Interview Boris Pistorius (SPD): „Der Profifußball hat eine Sonderrolle“

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) will, dass die Bundesliga alles finanziert – und später beginnt als am 9. Mai.

 Boris Pistorius (SPD), Innenminister von Niedersachsen.

Boris Pistorius (SPD), Innenminister von Niedersachsen.

Foto: Christophe Gateau/dpa/Christophe Gateau

Herr Pistorius, die Bundeskanzlerin mahnt zur Vorsicht, Jens Spahn, Markus Söder und Armin Laschet verkünden, dass ab 9. Mai der Ball in der Bundesliga wieder rollt – wie passt das zusammen?

Boris Pistorius: Vordergründig gar nicht. Denn die Kanzlerin hat Recht: Unvorsichtige Lockerungen sind gefährlich. Aber keine Lockerungen sind auch keine Lösung. Diese Lockerungen müssen jedoch einhergehen mit klaren Ansagen, Auflagen und Bedingungen. Nur, wenn jeder weiß, was seine Verantwortung ist, wie weit sie reicht und welche Konsequenzen es hat, wenn er sie nicht einhält, ist es möglich, dass der Ball wieder rollt. Im Profifußball wohlgemerkt.

Der Profifußball hat also eine Sonderrolle.

Pistorius: Ja, das hat er. Es gibt hierzulande keine Profi-Sportart, die eine solche wirtschaftliche Bedeutung hat wie der Fußball. Deshalb kann man die Situation auch nicht mit der des Basketballs oder Handballs vergleichen.

Alfons Hörmann, der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, sieht das anders. Er ist gegen eine Sonderrolle für den Profifußball.

Pistorius: Der Handball hat Fakten geschaffen und die Saison für abgeschlossen erklärt. Das ist bitter, wenn eine Spielzeit so endet, keine Frage. Aber auch konsequent. Andere Sportarten können meines Wissens nach nicht von den Einnahmen des Fernsehens leben. Geisterspiele machen hier keinen Sinn. Daher ist das Modell des Profifußballs, und das sind maximal die ersten drei Ligen, nicht übertragbar. Abgesehen davon wäre es für andere Sportarten auch nicht finanzierbar. Die DFL muss ein durchexerziertes Programm vorlegen zur Sicherstellung entsprechender Folgen. Ein solches Konzept kostet richtig Geld.

Und es kann nur funktionieren, wenn der Profifußball das selbst finanziert – ohne Unterstützung des Staates.

Pistorius: Ja. In dem Konzept gibt es insgesamt drei wichtige Punkte: Die Sicherheit muss gewährleistet sein, die medizinischen Aspekte müssen stimmen, und der Profifußball muss das selbst finanzieren – daran darf es überhaupt keinen Zweifel geben.

Ist es denn möglich, das bis 9. Mai umzusetzen und zu prüfen?

Pistorius: Bei dem Datum des 9. Mai ist, glaube ich, eher der Wunsch Vater des Gedanken. Ich bin skeptisch, dass Mannschaften, die erst seit knapp zwei Wochen wieder im eingeschränkten Trainingsbetrieb sind, am 9. Mai schon wieder im Wettkampfmodus sein sollen. Davon abgesehen braucht die Installation dieses Konzeptes einen Vorlauf. Am Ende muss das ohnehin nicht die Politik entscheiden, sondern der Fußballverband muss sagen, wann er kann und will. Ich denke aber, wenn es eine oder zwei Wochen später ist, ist das für alle Beteiligten besser als ein voreiliger Neustart.

Die Sportministerkonferenz spricht von Mitte, Ende Mai.

Pistorius: Ja. Denn wir müssen auch sagen: Jede Maßnahme, die man jetzt lockert, egal in welchem Bereich, muss immer unter dem klaren Vorbehalt stehen, dass sich das Infektionsgeschehen in den nächsten zehn bis 14 Tagen maßgeblich zum Nachteil verändert. Würde das passieren, würde jeder Lockerungsmaßnahme die Grundlage entzogen. Auch deshalb ist ein Datum Mitte, Ende Mai für den Neustart naheliegender.

Ein DFL-Modell besagt, die Spieler sollen regelmäßig getestet werden. 20 000 Tests würden dafür benötigt. Müssten da nicht Krankenschwestern und Ärzte an erster Stelle stehen?

Pistorius: Die Produktionskapazitäten der Tests steigen, aber natürlich müssen sie erst einmal denjenigen zur Verfügung gestellt werden, die sie brauchen – etwa denjenigen, die in sensiblen Berufen arbeiten oder einer gefährdeten Gruppe angehören. Auch das spricht dafür, die Wiederaufnahme nicht zu übereilen.

Sie haben die wirtschaftliche Wucht des Profifußballs angesprochen. Bricht der Profifußball weg, fehlen dem Staat wichtige Einnahmen.

Pistorius: Das stimmt, aber es geht weit über den Einnahmeaspekt des Staates hinaus. Am Profifußball hängen auch viele Arbeitsplätze. Ein Verein, der einmal in die Insolvenz gegangen ist, kommt so schnell nicht wieder. Das gilt natürlich auch für Firmen, aber für diese gibt es Zuschüsse und Subventionen, für Profivereine nicht. Von daher wäre es gut, wenn man vermeiden kann, dass Teile des Fußballs in die Grätsche gehen.

Die Meinung in der Fanszene ist gespalten. Was sagt der Fußball-Fan Pistorius?

Pistorius: Ich würde mich freuen, wieder Fußball zu sehen – meine Begeisterung über Geisterspiele im Fernsehen hält sich allerdings in Grenzen

Sie gelten in der Debatte um die Sicherheit rund um ein Fußball-Spiel als klarer Verfechter der Ansicht: Diese zu gewährleisten ist die Aufgabe des Staates. Wie ist das jetzt?

Pistorius: Wir werden in diesen Zeiten nicht die Polizei rausschicken, um Ansammlungen von Fans vor Fußballstadien zu verhindern. Das wird die Aufgabe der Vereine und Stadionbetreiber sein. Natürlich wird die Polizei einschreiten, wenn es gefährliche Ansammlungen geben sollte. Aber Aufgabe der Vereine ist es, genau solche Szenarien zu verhindern. Das gehört zum Konzept.

Wie ist der Entscheidungsweg?

Pistorius: Am 30. April tagen die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, dort soll das Papier vorgelegt werden. Vorher gibt es noch auf der Ebene der Chefs der Staatskanzleien eine Vorbesprechung.

Sprich vor dem 30. April wird es keine Entscheidung geben.

Pistorius: Exakt. Auch daher ist der 9. Mai als Datum der Umsetzung sehr unrealistisch.

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