DEG DEG—Stürmer: Braver Darryl — böser Boyce

So nett der 33 Jahre alte Kanadier abseits des Eises auch ist, so unangenehm kann er darauf werden. Einsatz, Kampf und Härte kennzeichnen ihn.

DEG: DEG—Stürmer: Braver Darryl — böser Boyce
Foto: Horstmüller

Düsseldorf. Summerside ist ein herrliches Fleckchen Erde. Der malerische Hafen, verträumte Landhäuser sowie urige Restaurants verleihen dem 15 000-Einwohner-Ort auf der Prince-Edward-Insel einen idyllischen Charakter. Verkehrstechnisch allerdings kann es in der Bucht vor den kanadischen Provinzen Neu-Braunschweig und Neu-Schottland schon einmal problematisch werden. „Wir sind alle ziemlich müde“, sagte Darryl Boyce nach seiner Ankunft in Düsseldorf. Rund 300 Kilometer galt es zunächst bis zum internationalen Flughafen in Halifax zurückzulegen, dann gab es Verspätungen bei den Anschlussflügen. „Insgesamt waren wir 16 Stunden unterwegs. Für unsere beiden Kinder ist das besonders wegen des Essens an Bord kein Vergnügen gewesen. Aber nun sind wir ja da und freuen uns auf Düsseldorf“, meinte der neue Angreifer der DEG.

DEG: DEG—Stürmer: Braver Darryl — böser Boyce
Foto: Horstmüller

Auf den ersten Blick passt Darryl Boyce perfekt ins verträumte Summerside. Gemütlicher Typ, liebevoller Ehemann von Gattin Melissa sowie treusorgender Vater der zwei Kinder Caleb (17 Monate) und Dillon (drei Monate). „Der eine schläft ja noch sehr viel. Aber der andere spielt schon gerne im Sandkasten und plantscht mit Wasser“, erzählt Boyce lachend im Gespräch mit der WZ und fügt dann ernst hinzu: „Es ist unglaublich, wie meine Frau die beiden im Griff hat und dazu auch noch den Haushalt bewältigt. Manchmal ist es mir schon peinlich, dass ich ihr durch meinen Job so wenig helfen kann.“

Die Schöne und das Biest, mag der geneigte Eishockey-Beobachter dabei denken. Denn im Job wird aus dem braven Darryl oft der böse Boyce. Weit mehr als tausend Strafminuten pflastern seine Karriere-Statistiken. Bisheriger Rekord sind die 180 Minuten aus der Spielzeit 2004/05 im Trikot eines Junioren-Teams in Toronto, beim ERC Ingolstadt waren es vergangene Saison 98 Strafminuten. Höhepunkt war eine Prügelei mit dem Kölner Travis Turnbull, die den „Sport 1“-Kommentator Sebastian Schwele zum begeisterten Box-Experten werden ließ. „Das ist kein Ballett hier, das ist ein richtig guter Kampf. Turnbull jetzt in der besseren Position. Aber Boyce mit einem Haken von oben und damit hat es sich erledigt“, rief Schwele ins Mikrofon.

Boyce selbst möchte natürlich nicht auf das Image des bösen Buben reduziert werden — und in der Tat kann sich auch seine Anzahl an Toren sowie Vorlagen zu solchen sehen lassen. Der 33-Jährige bezeichnet sich selbst als einen speziellen Spieler. „Ich habe von allen Fähigkeiten etwas. Besonders hart arbeite ich in den Ecken, um meinen Mittelstürmer in Abschlussposition zu bringen.“ Dass er dabei auch zum Heißsporn werden kann, gesteht er ein: „Ich gehe zwar nicht mit dem Vorsatz dazu aufs Eis — aber manchmal muss ich eben machen, was gemacht werden muss.“ Dann kann der Lockenkopf austeilen, ist allerdings auch hart im Nehmen.

Im Internet existiert ein Foto von ihm, das wegen seiner Grausamkeit mit einem Warnhinweis versehen ist. Boyce liegt auf einer Trage, über den Augen eine Mullbinde, die Nase darunter dick und verbogen. Der Mundwinkel ist durch Schwellungen verschoben, und wo eigentlich das rechte Nasenloch sein sollte, hängt nur noch ein Fleischlappen herunter. An diesem 3. November 2011 hatte Boyce im Trikot des NHL-Teams Toronto Maple Leafs einen Gegenspieler der Carolina Hurricanes beim Check-Versuch verfehlt und geriet dadurch in eines der Gucklöcher für Fotografen. Wie ein Käsehobel filetierte das Plexi-Glas die Nase des Stürmers. „Die war wie abgeschnitten. Mein ganzes Gesicht brannte unfassbar“, erzählt Boyce.

„Er wird im nächsten Spiel fehlen“, schrieb ein kanadischer Journalist. „Wer sagt, dass ich nicht spiele?“, entgegnete Boyce via Twitter. Und in der Tat: Zwei Tage später stand er mit gebrochener Nase und zerschnittenem Gesicht zum Bully bereit. „Eishockey ist meine Leidenschaft. Mein Vater sagt mir immer, ich soll so lange spielen, wie es geht.“ Seine Frau wird es nicht verbieten. „Sie hat auch nach der schlimmen Szene in Toronto nicht verlangt, dass ich aufhöre. Eher hätte sie mich verlassen, wenn ich es getan hätte. Weil ich für sie dann nicht mehr der Typ gewesen wäre, denn sie geheiratet hat“, sagte Boyce grinsend. Schließlich lassen sich die Wunden einer Saison im Sommer in Summerside prima lecken. Ist ja ein herrliches Fleckchen Erde — wenn man erst mal da ist.

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