Vor Spitzenspiel Reus und Favre – das BVB-Traumpaar

Dortmund · Für den unter Lucien Favre zum Führungsspieler gereiften Profi ist das Duell mit den Bayern sein erstes als BVB-Kapitän.

05.11.2018, Spanien, Madrid: Fußball: Champions League, Gruppe A, vor dem 4. Spieltag im Stadion Wanda Metropolitano. Dortmunds Trainer Lucien Favre (r) und Marco Reus laufen nebeneinander. Der BVB spielt am Dienstag bei Atlético Madrid. Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

05.11.2018, Spanien, Madrid: Fußball: Champions League, Gruppe A, vor dem 4. Spieltag im Stadion Wanda Metropolitano. Dortmunds Trainer Lucien Favre (r) und Marco Reus laufen nebeneinander. Der BVB spielt am Dienstag bei Atlético Madrid. Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: Bernd Thissen/dpa/Bernd Thissen

Die Bilder von den Erfolgsjahren mit dem ehemaligen Trainer Jürgen Klopp sind immer noch sehr lebendig in Dortmund. Gerne wird in den Erinnerungen an diese Zeit geschwelgt, doch bis zum vorigen Sommer waren solche Rückblicke auch immer ein bisschen schmerzlich für den schwarz-gelben Anhang. Weil sie immer im Kontrast zu einer weniger erfreulichen Gegenwart standen, zur konfliktreichen Zeit mit Thomas Tuchel, zum Absturz mit Peter Bosz, zur erdrückenden Überlegenheit des FC Bayern. Doch nun sagt nicht nur der Münchner Verteidiger Mats Hummels, der in den Meisterjahren 2011 und 2012 beim BVB zum Nationalspieler reifte: Die Unbeschwertheit des Spiels  und „die Atmosphäre im Verein erinnern an die ersten Kloppo-Jahre“, es mache ihm viel „Spaß, das anzusehen“.

Der BVB könnte den Bayern
auf sieben Punkte enteilen

Viele Profis sind jedoch nicht mehr übrig aus den alten Erfolgstagen, nur noch Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer spielen weiterhin für Borussia Dortmund. Und natürlich Marco Reus, der die Meisterjahre zwar verpasste, der aber im Sommer 2012 zum Team stieß, das die Champions League aufmischte und erst im Finale gegen die Bayern verlor. Nun sagt Reus in einem Interview: „Hier entwickelt sich wieder was.“ Sollte der BVB die Bayern an diesem Samstag schlagen, würden sie ihren Vorsprung auf den Rekordmeister auf sieben Punkte ausbauen, im Pokal stehen sie im Achtelfinale, in der Champions League sind die Perspektiven ebenfalls hervorragend.

Und Reus ist im Gegensatz zu Schmelzer und Piszczek, die um ihre Einsatzzeiten kämpfen müssen, der schillernde Anführer dieser aufstrebenden Borussia. Ein Kapitän aus dem Bilderbuch: überzeugend auf dem Platz, Torjäger, Torvorbereiter, Wortführer und Stütze für die Jüngeren. Es hat lange gedauert, bis er diesen Status erreicht hat. Jahrelang wirkte Reus etwas scheu, genervt von den Aufgeregtheiten der Öffentlichkeit; das in Dortmund weit verbreitete (und vermutlich nicht ganz falsche) Gefühl, von den Kritikern irgendwie ungerecht behandelt zu werden, hatte auch ihn erfasst. Es gab die sogenannte Führerscheinaffäre.  Reus war lange ohne die erforderliche Erlaubnis Auto gefahren. Der mittlerweile 29-Jährige hatte viel Pech mit Verletzungen, er verpasste die WM 2014 und musste zusehen, wie die Kollegen ohne ihn den größten Titel überhaupt gewannen. Und es gab die These, Reus leide nicht nur unter Prüfungsangst in der Fahrschule, sondern grundsätzlich unter einer lähmenden Furcht vor den besonders wichtigen Momenten des Lebens.

Als ganz junger Spieler in Mönchengladbach sagte er vier Mal Einladungen zu seinem ersten Länderspiel ab, meist konnte er für seinen Club aber sofort wieder antreten. Reus’ Schüchternheit, sein Respekt vor dem ganz grellen Rampenlicht habe hier eine entscheidende Rolle gespielt, hat der Gladbacher Sportdirektor Max Eberl mal erzählt, der Reus einst bei LR Ahlen entdeckte und in die Bundesliga holte. Diese Verletzlichkeit machte den Angreifer einerseits sympathisch, andererseits stand er sich aber immer wieder selbst im Weg. Doch jetzt ist er wieder mit seinem liebsten Trainer vereint. Unter der Anleitung von Lucien Favre wurde Reus in Mönchengladbach zum Star, nun ist er unter dem Schweizer erstmals Kapitän, „Marco ist jetzt ein erfahrener Spieler, er muss Vorbild für die anderen sein“, sagt der Schweizer Fußballtüftler.

Der 29-Jährige liegt auf
Platz zwei in der Scorerliste

Mit dieser Herausforderung kommt Reus, der in der Jugend beim BVB für zu schmächtig befunden und aussortiert wurde, hervorragend zurecht. „Wir sind mit unserer Teamentwicklung sehr zufrieden“, berichtet Sportdirektor Michael Zorc und formuliert damit auch ein verstecktes Lob für den Angreifer, der viel zu dem Entwicklungsprozess beitrug. Besonders gut sichtbar wurde Reus’ Bedeutung für das Alltagsklima beim BVB, als er auf eine Frage des TV-Experten Lothar Matthäus nach den Problemen von Mario Götze, eine sehr entschlossene Antwort gab.

Vor laufenden Kameras wies der einstmals so zurückhaltende Reus den ehemaligen Weltstar zurecht, mit genau dem richtigen Tonfall, streng und klar: „Wir sollten echt so langsam damit aufhören, jeden Tag über Mario zu sprechen. Das tut dem Jungen einfach nicht gut. Der Junge will einfach nur Fußball spielen, wir sollten alle Ruhe einkehren lassen. Das bringt nichts.“

Tatsächlich wurde es danach ruhiger um Götze, und die Leistungen des Ex-Nationalspielers verbesserten sich deutlich. Aber solche Impulse wären natürlich nur halb so viel wert, wenn Reus nicht so gut spielen würde. Mit sechs Toren und fünf Assists steht er hinter Sébastien Haller auf Platz zwei der Scorerliste, hinzu kommen drei weitere Treffer und zwei Vorlagen in der Champions League und im DFB-Pokal. „Ich fühle mich jetzt endlich topfit und richtig gesund“, sagt Reus, und dass er bald Vater wird, gehört auch zu den erfreulichen Entwicklungen in seinem Leben. Selten ist Marco Reus unter derart guten Voraussetzungen in ein Duell mit dem FC Bayern gegangen.

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