Eishockey Eishockeyprofis sollen auf Gehalt verzichten

Nichts ist mehr, wie es war, ist in diesen Zeiten immer wieder zu hören. Das stimmt im Fall von Stefan Adam nicht so ganz. Wie jedes Jahr wird der Arbeitsalltag des DEG-Geschäftsführers auch in diesem Mai von einem Thema beherrscht: der Lizenzierung für die kommende Saison in der Deutschen Eishockey Liga.

 DEG-Verteidiger Marco Nowak gehört zu den rund 80 Profis, die sich zusammengeschlossen haben.

DEG-Verteidiger Marco Nowak gehört zu den rund 80 Profis, die sich zusammengeschlossen haben.

Foto: Birgit Häfner

Am Sonntag ist Stichtag, dann müssen die Unterlagen im Ligabüro in Neuss eingereicht sein. Und das ist dieses Mal – da trifft der Satz zu Beginn dann auch auf Stefan Adam zu – ein besonders kniffliges Unterfangen. Natürlich haben sie es an der Brehmstraße seit Jahren nicht leicht, den sportlichen wie wirtschaftlichen Unwägbarkeiten zum Trotz einen stimmigen Finanzplan aufzustellen. Doch in Corona-Zeiten ist das noch mal alles schwieriger.

Zwar konnte die DEG das vergangene Geschäftsjahr trotz der ausgefallenen Play-offs mit einem „hellblauen Auge“ beenden, wie Adam vor einigen Wochen sagte. Was auch daran lag, dass die Fans fleißig Fanartikel und „Solidaritärstickets“ kauften oder auf die Rückerstattung bereits bezahlter Play-off-Tickets verzichteten. Zudem verlängerten mehr als 95 Prozent ihre Dauerkarte. Doch ob die DEG das Geld behalten darf, anteilig oder gar komplett zurückerstatten muss, weil die Saison verschoben, verkürzt oder gar ganz ausfällt, weiß derzeit niemand. Ebenso wenig, welcher Sponsor nach der Krise noch genug Geld für einen Eishockeyverein übrig hat. Bereits jetzt sind sich Beteiligte wie Beobachter einig: Die kommende Saison wird für die 14 DEL-Klubs eine deutlich größere Herausforderung als die im März abgebrochene.

 Stefan Adam, Geschäftsführer der DEG.

Stefan Adam, Geschäftsführer der DEG.

Foto: Horstmüller

„Wir haben aktuell in allen Teamsportarten die Unsicherheit, wann und wie ein Spielbetrieb wieder vor Zuschauern stattfinden kann. Stand heute gibt es keine politischen Entscheidungen, die einem Klub eine konkrete Perspektive aufzeigen“, sagt Adam. Also müsse man sich „auf verschiedene Szenarien vorbereiten und Lösungen finden, um Kosten zu reduzieren, wenn bestimmte Erlöse infrage stehen.“

Derzeit weiß niemand, wann
die Saison wirklich beginnt

Denn noch ist unklar, ob die DEL wie geplant ab dem 18. September spielen kann. Im Raum stehen deswegen ein verschobener Start oder gar eine Verkürzung der Saison. Was die Klubs empfindlich treffen würde, bekommen sie doch kaum TV-Geld und verdienen laut DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke „60 bis 70 Prozent“ ihrer Einnahmen am Spieltag. Die Existenzsorgen sind real.

 DEL-Chef Gernot Tripcke hofft auf Eingkeit unter den Klubs.

