NHL in Deutschland Der Eishockey-Zirkus ist in der Stadt

Seit den 30ern tourt die NHL durch die Welt. Am Mittwoch spielen die Edmonton Oilers bei den Kölner Haien. Mit Leon Draisaitl – und dem besten Spieler der Welt.

Der gebürtige Kölner Leon Draisaitl im Trikot der Edmonton Oilers.

Der gebürtige Kölner Leon Draisaitl im Trikot der Edmonton Oilers.

Foto: dpa/Peter Joneleit

Todd McLellan sah etwas zerknautscht aus, als er sich nach dem Training den Reportern stellte. Welche Tageszeit wir denn gerade hätten, fragte der Trainer der Edmonton Oilers in die Runde, er habe jegliches Zeitgefühl verloren, nicht mal über den Wochentag sei er sich im Klaren. Das war natürlich ein Scherz, aber ganz auf der Höhe schien der 51-Jährige in der Tat nicht zu sein.

Keine 24 Stunden zuvor waren McLellan und der riesige Oilers-Tross im vereinseigenen Flugzeug in Köln gelandet. Dem Jetlag zum Trotz war das berühmte Eishockey-Team aus Kanada gleich am nächsten Morgen in die Trainingshalle der Haie gefahren, später ging es in die Stadt: Dom, Schokoladenmuseum, Rheinschifffahrt, Brauhaus. Am Mittwochnachmittag (16 Uhr/Sport 1) steht nun das Testspiel gegen die Kölner Haie an. Ist das vorbei, geht es weiter nach Schweden, wo am Samstag das erste Spiel der NHL-Saison gegen die New Jersey Devils steigt, ehe der fünfmalige Meister wieder nach Edmonton fliegt. Knapp 15.000 Kilometer wird er dann unterwegs gewesen sein. Für 120 Minuten Eishockey.

Da steht der sportliche Ertrag natürlich in keinem Verhältnis zum Aufwand. Aber es geht um mehr, die Spiele in Übersee sind Teil der „NHL Global Series“. Seit Jahren schickt die berühmteste und stärkste Eishockey-Liga der Welt ihre Superstars auf verschiedene Kontinente. „Growing the Game“ (den Sport wachsen lassen) ist das Motto, das man dieser Tage rund um die Kölnarena immer wieder hört. Zwar ist die NHL eine der größten Marken des Welt-Sports mit einem Jahresumsatz von 4,5 Milliarden Dollar, doch außerhalb Nordamerikas gibt es genügend Wachstumspotenzial.

Neu ist der Gedanke nicht. Bereits in den 1930er-Jahren schickte die NHL ihren Eishockey-Zirkus auf Werbetour, seitdem gab es Dutzende Spiele in Europa und Asien. Auch Deutschland steht immer wieder im Reiseplan. Im Mai 1958 spielten die Boston Bruins und die New York Rangers in Krefeld, Essen, Dortmund und Berlin. 1990 kamen die Edmonton Oilers und die St. Louis Blues nach Düsseldorf, es folgten Spiele in Mannheim, Berlin und Hamburg. Nun ist Köln dran. Was wenig verwundert, steht dort doch die größte Halle Deutschlands. Und trotzdem war sie schnell voll. 18.700 Tickets gingen binnen zehn Minuten an Fans aus ganz Europa, den USA und Kanada.

Der wahre Grund für das Spiel in Köln ist aber Leon Draisaitl, das vielleicht größte Talent in der Geschichte des deutschen Eishockeys. Bereits mit 16 zog es den gebürtigen Kölner ins gelobte Eishockey-Land. Über die starken Juniorenligen Kanadas kämpfte er sich in die NHL und gehört dort heute zu den Stars. 68 Millionen Dollar sind den Oilers die Dienste des großen, aber eleganten Mittelstürmers bis 2025 wert. Nun kommen sie erstmals in dessen Heimatstadt und spielen gegen den Verein, bei dem er zum ersten Mal auf dem Eis stand. Und bei dem sein Vater Peter die Profis trainiert. Natürlich sei der Trip anstrengend, sagt der 22-Jährige, aber halt ein „einmaliges Erlebnis“. Die Oilers haben Draisaitl die Freizeitgestaltung übertragen, er durfte ihnen seine Stadt zeigen. Begleitet von zahlreichen Reportern.

Für die NHL ist Draisaitl ein Glücksfall. Als Markt mit langer Eishockey-Tradition spiele Deutschland eine „wichtige Rolle“ in der Auslandsstrategie der NHL, hat Liga-Vize Billy Daly vergangenes Jahr gesagt. Deswegen fährt die Liga groß auf. Ein Fanfest vor der Halle, ein Lehrgang für lokale Trainer durch die Coaches der Oilers und Bundestrainer Marco Sturm. Daly selbst ist extra von New York aus eingeflogen, um ein paar nette Worte über die Gastgeber zu sagen. Das tun die Oilers seit Tagen. Die deutsche Liga habe ein „hohes Level erreicht“, sagt Trainer McLellan. Bundestrainer Sturm mache einen „großartigen Job“, das habe die Olympische Silbermedaille gezeigt, „das deutsche Eishockey ist in guten Händen“.

Trainer Peter Draisaitl hat sich eine kreative Taktik überlegt

Respektsbekundungen kamen selbst von höchster Stelle. „Die Deutschen werden unterschätzt“, sagt Connor McDavid, der selbst nie unterschätzt wird. Kaum jemand bestreitet, dass der gerade mal 21-Jährige der aufregendste und beste Eishockey-Spieler der Welt ist. Zwei Mal in Folge führte Edmontons Kapitän die Scorerliste der NHL an und wurde mit Auszeichnungen in Vielzahl überhäuft. Sein neuer Vertrag garantiert ihm in den nächsten acht Jahren nicht weniger als 100 Millionen Dollar.

Auf ihn gelte zu achten, das sei wichtiger, als sich Gedanken darum zu machen, wie er seinen Sohn stoppe könne, scherzte Haie-Trainer Peter Draisaitl – und kam mit einer kreativen Idee um die Ecke: Vielleicht schicke er einfach mehr als die erlaubten sechs Spieler aufs Eis. Wahrscheinlich dürfte selbst das nicht reichen, um McDavid und Draisaitl aufzuhalten. Reisestress der Männer aus Edmonton hin oder her.

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