Fortuna Düsseldorf Fortuna Düsseldorf — zurück im Leben

Der Tabellenführer der 2. Bundesliga hat ganz neue Stärken, die ihn am Ende weit bringen können. Sogar in die erste Liga.

Fortuna Düsseldorf: Fortuna Düsseldorf — zurück im Leben
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Düsseldorf. Das DFB-Pokalspiel am 24. Oktober zwischen Fortuna Düsseldorf und Borussia Mönchengladbach ist längst ausverkauft. Mit 50 000 Anhängern. Aber gehandelt werden die Tickets auf Schwarzmarkt und in Online-Foren wie heiße Dealerware. Seltene Stücke, Angebot und Nachfrage. Spätestens nach dem 3:1-Sieg und einem sagenhaften Fußball-Spiel in der 2. Fußball-Bundesliga gegen den MSV Duisburg am Montagabend hat sich die Stimmung in der Stadt verändert. Fußball wird in Düsseldorf wieder fühlbar, Fortuna hat sich zurückgemeldet aus der vermeintlichen Bedeutungslosigkeit. Als habe man einen Wasserteich nach langem Weg durch die Wüste entdeckt. Plötzlich, sagen viele, scheint sogar ein Gegner wie Borussia Mönchengladbach wieder schlagbar.

Seit Montagabend wird Friedhelm Funkel (63) durch die Gazetten gejagt. Erster, fünf Punkte Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz — da braut sich was zusammen in der Landeshauptstadt. Und immer ist Funkels Alter Thema. Des Krefelders Wirken mit Co-Trainer Peter Herrmann (65) und Sportvorstand Erich Rutemöller (72) wird als Rentnergang auf Rettertour beschrieben. Ein bisschen Großer Bellheim in Düsseldorf. Das ist eine wunderbare Geschichte, aber sie erzählt längst nicht alles.

Nicht mehr viel erinnert plötzlich an die Tristesse des vergangenen Jahres. Der neue Aufbau einer Mannschaft mit zehn Zugängen im Sommer folgt offensichtlich einem Plan: Die Auswahl in den weiß-roten Trikots ist jetzt ziemlich gut besetzt, auch in der Breite. Das war sie zuvor gar nicht. Nach einem Jahr des Aufbaus, in dem eine mittelmäßige Auswahl einige Säulen für die Zukunft aufgebaut hat, folgt nun der nächste Schritt: Es geht darum, (Spieler-)Werte zu schaffen und zugleich sportlich erfolgreich zu sein. „Das ist ein schmaler Grat“, sagt Fortuna-Vorstand Robert Schäfer, „und wir stehen dabei auch erst am Anfang.“

Trotzdem kann Schäfer Ergebnisse vorweisen: Etwa mit den Ex-Schalkern Kaan Ayhan (Vertrag bis 2018) und Marcel Sobottka (bis 2022), die deren Ex-Verein FC Schalke 04 ohne Rückkaufrecht hat gehen lassen, was ziemlich erstaunlich ist. Beide steigern ihren Wert dieser Tage. Im Fall Ayhan soll Fortuna sogar eine Klausel haben, den Kontrakt im Sommer verlängern zu können. Auch Stürmer Rouven Hennings ist bis 2020 gebunden und vermittelt nicht nur spielerische-, sondern auch vermehrt Führungsqualität.

Der neue Düsseldorfer Trumpf könnte überdies Benito Raman werden, ein 22 Jahre alter kleiner und nur 61 Kilo schwerer Belgier, der an den einstigen Fortunen Robbie Kruse erinnert, aber noch viel besser Fußball spielen kann. Auf die Ausleihe von Standard Lüttich haben sich die Düsseldorfer eine Kaufoption gesichert. Zur Eile drängt niemand, über die gesamte Vertragslaufzeit kann Fortuna diese Option ziehen: Raman „droht“ ein richtig gutes Geschäft zu werden. „Wir haben ihn vier Mal live vor Ort gesichtet und das wirklich gut vorbereitet“, sagt Schäfer. „Wir wussten, dass er uns mit seiner Schnelligkeit helfen kann.“

Schnelligkeit als Kaderbedarfsmerkmal — die verkörpern auch Hennings und der aus Stuttgart ausgeliehene Jean Zimmer, auch der von Borussia Mönchengladbach verliehene Florian Neuhaus im Spielaufbau. Sie alle dynamisieren das Düsseldorfer Spiel, das zuvor viel zu träge daher kam. Es ist auch kein größeres Geheimnis, dass Trainer Friedhelm Funkel ob des zuvor stetig sinkenden Zuspruchs der Fan-Gemeinde zum offensiveren Spiel auch ein wenig geschoben werden musste. Funkel selbst würde es nicht zu Unrecht anders darstellen: Er, seit Jahrzehnten Pragmatiker im aufgeregten Fußball-Business, orientiert sich stets am Machbaren. Noch am Montag sagte Funkel über den Unterschied zur vergangenen Saison: „Wir haben jetzt einfach einen viel stärkeren Kader.“ Kein Widerspruch.

Schäfer, der zuletzt schon bei Dynamo Dresden beachtete Aufbauarbeit geleistet hat, ist voll des Lobes: „Friedhelm Funkel ist ein Top-Trainer mit modernen Methoden, der sich immer weiterentwickelt. Auch das ist eine große Stärke von ihm.“ In den jetzt erscheinenden Geschichten lassen sie Funkel stets sagen, dass er sich kaum unterscheide von dem Arbeitsstil eines Julian Nagelsmann in Hoffenheim. Es ist ja ohnehin eineausgesprochene Unsitte der Fußball-Analytik, junge Trainer automatisch für gute Trainer zu halten. Wenn man sieht, wie Funkel rotiert, gegen Duisburg die Mannschaft auf den Gegner eingestellt hat und stets die Stimmung hochhält, muss man kostatieren: der Mann hat ohnehin beinahe kontinuierlich Erfolg gehabt. Und das scheint sich in Düsseldorf nicht zu ändern. Mit einer Mannschaft, in der sich Spieler auch Gedanken machen. Der aus Fürth gekommene Niko Gießelmann etwa hat am Montag eine astreine Spielanalyse abgelegt, vier Minuten nach dem Schlusspfiff: Seine Mannschaft lasse zu schnell schleifen, vorne werdezu oft zu spät angegriffen. „Das müssen wir endlich ändern, sonst wird es schwer“, sagte Gießelmann. Selten hat man von Zugängen solche Töne gehört.

Dass das Ganze nicht nur zum Intermezzo taugt, ist absehbar, auch wenn in Düsseldorf jeder zurückzieht, den man zu Euphorie verleiten will. „Wir müssen hart und konzentriert arbeiten. Wir haben das doch in Fürth gesehen, wie eng es in der Liga zugeht: Da haben wir deutlich und verdient mit 1:3 verloren“, sagt Vorstand Schäfer zur bislang einzigen Niederlage. Klar ist: Kann Düsseldorf das Niveau noch einige Wochen in einer 2. Liga halten, in der es gute, aber keine überragenden Gegner gibt, könnte der Verein im Winter noch einmal nachlegen, um die Wahrscheinlichkeit auf den Aufstieg signifikant zu erhöhen. „Der sportliche Bedarf ist maßgeblich. Durch den Transfer von Bebou nach Hannover sind wir handlungsfähig“, sagt Schäfer dazu. Und schränkt erst im nächsten Satz ein: „Aber: Wir würden sicher nur wirtschaftlich vernünftige Sachen machen — und nicht auf Teufel komm raus investieren.“ Vernünftig — das würde zur aktuellen Entwicklung passen.

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