DEL-Chef Gernot Tripcke hofft auf Eingkeit unter den Klubs.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Also wollen die Klubs am größten Kostenfaktor ansetzen: den Spielergehältern, die je nach Klub 50 bis 70 Prozent der Ausgaben ausmachen. Der Aufsichtsrat der DEL hat deswegen ein Konzept vorgeschlagen: 25 Prozent der Gehälter sollen eingefroren werden. Nach der Hauptrunde 2020/21 sollen die Einnahmen mit denen aus der Vorsaison verglichen werden, und nur wenn die mehr als 75 Prozent betragen, gibt es weiteres Geld für die Spieler. „Das ist ein Ansatz, über den wir uns dringend unterhalten mussten in einer Situation, in der viele Einnahmen nicht planbar sind“, sagt Adam. „Wir haben mit Spielern und Trainern intensiv kommuniziert, sind weiterhin im Austausch und werden hoffentlich kurzfristig eine Lösung im Sinne der gemeinsamen Sache finden.“

Noch scheint die ligaweit aber nicht gefunden zu sein. Denn gegen die Pläne regt sich Widerstand unter den Spielern, die lieber individuelle Lösungen haben wollen. Weil die Situation je nach Klub und Angestelltem unterschiedlich sei. Manche Profis haben Verträge über zwölf Monate, manche über acht oder neun. Manch ein Team könnte auch in der Krise alles zahlen, manche sind auf die Gehaltskürzungen angewiesen. Und dennoch koppelt die DEL die Lizenzierung für alle Klubs an das Konzept. Nur wer nachweisen kann, dass seine Spieler darauf eingehen, darf nächstes Jahr in der DEL spielen. Freiwillig, wie es offiziell heißt, wäre der Verzicht der Spieler also keineswegs.

Spieler sollen bis zum
Saisonstart in Kurzarbeit gehen

Ein weiterer heikler Punkt: Die Spieler sollen sich verpflichten, bis zum Saisonstart in Kurzarbeit zu gehen. Weil aber ja niemand weiß, wann der sein wird, fürchten vor allem Topverdiener mit mehr als 10 000 Euro netto im Monat, auf unbestimmte Zeit auf einen Großteil verzichten zu müssen. Die Bemessungsgrenze für Kurzarbeit liegt bei 6900 Euro brutto, was für manche Kürzungen von 70 Prozent bedeuten würde. Das wollen vor allem die nicht einsehen, deren Klub ja eigentlich zahlen könnte, aber es nicht darf. Doch darauf pocht DEL-Chef Tripcke. Sollte ein Klub dennoch volle Gehälter zahlen, wäre das „Signal fatal“. Tripcke fürchtet einen Flächenbrand, wo es in der Krise doch vor allem um Einheit gehen soll.

So ist die Situation vertrackt. Die Liga macht mit dem Verzicht als Lizenzbedingung Druck auf die Spieler. Die Spieler wiederum könnten sagen, sie unterschreiben einfach nicht. Dass dann kein Verein die Lizenz erhält und die Saison komplett ausfallen muss, ist ja nicht zu erwarten. Zwar betonen die Spieler, die Lage nicht eskalieren lassen zu wollen, aber sie haben Forderungen. Die wichtigste: Zeit. Warum verschiebt man die Lizenzierung nicht fragen sie. Dann könnte im Zuge der aktuellen Lockerungen ja vielleicht absehbar sein, wann wieder vor Zuschauern gespielt werden kann. Und wenn man einen festen Termin hat, überlegt man sich gemeinsam, wie man bis dahin über die Runden kommt. Grundsätzlich, so ist aus Spielerkreisen zu hören, seien die bereit zu verzichten.

Um sich besser zu vernetzen, hat sich nun eine Interessengemeinschaft gebildet. Rund 80 Spieler sind dabei, langfristig soll daraus eine richtige Gewerkschaft entstehen. Federführend sind Moritz Müller (Köln) und Ex-DEG-Stürmer Patrick Reimer (Nürnberg). Auch von der DEG sind Spieler dabei, unter anderem Alexander Barta und Marco Nowak. Es sei jetzt „an der Zeit, dass auch die Spieler eine Stimme bekommen“, sagt Nowak. „Wir wollen in den nächsten Jahren gemeinsam Lösungen finden: Spieler, Vereine und DEL.“ Was auch bedeutet: Es geht den Spielern nicht nur um die aktuelle Debatte, sie wollen künftig grundsätzlich mitreden, ein größerer Faktor werden. Kommt es so, ist im deutschen Eishockey wirklich nichts mehr, wie es war.

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