einer Mannschaft, die viele Beobachter auf dem Weg in die 2. Liga sehen. 70 Prozent Ballbesitz, aber 8:18 Torschüsse. Insgesamt hat Gladbach in 20 Spielen den Ball 228-mal in Richtung Tor des Gegners gebracht, umgekehrt wurde das Gehäuse der Borussia bisher 286-mal bedroht. Für eine Mannschaft, die das Spielgerät grundsätzlich kontrollieren will, ist das kein befriedigender Wert. Denn was nützt der Ball am eigenen Fuß, wenn wieder und wieder nichts Zählbares dabei entsteht? Gladbach ist im grauesten Mittelfeld der Tabelle angekommen. Und am Samstag steht das Treffen mit Rekordmeister Bayern München auf dem Spielplan. Wer dann mehr Ballbesitz haben wird, steht außer Frage.

Vielleicht ist das jedoch die Chance für Gladbach. Erstaunlicherweise glänzt der technisch so beschlagene Kader gegen Mannschaften, die qualitativ höher eingeschätzt werden. Dann erinnern die Fohlen wieder an die Mannschaft, die noch vor kaum mehr als zwei Jahren durch Europa reiste. Offensichtlich war das beim 3:0 gegen RB Leipzig und auch beim atemberaubenden 4:2 gegen Borussia Dortmund. Da sind die Gladbacher dem Objekt der Begierde häufiger hinterhergelaufen. Das taten sie jedoch mit einer Entschlossenheit, mit einer auch körperlichen Präsenz, die in vielen anderen Partien davor und danach einfach fehlte.

Anscheinend benötigt Ballbesitzfußball hier und da also anderes Personal. Das spricht für die These von Farke und Sportdirektor Roland Virkus, dass die Mannschaft sich im Umbruch befinde. Und wenn das so ist, dann kann es auch sein, dass der Ballbesitz-Fußball, wie der Trainer vielleicht sehen will, so noch gar nicht möglich ist. Denn es ist tatsächlich so, dass Borussia Mönchengladbach sich seine Gegner in vielen Spielen zurechtlegt. Die Ballstafetten aus der Defensive ins offensive Mittelfeld wirken einstudiert und sicher. Fehlpässe sind selten. Bis 30 Meter vor des Gegners Tor sieht das Spiel gegen die vermeintlich unterlegene Mannschaft oft zwar sehr langatmig, jedoch souverän aus. Aber dann.

Gladbach schießt in vielen Spielen deutlich seltener aufs Tor als der Gegner. Beim Sieg in Hoffenheim schaffte der Gastgeber Hoffenheim es doppelt so häufig wie die Gladbacher, bei der Niederlage in Augsburg war es ähnlich, auch Bochum, Union Berlin und Schalke kamen häufiger zum Abschluss. Das spricht für zweierlei: Gladbach brauchte relativ wenig Chancen, um bisher 35 Tore zu erzielen, Gladbach hat aber auch relativ wenig Chancen.

Womöglich ist das eine der Baustellen, die Farke und Virkus im Umbruch des Kaders sehen. Offensichtlich sind einige Spieler im Team der Gladbacher zwar problemlos in der Lage, im letzten Drittel vor des Gegners Tor gescheite Pässe zu spielen. Lars Stindl kann das überdurchschnittlich gut, Jonas Hofmann ist dafür ein Experte, Florian Neuhaus auch, wenn er spielt, und Manu Koné ist auf dem besten Wege, ein solcher Fachmann zu werden. Misslich ist allerdings, dass weiter vorn keine Adressaten für solche Zuspiele zu finden sind. Marcus Thuram ist ein Offensivjuwel, aber kein Strafraumstürmer, dazu fehlen ihm anscheinend der schnelle Antritt, die Beweglichkeit. Weitere Spieler für die forderste Linie gibt Gladbachs Kader nicht her.

Am Samstag ist der FC Bayern zu Gast in Mönchengladbach

Mit dem Plan, im Spiel der eigenen Mannschaft grundsätzlich auf Ballbesitz zu setzen, ist Borussia Mönchengladbach in der aktuellen Fußball-Bundesliga ziemlich allein auf weiter Flur. In Deutschlands Stadien wird der Ball gejagt, wird das Konterspiel perfektioniert, ist Tempo Trumpf. Auch international gibt es neben Manchester City nicht viele Teams, die ähnlich agieren wollen wie die Gladbacher, Pep Guardiola zeigt seit vielen Jahren, wie es geht.

Ballbesitz hat den Charme, dass der Gegner kein Tor schießen kann, wenn er den Ball nicht hat. Aber für so ein Spiel braucht es eben entsprechende Spieler. Die hat Borussia Mönchengladbach noch nicht in ausreichendem Maße.

Deshalb trifft es sich gut, dass an diesem Samstag Bayern München seine Visitenkarte im Borussia Park abgibt und Gladbach dem Ball vermutlich viel hinterherlaufen muss. Vermutlich erwartet nach den Bundesliga-Spielen gegen Schalke und in Berlin niemand einen Punktgewinn der Gastgeber. Die Beispiele Leipzig und Dortmund haben aber gezeigt, dass Borussia Mönchengladbach auch anders kann, wenn es sein muss. Am Samstag um 15.30 Uhr müsste es tatsächlich wieder einmal sein, damit es am beschaulichen Niederrhein in Ruhe Frühling werden kann.

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