Saisonrückblick Am Rhein ist das Geld knapp

Köln · Kölns Trainer Steffen Baumgart richtet den Blick auf die Zukunft – mit einer gehörigen Portion Freude, aber auch der einen oder anderen Sorge.

 FC-Trainer Steffen Baumgart freut sich über eine gute Saison und möchte die gute Stimmung mit in die neue Spielzeit nehmen.

FC-Trainer Steffen Baumgart freut sich über eine gute Saison und möchte die gute Stimmung mit in die neue Spielzeit nehmen.

Foto: Oliver Berg/dpa/Oliver Berg

Der Mann ist ein Sympathieträger, dem das „kölsche Lebensgefühl“ zusagt. Als er vor der aktuellen Saison zum 1. FC Köln kam, hatte Friedhelm Funkel in der Relegation gegen Holstein Kiel gerade den erneut drohenden Abstieg verhindert. „Wenn ich im November noch hier bin, ist ja schon einmal etwas geschafft“, sagte Cheftrainer Steffen Baumgart damals vor Saisonbeginn. Der ehemalige Profi aus Rostock, der bei Energie Cottbus in 225 Bundesligaspielen 29 Tore erzielte, steht nach einer Vorzeige-Saison in Köln vor der Vertragsverlängerung. Und vor einer Zukunft, die die aktuellen Leistungen der Mannschaft bestätigen soll. Und das bei einem um 20 Prozent reduzierten Personaletat.

Was Baumgart nicht schreckt. „Es gibt genügend Vereine, die viel weniger für ihre Mannschaft ausgeben als wir und trotzdem erfolgreich spielen. Mit Paderborn hatte ich einen der geringsten Etats der Zweiten Liga – und trotzdem sind wir aufgestiegen“, sagte Baumgart zuletzt im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Mit Paderborn gelang Baumgart der Durchmarsch von der dritten in die erste Liga. In Köln sorgte er früh für Planungssicherheit, der FC spielte die erfolgreichste Saison seit mehr als 30 Jahren. Wenn die letzten beiden Saisonniederlagen gegen den VfL Wolfsburg und beim VfB Stuttgart nicht gewesen wären, hätte aus der sicheren Qualifikation für die Play-offs der Conference League auch die Europa League oder gar die Champions League werden können. Baumgart sorgt sich schon jetzt, dass sich die höhere Frequenz durch die internationalen Spiele negativ auf das Training auswirken könnte. Bei aller Freude über den siebten Tabellenplatz.

In Stuttgart flüchtete er sich nach dem 1:2 (0:1) beim Platzsturm der Fans als einer der ersten in die Stadionkatakomben, zwei Niederlagen zum Saisonende ärgerten ihn, aber den Eindruck einer großartigen Spielzeit konnte das nicht mehr schmälern. „Wir haben in dieser Saison unsere Art, Fußball zu spielen, entwickelt und gezeigt, die letzten beiden Spiele sind nicht schön, aber zu verkraften. Wenn wir das Erreichte mit in die nächste Saison nehmen, dann ist das alles absolut okay“, sagte Baumgart dieser Zeitung. Als Baumgart sich abends auf dem Weg zum Mannschaftsbus von Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat verabschiedet, sagt der beeindruckt: „Steffen ist für mich einer der herausragenden Trainer in der Bundesliga.“ Mit dieser Meinung steht er nicht allein. „Wir freuen uns über die Saison, aber nicht über das Spiel in Stuttgart“, sagte Torwart Marvin Schwäbe. Allein er hielt den FC „mit unfassbaren Paraden“ (Mislintat) im Spiel. Von Vorgänger Timo Horn spricht keiner mehr, seine Zukunft ist offen. Erst in der Nachspielzeit musste der Kölner Torwart den Kopfball von Wataru Endo chancenlos passieren lassen.

Anthony Modeste kam erst in der 45. Minute zu seiner ersten Chance, er war es dann aber auch, der im zweiten Durchgang in der 59. Minute den Ausgleichstreffer erzielte, als VfB-Torwart Florian Müller eine harmlose Flanke von Florian Kainz nicht festhalten konnte. Es war der 20. Saisontreffer des Franzosen, der trotz Millionenofferten aus Saudi-Arabien in Köln bleiben wird. Trotz der Niederlage herrscht Euphorie am Rhein, die Mannschaft feierte in der Kabine, Baumgart landete im Entmüdungsbecken. Der Club spielt erstmals seit fünf Jahren und erst zum zweiten Mal in drei Jahrzehnten wieder international. Modeste will trotz seiner 33 Jahre auf jeden Fall noch eine Saison bleiben. „Wer hat gesagt, dass ich den Verein verlasse. Niemand hat das gesagt, Conference League ist auch schön, Champions League wäre natürlich schöner gewesen“, sagt der Franzose, der unter Baumgart eine Art Wiedergeburt erlebte, engagiert, torgefährlich, die Fans tragen ihn auf Händen. Vor fünf Jahren wechselte er nach China, wurde total unglücklich wie der FC, der in der Gruppenphase der Europa League bereits ausschied und am Ende der Saison in die 2. Liga musste. Modeste wird finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, wenn er bleibt, am Rhein ist das Geld knapp.

Louis Schaub und Jannes Horn werden den FC verlassen, Leihspieler Luca Kilian soll unbedingt bleiben, der FSV Mainz 05 verlangt zwei Millionen Euro Ablöse. Dimitrios Limnios (Twente Enschede) und Yann Aurel Bisseck (Aarhus) sind ausgeliehen, die Zukunft von Sebastian Andersson, Ellyes Skhiri, des jüngst suspendierten Ondrey Duda und Kingsley Ehizibue ist offen. Torwart Timo Horn, Baumgarts neue Nummer zwei, steht vor dem Absprung. Modeste und Salih Özcan will Baumgart unbedingt halten.

Fest steht bisher offenbar nur der Zugang von Außenspieler Linton Maina von Zweitligist Hannover 96, das ist jedoch zu wenig für das europäische Geschäft. Baumgart sagt: „Wir sind mit neuen Spielern im Gespräch, wir müssen noch abwarten.“

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